Als Kazuyoshi Miura seine Karriere begann, war Helmut Kohl Kanzler und Nicole sang von „ein bisschen Frieden“. Heute wird er 56 Jahre alt – und spielt immer noch!
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In Japan nennen sie Kazuyoshi Miura „King Kazu“, denn er spielt so lange Fußball wie kein anderer Profi auf der Welt. Er war Asiens Fußballer des Jahres, wurde brasilianischer und kroatischer Meister. Er spielte in Italien, Australien und seiner Heimat Japan. Er machte 89 Länderspiele und schoss dabei 55 Tore. Mit 53 Jahren, sieben Monaten und 28 Tagen ist er der älteste Spieler, der je in der japanischen ersten Liga eingesetzt wurde.
Als Kazuyoshi Miura 1986 sein erstes Profispiel bestreitet, gewinnt Argentinien mit Libero und Diego Maradona die WM. Im Fernsehen gibt es drei Sender und die Computerfirma Commodore bringt eine „Gold Edition“ heraus. Als Miura 1990 sein erstes Länderspiel macht, hält sich Matthias Reim mit „Verdammt, ich lieb’ Dich“ 16 Wochen auf Platz eins der Single-Charts, Helmut Kohl geht in seine dritte Amtszeit und in Greifswald erwarten Roland Kroos und Birgit Kämmer einen Sohn, den sie Toni nennen werden.
Die Welt ist in jener Zeit noch riesengroß. Ein Telefongespräch in die USA kostet so viel wie ein Kleinwagen und Südamerika liegt nicht nur einen Mausklick und einen 700-Euro-Non-Stop-Flug entfernt. Den jungen Kazuyoshi Miura interessiert das aber nicht die Bohne. Schon 1982, im Alter von 15 Jahren, packt er seine Sachen und verlässt die japanische Drei-Millionen-Metropole Shizuoka in Richtung Brasilien. Alleine am anderen Ende der Welt, 17.000 Kilometer, 40 Stunden Flugzeit. Seinen Eltern, Freunden und Lehrern erklärt er, er wolle Fußballprofi werden. Einer wie Roberto Rivelino, sein großes Idol, der Weltmeister von 1970.
Als der Junge in Brasilien ankommt, muss er feststellen, dass niemand auf ihn gewartet hat. Anfangs verdingt er sich als Straßenverkäufer und Touristenführer, nebenbei kickt er in Sao Paulo in der Jugendmannschaft des Clube Atletico Juventus. Die Mitspieler reagieren skeptisch auf den Neuen aus Fernost, ein paar mit offenem Rassismus. „Manchmal haben sie sich geweigert, den Ball zu mir zu passen“, erinnert sich Miura später.
Die Geschichte geht weiter wie in einem Film mit Richard Gere: Der gescheiterte Held macht sich auf den Weg zum Flughafen, er will heim nach Japan. Nur ein Ziel hat er noch: Er möchte ein letztes Mal das Maracana sehen. Als er dort ankommt, sieht er vor den Toren einen Jungen, der mit großer Begeisterung einem Ball hinterherjagt. Auf den zweiten Blick erkennt Miura, dass dem Jungen ein Arm fehlt. „Da wusste ich: Ich darf mich nicht unterkriegen lassen. Ich darf nicht aufgeben.“ Also bleibt er – und schießt wenig später ein entscheidendes Tor gegen Corinthians. In den folgenden Jahren kickt er für den FC Santos, Palmeiras Sao Paulo und Coritiba.