Liverpools Mohamed Salah wurde zum Superstar dieser Saison. Heute soll er endlich groß aufdribbeln. Nicht nur für Ägypten, sondern für die komplette arabische Welt.
In Rom sollen Könige recht angesehen leben können. Ob sie nun Romulus, Lucius Tarquinius Priscus oder Francesco Totti heißen. In einer lauen Frühlingsnacht des Jahres 2018 n. Chr. huldigten aber mehr als 5000 meist in Rot gewandete Menschen im Stadio Olimpico di Roma keinem italienischen König, sondern einem Herrscher aus dem fernen Ägypten. „Mo Salah, Mo Salah, running down the wing, Egyptian King“, riefen die Fans aus Liverpool nach dem Einzug ins Champions-League-Finale beim AS Rom.
Der König trug an diesem Abend Funktionswäsche. In einem weißen, langärmeligen Sportunterhemd watschelte dieser Mo Salah von den 5000 ekstatischen Fans weg und stieß auf drei ekstatische Anzugträger. Die Liverpool-Legenden Jamie Carragher und John Arne Riise sowie der Moderator Jan-Aage Fjörtoft hüpften in freudiger Erregung auf und ab. Sie hielten ihm das Fernsehmikro vor die Nase und schlugen ihm weitere Krönungen vor: Champions-League-Gewinner! Ballon d’Or! Friedensnobelpreis! Der König im Unterhemd lachte breit, wischte sich durch die Cosmo-Kramer-Tolle, die Ärmel wie immer über das Handgelenk gezogen, ähnlich einem frierenden Kind.
„Er ist wahnsinnig fokussiert“
Er zog die Zunge über die Vorderzähne und griente: „Denkt dran, ich habe seit zwei Spielen nicht getroffen. Das hebe ich mir vielleicht fürs Finale auf.“ Die Runde lachte hysterisch, dann verabschiedete sich der König mit seinen kurzen Schritten, schwang die Arme am Körper locker her und begab sich in die Kabine. Es ist nicht verbrieft, aber Mo Salah hat sich womöglich später ins Bett gelegt und zufrieden gemurmelt: War doch ein ganz amüsanter Abend!
„Er ist wahnsinnig fokussiert, aber für sein Spiel braucht er Lockerheit“, sagt Georg Heitz, der als Sportdirektor des FC Basel seinerzeit Salah entdeckte. „Wer lächelt, der begreift Fußball trotz all der Unsummen als ein Spiel. So ist es bei Mo.“ Der Ägypter verkörpert eine juvenile Unbedarftheit inmitten des so staatstragend wirkenden Geschäfts. Wer ruhig bleibt, während die Welt um einen herum durchdreht, so heißt es ja, habe den Ernst der Lage nicht verstanden. Salah kann zumindest den übertriebenen Ernst ausblenden.
In Ägyptens wichtigem Qualifikationsspiel gegen Kongo bekam seine Mannschaft in der vierten Minute der Nachspielzeit einen Elfmeter zugesprochen. Es stand 1:1. Ein Sieg würde die erste WM-Teilnahme Ägyptens seit 28 Jahren bedeuten. Die Zuschauer im Stadion feierten bereits, der Kommentator weinte, wohl 95 Millionen Ägypter zitterten – und Salah schoss den Ball einfach ins Tor. Im Champions-League-Halbfinale blickten Millionen Fans vor allem auf ihn, weil er mit Liverpool auf seinen Ex-Verein AS Rom traf. Salah handhabte den Druck im Hinspiel auf seine spezielle Art: mit zwei Traumtoren und zwei Vorlagen.