Zinedine Zidane steht als Trainer von Real Madrid im Champions-League-Finale – zum dritten Mal im dritten Jahr. Die Spieler lieben ihn, alle andere sind skeptisch. Warum ist das so?
Zidane widerspricht in vielen Punkten dem Anforderungsprofil, das der moderne Fußball heute vermeintlich an Spitzentrainer stellt. Sein Training ist nicht überfrachtet mit komplexen Aufgabenstellungen. Er, der ehemalige Ballkünstler, legt in erster Linie Wert auf ausgeprägte Fitness. Ansonsten genießen die Künstler Freiheiten. Viele seiner Übungen wären einem Thomas Tuchel oder Rafael Benitez vermutlich zu altbacken.
Zidanes größte Stärke ist die größte Schwäche vieler seiner Kollegen. Wie kein Zweiter ist er in der Lage, eine Ansammlung von Weltstars zu führen. Er kontrolliert die Hinterzimmer, die trastienda, wie es in Spanien heißt. Damit ist gemeint, dass er stets im Bilde ist, was das Seelenleben der Mannschaft angeht.
Die Aura des Trainers
Real Madrid ist unter Zidane zu einer verschworenen Gemeinschaft geworden, die Spieler folgen ihrem Trainer blind, weil sie ihn über alle Maßen respektieren. Etwas, was auf diesem Niveau kaum möglich ist, es sei denn, man war selbst ein Weltklassespieler. Der Trainer weiß, wie sich seine Spieler fühlen, er kennt all ihre Befindlichkeiten, weil er sich ja selbst lange in ihrer Lage befand. Selbst er wurde im kritischen Bernabeu ausgepfiffen, wenn es nicht lief. Er weiß, welchen Druck es bedeuten kann, das weiße Real-Trikot zu tragen. Die Aura des Trainers Sergio Ramos am treffendsten beschrieben: „Was Zidane sagt, ist heilig.“
Was er tut ebenso. Manchmal spielt er bei den Trainingsspielen oder den rondos (4 gegen 2) noch mit, dann bekommen auch Größen wie Ramos oder Modric einen Tunnel ab und alle lachen. Sami Khedira brachte er damit mal so in Rage, dass der zur eingeflogenen Blutgrätsche ansetzte und trotzdem ins Leere flog. Solche Kleinigkeiten sind es, die Weltklassespieler packen, nicht verkopfte Trainingsspielformen.
Die Art, wie viele Spieler von ihrem ersten Treffen oder ihrem ersten Kontakt mit Zidane berichten, zeigt den Respekt, den der Trainer genießt. Raphaele Varane etwa rief Zidane während dessen Abiturprüfung an. Als der Verteidiger bemerkte, wer da am anderen Ende ist, setzte er seine Prüfung in den Sand.
Taktische Kniffe
Gerade in dieser Saison, die national so enttäuschend verlief, gelang es Zidane, eine „Wir gegen den Rest der Welt Mentalität“ einzuimpfen, ohne dabei dem Wahnsinn eines José Mourinho nachzueifern. Der Presse gegenüber stellt er sich schützend vor seine Spieler, intern hat er ein Klima geschaffen, in dem jeder wertgeschätzt wird. Alle 24 Spieler des Kaders kamen in der Spielzeit zum Einsatz. „Niemand soll sich außen vor fühlen“, sagt Zidane.
Wenn es hieß, die größte Stärke des Trainers Zinedine Zidane sei es, Zinedine Zidane zu sein, dann schwang latent der Vorwurf mit, ihm fehle es an Inhalten. Davon kann längst nicht mehr die Rede sein. Taktikfuchs Unai Emery und Paris St. Germain bremste er im Achtelfinale mit einem Kniff aus. Statt des gewohnten 4−3−3 opferte er Gareth Bale und lief im 4−4−2 auf. Real gewann das Spiel im Mittelfeld, wo Marco Asensio und Mateo Kovacevic dominierten. Dass Zidane seit 2016 keines seiner sieben Endspiele mit Real Madrid verloren hat, kann nicht allein seiner Aura geschuldet sein.