Mit Kevin Vogt steht und fällt nicht nur die Hoffenheimer Defensive, sondern das ganze Spiel der TSG. Kein Wunder, dass Julian Nagelsmann ihn vor der Saison auch offiziell zum Kapitän machte.
Als Franck Ribéry abhob, war sowieso schon alles zu spät. Der Franzose nahm die unglückliche Grätsche von Havard Nordveit im Hoffenheimer Strafraum dankbar an, sprang ab und fiel steif wie ein drei Tage altes Baguette nach vorne. Elfmeter für Bayern, Lewandowski verwandelte, die Vorentscheidung im Eröffnungsspiel der neuen Bundesligasaison war gefallen.
Hoffenheims Abwehrchef musste die Ereignisse von draußen ansehen. Nach 74 Minuten verließ Kevin Vogt den Platz mit einer Oberschenkelverletzung. Eigentlich war das der Moment, wo Hoffenheim das Spiel verlor. Nicht, weil für ihn Nordveit ins Spiel kam, der dann den Elfmeter verursachte. Sondern weil mit Vogt auch die Sicherheit in der Hoffenheimer Defensive verloren ging.
Das 2:1 für den FC Bayern in der 82. Minute kam in der offensiv besten Phase der TSG. Nach vorne lief es also auch ohne Vogt sehr gut. Aber die Balance ging verloren. Bei Münchner Gegenangriffen war die Abwehr unsortiert. Zum Beispiel als Ribéry an der linken Strafraumlinie den Ball bekam und der eigentlich zentrale Mann der Dreierkette rausrücken musste und sich zu der unvorsichtigen Grätsche hinreißen ließ. Schwalbe hin oder her.
Oh Captain, my Captain
Ein Kapitän im Fußball hat regeltechnisch erstmal nur Sonderpflichten. Er ist Ansprechpartner für den Schiedsrichter, nimmt an der Seitenwahl teil und ist für das Benehmen seiner Mannschaft verantwortlich. Normalerweise machen Trainer aber insbesondere jene Spieler zum Kapitän, die ihre Mannschaft anleiten und ihr Spiel steuern, eine große Präsenz auf dem Feld haben und für die Umsetzung der taktischen Maßnahmen des Coaches Sorge tragen.
Führt man sich diese Eigenschaften vor Augen, wird unmittelbar klar, wieso Kevin Vogt letzte Saison zunächst kommissarisch und seit dieser Spielzeit offiziell Kapitän in Hoffenheim ist.
Julian Nagelsmann setzt den 26-Jährigen in seiner bevorzugten defensiven Dreierkette im Zentrum ein. Von dort aus koordiniert er situativ die beiden anderen Innenverteidiger auf den Halbpositionen oder, ergänzt durch die beiden Außen, die Fünferkette, die sich bei hohem gegnerischem Ballbesitz formiert.
Achtet man im Spiel nur auf Vogt, schaut er sich ständig um, dirigiert seine Mitspieler, schaut zum Trainer, kontrolliert die Abseitslinie, befiehlt seinen Kollegen, wann sie rausrücken und wann sie sich zurückziehen sollen. Mehr Platzhirsch geht nicht. Vogt selbst sagt, es liege ganz einfach in seinem Naturell, Vorder- und Nebenmänner zu steuern. Abwehrchef ist eben Charaktersache.
Dabei hilft dem gebürtigen Wittener wahrscheinlich auch seine Herkunft und das damit verbundene lockere Mundwerk. „Wir Ruhrpottler sind ja immer frei Schnauze“, nennt er das. Kennt man vielleicht aus den Trinkhallen im Revier. Aber ehrlich und direkt kann schon mal als unfreundlich und provokant aufgefasst werden.
Deswegen unterstreicht er seine Autorität zur Sicherheit mit Leistung, die er ausgesprochen verlässlich erbringt. Letzte Saison machte er 31 Bundesligaspiele, immer über 90 Minuten. Seine Zweikampfquote lag bei 63 Prozent, 89 Prozent seiner Pässe kamen an. Werte, die er auch gegen Bayern bestätigen konnte.
Aber Vogt ist nicht nur defensiv wichtig. In Bochum, wo er mit 17 für die Profis debütierte, Augsburg und Köln spielte er meist als Sechser – und seine Qualitäten aus dieser Zeit bringt er auch in Hoffenheim ein. Vogt ist Ausgangspunkt für viele Hoffenheimer Angriffe und nimmt dem alleinigen Sechser in Nagelsmanns System dadurch viel Arbeit und Druck ab. Auch sonst schätzt der Trainer seine Flexibilität sehr, schließlich ermöglicht sie erst das variable Rausrücken und Deckungsspiel in der Defensive.
Seine Jungs
Sportdirektor Alexander Rosen befindet, Vogt habe sich „nicht nur zu einer zentralen Persönlichkeit bei der TSG“ entwickelt, sondern „darüber hinaus mit seinem überragenden Spielaufbau und mit seinem Tempo offensiv wie defensiv einen herausragenden Wert für uns.“
All das führte dazu, dass Vogt die Aufmerksamkeit gleich zweier großer Teams auf sich zog. Zum einen der Nationalmannschaft, wo er aber vorerst weiter auf eine Nominierung wird warten müssen, wie seit Mittwoch klar ist.
Zum anderen des FC Bayern. Obwohl er nach eigener Aussage „Niemals nie“ sage, konnte er sich gegenüber des neuen Bayern-Trainers Niko Kovac, der ihn nach München holen wollte, zu einem „Nein“ durchringen – um stattdessen vorzeitig bis 2022 in Hoffenheim zu verlängern. Denn: „Das hier sind meine Jungs“, wie er sagt. Und er ist ihr Kapitän.