Gladbachs Brasilianer so flauschig wie nie, Philipp Lahm so gut wie ganz Bremen und wer hat eigentlich die Poker-Kohle von Max Kruse? Die 11 des 26. Spieltags.
Bernd Leno
Bei all den Kameras, die inzwischen ein handelsübliches Bundesliga-Spiel durchleuchten, wäre es vielleicht eine ganz interessante Maßnahme der allmächtigen DFL gewesen, eines der Dinger im Schlafzimmer des HSV-Stürmers Artjoms Rudnevs zu installieren. Vermutlich hätten wir den bulligen Angreifer dabei beobachten können, wie er verzweifelt Kissen via Scherenschlag durch sein Bett befördert, viertelstündlich von schweißgebadeten „LENOOOO!“-Rufen unterbrochen. Obwohl: der Leverkusener Keeper war am Sonntag so gut, dass er wahrscheinlich auch noch den Schlaf des armen Rudnevs wachgehalten hätte. Dass seine Mannschaft mit 1:0 gewann, lag daran, dass sich Leno heldenhafter in die Schüsse der Gäste aus Hamburg warf als ein verliebter Leibwächter. Gleich dreimal parierte Leno dabei gegen Rudnevs. Das waren nicht irgendwelche 0815-Chancen, sondern eigentlich glasklare Tore. Zu schade, dass Leno am großen Wahl-Sonntag zu tun hatte. In seiner Form hätte er den Angriff von rechts sicherlich souverän abgewehrt.
Leonardo Bittencourt
Wir wissen nicht ganz genau, was man im Großraum Hannover ins Grundwasser gemischt hat, aber es scheint enorme Schäden am Geruchssinn zu fördern. Wie sonst lässt sich die fast schon historisch miese Spürnase der 96er auf dem Transfermarkt erklären? Nicht nur, dass man bei den eigenen Neuverpflichtungen fast vollständig daneben lag, auch der Abgang von Leonardo Bittencourt rächte sich brutal. Denn bei seiner Rückkehr in sein ehemaliges Wohnzimmer entdeckte der 22-Jährige ausgerechnet seinen Torriecher und traf doppelt. Bildlich gesprochen, benahm sich der Mann vom 1. FC Köln wie ein gehörnter Ehemann, der seine Frau mit einem Neuen erwischt und in der Folge die gemeinsame Wohnung mit einer Kettensäge zerlegt, die gemeinsame Katze nass rasiert und den gemeinsamen Sohn auf den Namen „Yves-Jeremy“ umtaufen lässt, um anschließend den gemeinsamen Porsche bei eBay-Kleinanzeigen einzustellen. Zu verschenken. Mit der gemeinsamen Stereoanlage im Kofferraum. Als Hannoveraner wären wir heute ziemlich stinkig.
Lukas Hradecky
Der „Haste Scheiße am Handschuh“-Award des Spieltags geht diesmal nach Frankfurt, wo Torwart Lukas Hradecky einen dermaßen beschissenen Arbeitstag erwischte, dass man sich kurzzeitig wünschte, er würde für den Rest des Samstags zum Vorsitzenden der AfD bestimmt, damit er die Partei in seiner ihm gegebenen Tolpatschigkeit dazu verpflichtet, bei zukünftigen Wahlkampfveranstaltungen Tortenkatapulte im Hintergrund aufzustellen und Gutscheine für alle örtlichen Konditoreien aus der Parteikasse zu finanzieren. Aber man kann ja nicht alles haben.
Philipp Lahm
Mitte der zweiten Halbzeit der Partie zwischen Bayern München und Werder Bremen stattete Kommentator Wolf Fuss die Zuschauer mit einer Information aus. Da hatten die Bayern gerade den 625. Pass des Spiels auf die Reise geschickt. Dem gegenüber standen 108 der Gäste aus Bremen. 115 der 625 Bayern-Pässe hatte zu diesem Zeitpunkt Philipp Lahm gespielt. Und damit sieben Stück mehr als die komplette gegnerische Mannschaft. Wahnsinn. Am Ende waren es 926 zu 162 Pässe. Immerhin: Werder hatte mit Lahm ausgeglichen. 162 hieß es am Ende auch bei ihm. 95 Prozent davon kamen auch noch an. Zum Vergleich: Werders Außenverteidiger Alejandro Galvez gelangen ganze 27 Pässe. Die spielt Bayerns Dauerlutscher Lahm vermutlich auch dann noch, wenn er mit gebrochenen Beinen auf der Tribüne sitzt. Und wir sollten uns nach Spielen wie diesen endlich einen neuen Begriff für „chancenlos“ ausdenken. Das wird der Dominanz der Bayern in solchen Duellen ähnlich gerecht wie die Bezeichnung „ganz nett“ für einen Sonnenuntergang am letzten Urlaubsabend im Karibikurlaub, während einem der inzwischen eng befreundete Barkeeper den 162. Drink mischt.
Raffael
Gladbachs Brasilianer beim Fußballspiel zuzuschauen, ist manchmal so, als würden einem 500 schottische Faltohrkatzen durch die Synapsen krabbeln. Denn der Spielmacher kuschelt dermaßen sanft mit dem Spielgerät herum, dass wahrscheinlich sogar seine Frau vor dem heimischen Fernseher Tobsuchtsanfälle bekommt. Wir könnten es zumindest verstehen. Gegen Frankfurt flauschte sich Raffael ein ums andere Mal durch die Kühlschrankdefensive der Eintracht und war Dreh- und Angelpunkt der Borussen-Offensive. Sein 30-Meter-Lupfer-Tor ist da kaum eine Erwähnung wert, so normal und beiläufig wirken selbst die kleinen Kunstwerke bei ihm.
Andrej Kramaric
Hoffenheims Angreifer tut uns leid, wurde er doch im Winter von einem echten Fußballmärchen in Leicester in den knüppelharten Abstiegskampf der Bundesliga nach Sinsheim transferiert. Doch statt dem Husarenritt und einer zünftigen Meisterparty seiner alten Kollegen hinterherzuweinen, hat sich der Kroate einfach zu einer Art Lebensversicherung für die TSG gemacht. Bei seinen vergangenen vier Einsätzen war der 24-Jährige an vier Toren beteiligt, gegen Wolfsburg erzielte er gar den späteren Siegtreffer und holte zudem noch einen Elfmeter heraus. Den verschoss dann sein Kapitän Kevin Volland, obwohl Kramaric sich angeboten hatte. Wie gesagt: Er tut uns leid.
Kingsley Coman
Man kann tausend Worte verlieren über die Spielfreude von Kingsley Coman. Man könnte Romane schreiben über seine Ballbehandlung und Comics zeichnen über seinen Lifestyle. Man sollte vielleicht sogar Sachbücher verfassen über seine Frisurenwahl, aber um zu zeigen, wie viel Spaß der junge Franzose im Duell gegen Bremen hatte, muss dann am Ende dann doch wieder nur ein Symbolvideo aus der weiten Welt des Internets herhalten. Hier ist es:
Moritz Hartmann
Ob Moritz Hartmann eines Tages als der ekelhafteste Stürmer in die Ligageschichte eingehen wird, ist unwahrscheinlich. Doch seinem Verein, dem FC Ingolstadt, heftet in dieser Saison nun mal so sehr das Stigma der Ekeltruppe an, dass Hartmann romantische Geschichte fast in Vergessenheit gerät. Denn vor nicht mal vier Jahren war Hartmann in Ingolstadt schon in die zweite Mannschaft abgeschoben worden und kickte gegen den TSV Buchbach und Seligenporten, statt in den Bundesliga für Furore zu sorgen. Im Giftgipfel gegen den VfB Stuttgart ekelte sich der FCI also zu einer zwischenzeitlichen 3:1‑Führung, wobei Hartmann den ungewöhnlichen Torreigen der Ingolstädter mit einem Schuss aus der Kategorie „Betonfuß“ eröffnete, nach dem man dem Tornetz im Sportpark bereits einen Vierzigtonner Mobilat senden wollte. Hartman hat nun sieben Ligatore und damit über ein Drittel aller FCI-Bundesligatreffer erzielt. Davon hätte er damals in Buchbach sicher auch nicht zu träumen gewagt.
Gonzalo Castro
Eigentlich hatten wir den Namen Gonzalo Castro schon in den Zettelkasten mit dem Titel „Fehleinkauf“ einordnen wollen, doch natürlich lagen wir daneben. Derzeit mausert sich Castro beim BVB neben den Aubameyangs, Mkhitaryans, Kagawas und Reus’ zum heimlichen Mann für die magischen Momente. Seine Vorlage vor dem 1:0 durch Marco Reus war nicht nur sein siebter Assist der Saison, sondern dermaßen malerisch, dass Bob Ross sich im Grabe vor Freude eine Staffelei aufstellte, um den Moment für immer festzuhalten.
Max Kruse
Neulich sind wir mal wieder Taxi in Berlin gefahren. Unterhielten uns mit dem Fahrer über den BFC Dynamo („Immer noch ne Macht, weeste?“) und Radfahrer („Allet Orjanspender!“). Dann stiegen wir aus und mussten Minuten später feststellen, dass wir Kippen und Feuerzeug im Wagen vergessen hatten. Wie ärgerlich! Ob sich Max Kruse auch kopfschüttelnd zum nächsten Späti begeben hat, um dort Ersatz für seinen Verlust zu besorgen? Wären wir gerne dabei gewesen an jenem frühen Sonntagmorgen. „Tach. Zehn Schlümpfe, einen kleinen Milchkaffee zum Mitnehmen und 75.000 Euro, bitte.“ So viel Kohle hat der Stürmer vom VfL Wolfsburg offenbar im Oktober 2015 in einem Berliner Taxi vergessen, wie die „Bild“-Zeitung rechtzeitig vor dem Spieltag vermeldete. Kruse, so heißt es, habe vermutlich am Poker-Event „World Series of Poker“ teilgenommen. Was nicht unbedingt erklärt, warum der Fußballer so viel Bargeld durch die Hauptstadt kutschierte. „Da will ich doch ein bisschen mehr drüber wissen“, hat sich VfL-Manager Klaus Allofs zu Wort gemeldet. Sind wir gerne mit dabei. Kruse wurde bei der 0:1‑Niederlage gegen die TSG Hoffenheim nach 60 Minuten ausgewechselt. Um beim Thema zu bleiben: Kruse hatte an diesem Wochenende ein eher durchschnittliches Blatt erwischt.
Die Fans
Ob Darmstädter, Augsburger, Dortmunder oder Mainzer: An diesem Wochenende zeigten Fußballfans mal wieder, dass sie nicht die brandschatzenden Radaubrüder sind, zu denen sie nur zu gerne von Polizei und Politik gemacht werden, sondern dass die meisten unter ihnen normale Menschen sind, die wissen, dass ihr Verein das Größte, aber nicht das Wichtigste ist. Daran sollten wir uns alle erinnern, wenn wieder versucht werden sollte, jene Fans an den Pranger zu stellen oder ihre Rechte mit den absurdesten Begründungen und Methoden zu beschneiden. Denn ohne sie ist Fußball zwar weiter ein Spiel, aber ein leider ein ziemlich graues.