Ende 2017 schien Arminia Bielefeld urplötzlich vor dem finanziellen Aus zu stehen. Inzwischen ist der GAU abgewendet worden. Auf außergewöhnliche Art.
Der DSC Arminia Bielefeld war lange Zeit ein Sorgenkind. Das begann schon mit dem Skandal 1970, als Spiele für Summen manipuliert wurden, für die die Neymars dieser Welt nur Husten müssen. Ruhe wollte in diesem Verein nie einkehren. Zu windig das Umfeld, zu wahnwitzig die Visionen der Entscheider.
Geschüttelt durch Krisen, aber auch dank Verpflichtungen kluger und kreativer Köpfe hat sich der DSC ein neues Image verpasst. Ohne, dass es wirklich wahrgenommen wird. Daran änderte auch eine grandiose Pokalsaison 2014/2015 nichts, in der der damalige Drittligist das erste Mal vor der Insolvenz stand.
Arminia stand vor dem Total-Crash
„Diese Saison hat Arminia damals gerettet, sagt Finanz-Geschäftsführer Markus Rejek. Der Mann kennt sich mit komplizierten Strukturen aus, hatte er zuletzt doch für den TSV 1860 München gearbeitet. Auch wenn er sagt: „Wenn ich vom Ausmaß gewusst hätte, wäre ich mit meinen Koffern in München geblieben.“ Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, wie nah sein neuer Arbeitgeber vor dem „Total-Crash“ (Rejek) stand.
Erst als die Presse im Zuge der neuerlichen Nachlizensierung vom „Bündnis Ostwestfalen“ berichtete, herrschte großer Aufruhr. Genau eine Woche vor dem Start der Rückrunde lud der Verein schließlich ein, um über die Lage zu informieren.
Der Klub wäre zahlungsunfähig gewesen
Rejek redete Klartext, die Zuhörer lauschten gebannt. Es mag der Schock gewesen sein, vielleicht waren es auch die Zahlen, die Rejek darstellte. Von einer Deckungslücke in Höhe von 4,6 Millionen Euro war die Rede, ebenso von weiteren 4,5 Millionen, die es bis zum 1.7.2018 bräuchte, um die Lizenz für die Saison 2018/2019 zu erhalten.
Den finanziellen Notstand erklärte Rejek vor allem mit den „sehr ambitionierte Vorausplanungen, welche nicht eingehalten wurden, ebenso wie geplante Einsparmaßnahmen, die nicht umgesetzt wurden.“ Um anschließend auszuführen: „Nach einer weiteren Liquiditätsplanung stellten wir fest, dass Arminia zum 31.12. zahlungsunfähig gewesen wäre.“
Als wären die bestehenden Schulden nicht genug
Rasch erkannte er, dass „mit Geldern der laufenden Saison versucht wurde, eine Finanzlücke der Vorsaison zu schließen.“ In der Zeit, in der manch Angestellter in seinem neuen Job noch in der Probezeit ist, musste Rejek den Lebensretter geben. Und das unter gehörigem Druck: „Es war klar, dieses Konzept funktioniert nur, wenn wir eine positive Fortführungsprognose haben würden. Ohne die wären wir gar nicht in der Lage gewesen, neues Geld aufzunehmen, selbst wenn es uns jemand angeboten hätte.“
Als wären die bereits bestehenden Schulden von 25 Millionen Euro nicht schon genug. 25 Millionen Euro, die im Wesentlichen den zwei Abstiegen in die dritte Liga und dem Neubau der Osttribüne zu verdanken waren, die mit 19 Millionen Euro Baukosten satte acht Millionen Euro teurer ausfiel, als gedacht
Nun ist der DSC Arminia Bielefeld nicht einfach nur ein Sportverein. Er besteht neben dem e.V. aus der Stadiongesellschaft ALM KG und der DSC Arminia Bielefeld KgaA, der Lizenzspielerabteilung. Der e.V. sei nur erwähnt, um das Gesamtkonstrukt zu verstehen; er war und ist schuldenfrei. Die beiden anderen Gesellschaften werden nun von ihren Schulden bereinigt — durch Einlagen, die das „Bündnis Ostwestfalen“, eine Investorengruppe bestehend aus regionalen Unternehmen, in die Arminia-Gruppe tätigt.
Die oberste Prämisse für diese Schuldenbereinigung war jedoch die Vereinbarung, das Stadion (auf dem Papier Eigentum der ALM KG) an einen Dritten zu verkaufen — ein krasser Einschnitt, insbesondere für die Fans. Jedoch: „Wir werden uns eine Rückkaufoption in den Vertrag schreiben lassen. Es ist also nicht so, dass wir unsere Seele verkaufen“, sagt Präsident Hans-Jürgen Laufer. Sobald der Verkauf des Stadions über die Bühne gegangen ist, ist die ALM KG — bei einem entsprechenden Verkaufspreis und Senkung der Pacht- und Betriebskosten — von ihren Schulden bereinigt. Wer das Stadion letztendlich erwirbt, steht derzeit allerdings noch offen.
Weber hilft — und geht
Sollte dies zeitnah gelingen, bleiben noch vier Millionen Restschulden offen, für die nun ein Fünfjahresplan vereinbart wurde. „Bislang ist alles unter Vorbehalt, da noch die formale Zustimmung der Gremien beim Land Nordrhein-Westfalen, der Stadt Bielefeld und in den privaten Unternehmen fehlt. Aber die Absprachen mit den Gläubigern und Unterstützern sind getroffen“, sagt Markus Rejek.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Unternehmer Gerhard Weber, der Mann, der „selbst auch mal beim DFB angerufen hat, um zu vermelden, dass das nötige Geld bald da sei“. Er initiierte das „Bündnis Ostwestfalen“. Er ist der Mann, der den Verein „seit 2010 maßgeblich mit Einlagen unterstützt hat“, wie Präsident Laufer sagt. Doch diese Zeit ist nun vorbei. „Er hat im Gespräch geäußert, dass er aus diesem Engagement heraus möchte“, verkündete Laufer.
Wegweisend für die Zukunft?
An Webers Stelle treten nun viele Unternehmen, die „für Arminia Bielefeld Verantwortung übernehmen. Wir reden hier von Unternehmen, die nicht das Interesse haben, ihre eigenen Interessen in diesem Verein abzubilden. Sondern es sind ostwestfälische Unternehmen, die helfen wollen, dieses Kulturgut für diesen Standort zu erhalten. Das ist eine Situation, die in den Bundesligen einmalig ist und ganz sicher wegweisend für die Zukunft sein wird“, so Markus Rejek.
Ins gleiche Horn bläst der Geschäftsführer Sport, Samir Arabi. „Kontinuität, Weiterentwicklung und Bodenständigkeit“ sind Begriffe, die er gebetsmühlenartig benutzt. Er sagt: „In den letzten Jahren wurde seriös gearbeitet und man ist hier noch nie gut damit gefahren, großkotzig zu werden. Das ist auch nicht die Art, mit der in den Unternehmen gearbeitet wird, die uns nun helfen.“
Gut so. Denn ansonsten gäbe es den DSC Arminia Bielefeld in dieser Form wohl nicht mehr.