Der Peruaner Kukin Flores galt als einer der besten Spieler Südamerikas. In Europa kennt ihn aber kaum jemand – Schuld sind Drogen, Alkohol und Poltergeister.
Er stieß sie weg, aber sie holten ihn immer wieder zurück, denn sie wollten ihn ja spielen sehen. Oft wiesen ihn Freunde und Bekannte in Kliniken ein, er begann Kuren und Therapien, aber er gab die Behandlungen nach ein paar Wochen wieder auf. Meistens verschwand er still und heimlich, manchmal spurlos. Als er am Ende seiner Karriere für Colegio Nacional Iquitos spielte, fand ihn der Trainer erst nach fünf Tagen in einer Siedlung wieder. Sie badeten ihn, gaben ihm Kaffee und Wasser, und am Abend spielte er wieder wie von einem anderen Stern.
Angel Cappa, der Universitario 2002 zur peruanischen Meisterschaft führte und auch River Plate trainierte, erinnerte sich an eine Partie gegen den Club Juan Aurich de Chiclayo, für den Kukin spielte. „Kukin trug die 10 mit Stolz. Ich weiß noch, wie ich einerseits wollte, dass wir ihm den Ball abnahmen, andererseits aber freute ich mich auch, wenn er am Ball war, den sein Spiel war so magisch. Er hatte ein tolles Dribbling, einen harten Schuss. Er war ein intelligenter Spieler, der das Spiel lesen konnte. Er wirkte wie ein Superstar, der keiner war.“
Manchmal aber schlug sein Genie in Wahnsinn um. Als sie 1994 gegen Alianza Lima spielten, beging er ein Foul, das einige Zeitungen mit einem Mordversuch verglichen. Kukin sprang aus vollem Lauf mit gestreckten Beinen in seinen Gegenspieler Paulo „Churre“ Hinostroza. Kukin wurde für drei Monate gesperrt, einige Medien hatten sogar eine lebenslange Sperre gefordert. Auf der Seite peru.com schrieb ein Autor 20 Jahre später: „Es war eine Straftat, und bis heute wissen wir nicht, was der Grund war.“ Aber was war da überhaupt los gewesen mit Kukin? Wenn man sich das Video anschaut, sieht es aus, nun ja, als sei der Teufel hinter ihm her.
Das WM-Qualifikationsspiel gegen Kolumbien am 19. Juli 2000 war erst Kukins zweiter Einsatz in der Nationalelf. Er wurde in der 55. Minute eingewechselt, die Fans hatten minutenlang seinen Namen gerufen. Er lief aufs Feld, sprach kurz mit seinem Sturmpartner Claudio Pizarro, und dann ging es los.
Kukin war damals auf seinem Zenit, 26 Jahre alt, er foppte seinen Gegenspieler Mario Yepes, der ihn verärgert fragte: „Verdammt, wo spielst du eigentlich?“ Und als Kukin sagte, hier bei den Sport Boys in Peru, antwortete Mario Yepes verwundert: „Du spielst in England oder Deutschland oder Spanien. Was ist los mit dir? Verarsch mich nicht!“ Bald, dachte Kukin da, bald würde er ja wirklich in Europa spielen, vielleicht in Belgien. Die Scouts von Anderlecht wollten 700.000 Dollar Handgeld mitbringen. Nach dem Spiel, das Peru 0:1 verlor, sagte Nationaltrainer Maturana: „Kukin, du warst mein einziger Lichtblick, gegen Uruguay spielst du von Beginn an.“ Wenige Stunden später traf er die vier Fans an der Tankstelle.
Die Woche vor seinem Tod wurden von peruanischen Zeitungen fast minutiös dokumentiert. Der Wachmann seiner Wohnanlage sah ihn am Abend zuvor, am 16. Februar 2019. „Er begrüßte mich. Er wirkte ruhig.“ Und der peruanische Sportjournalist Luis Trisano erzählte, dass er ihn ebenfalls wenige Stunden vor seinem Tod in dem Viertel La Punta getroffen habe. Der Ex-Profi streunte hier nach seiner Karriere oft durch die Gegend. Der Reporter fragte ihn, wie es ihm gehe, und da sagte Kukin, er wollte einige Projekte anstoßen und er habe ein wenig Geld für seine Kinder und Enkel angelegt. „Er sagte es einfach so, als wollte er am Ende noch mal klarstellen, dass er für seine Kinder sorgt“, sagte Trisano. Damals dachte er sich nichts dabei, nun aber klinge es, als wusste Kukin bereits, dass er sterben würde.
Am nächsten Morgen dann, am 17. Februar gegen 6:40 Uhr, ging ein Anruf auf der Polizeistation ein. Kukin hätte die Nacht durchgefeiert, sagte seine Freundin, und nun würden die Geister ihn wieder verfolgen und töten wollen. Die Polizei rief die Rettungssanitäter an. Als sie ankamen, konnten sie nur noch seinen Tod feststellen. Wenig später machte ein Foto im Internet die Runde. Es zeigt das Zimmer, in dem Kukin gestorben ist. Zu sehen ist auch ein Tütchen mit weißen Pillen. In dem Polizeibericht steht, Kukin sei an einem Herzinfarkt gestorben. Seine Freundin Liz Contreras unterschrieb den Polizeibericht.
Nach ein paar Tagen gab sie ein Interiew, in dem sie erklärte, sie hätte den Bericht unter Schock unterschrieben. In Wahrheit seien die Pillen in dem Tütchen Medikamente von ihr gewesen, und Kukin hätte einen Krampfanfall gehabt. Kurz vor seinem Tod hätte er sie noch einmal klar und direkt angeschaut, sich aber nicht an ihren Namen erinnern können. Die Staatsanwaltschaft begann danach mit neuen Ermittlungen.