Spielerisch und taktisch war das Finale zwischen Atletico und Real ein einziger Krampf. Am Ende wird Zinedine Zidane für seine Wechselstrategie belohnt, die ihn eigentlich hätte den Sieg kosten müssen.
Erst nach der Pause wusste Atletico mit dem Ballbesitz auch etwas anzufangen. Diego Simeone wechselte Linksaußen Yannick Carrasco ein und stellte damit sein System um. Die Außenspieler Koke und Saul Niguez gingen auf die Achterpositionen. Atletico spielte nun mit einem 4−3−3 mit einer leichten Asymmetrie: Antoine Griezmann orientierte sich als Rechtsaußen vornehmlich in Richtung Strafraum, Carrasco band sich tiefer in den Spielaufbau ein.
Zidane wechselt Atletico stark
Atletico konnte die eigenen Ballbesitzansätze nun besser ausspielen. Koke riss im zentralen Mittelfeld das Spiel an sich, Carrasco gewann auf dem linken Flügel die entscheidenden Eins-gegen-Eins-Duelle und brachte Hereingaben in den Strafraum. Real wiederum stand auf den Flügeln immer unkompakter. Ronaldo merkte man spätestens nach dem Wiederanpfiff, dass er angeschlagen in das Spiel ging. Es fehlte lange Zeit ein Linksaußen, der auch nach hinten mitarbeitet. Schon in der 47. Minute vergab Griezmann eine Riesenchance, als er einen Elfmeter an die Latte schoss. Auch danach blieb Atletico die spielbestimmende Mannschaft.
Zidane spielte dem Gegner mit seinen Wechsel weiter in die Karten: Dass Benzema und nicht der angeschlagene Ronaldo den Platz verlassen musste, lässt sich anhand der individuellen Fähigkeiten eines Ronaldos noch halbwegs schlüssig erklären. Warum mit Kroos aber ausgerechnet jener Spieler den Platz verließ, der wenigstens ab und an für längere Ballbesitzphasen von Reals sorgte, erschließt sich auch bei dreifacher Betrachtung nicht. Zumal Zidane keinen defensiver Spielertyp für Kroos einwechselte, sondern mit Isco einen sogar noch offensiveren Spielmacher. Es kam, wie es kommen musste: Atletico erzielte in der 78. Minute den Ausgleichstreffer.
Elfmeter-Lotterie
In der folgenden Verlängerung mussten beide Teams ans körperliche Limit gehen. Die Spieler kämpften und krampften sich bis ins Elfmeterschießen. Cristiano Ronaldo entschied dieses am Ende für sich. Es war seine einzige bedeutende Aktion an diesem Abend. Zidane jetzt dafür zu loben, dass er den völlig entkräfteten Ronaldo nicht auswechselte, wäre dann aber doch zu hoch gegriffen; es ist ja nicht so, dass die stattdessen ausgewechselten Benzema und Kroos keine guten Elfmeterschützen sind.
So darf sich Atletico am Ende ärgern. Ärgern, dass sie die erste Halbzeit verpennten. Ärgern, dass Griezmann den Elfmeter versemmelte. Ärgern, dass sie trotz einer tollen Champions-League-Saison ohne Titel dastehen. Atletico wäre ein würdiger Champions-League-Sieger gewesen. Und doch reckte am Ende Real Madrid den Henkelpott in die Lüfte. Es ist eben eine der herausragenden Qualitäten des Fußballsports, dass am Ende nicht automatisch das Team gewinnt, das den Sieg langfristig verdient hat. Und genau darum lieben wir doch den Fußball.