Er ist Platzsprecher beim Wiener Sportklub, und er ist blind. Fehlendes Sehvermögen macht er durch seine Liebe zum Fußball, ortstypischen Schmähund fleißige Helfer wett.
„Schönen guten Abend, liebe Fußballfreunde! Herzlich willkommen zum Meisterschaftsspiel der Regionalliga Ost!“ Wenn diese Worte an einem Freitagabend über den altehrwürdigen Sportclub-Platz in Wien-Hernals hallen, fühlen sich die Fans gut aufgehoben.
Die kräftige Stimme gehört Roland Spöttling, dem einzigen blinden Platzsprecher im österreichischen Fußball.
„Krüppel haben so was Rührendes“
Schon als kleiner Bub hat Spöttling sein Augenlicht verloren. Davon abgehalten, ein fanatischer Fußballfan zu werden, hat ihn das nicht. In Begleitung eines Betreuers begann er, regelmäßig in die Stadien der österreichischen Hauptstadt zu pilgern. „Das erste Match, das ich live gesehen hab, war Österreich gegen Spanien 1982 im alten Wiener Stadion“, sagt Spöttling grinsend. Selbstironische Scherze übers nicht vorhandene Sehvermögen gehören zum Repertoire des 43-Jährigen. Die Frage nach dem Warum ist schnell geklärt: „Wie hat der Qualtinger so schön gesagt? Krüppel haben so was Rührendes.“
Rührend kann Spöttling zwar auch sein, in erster Linie ist er aber ein Original. Schwarze Sonnenbrille, runder Bauch, große Goschen – all das machte ihn schnell zu einer bekannten Gestalt des Wiener Fußballs. Zu seiner ersten großen Liebe wurde der SK Rapid. „Grün war schon immer meine Lieblingsfarbe“, sagt Spöttling, „und die große Mannschaft der achtziger Jahre mit Krankl, Panenka, Krancjar und Pacult war einfach ein Traum.“ In den Neunzigern wurde Spöttling so etwas wie das Maskottchen des Rekordmeisters. Beim Europacupfinale 1996 in Rotterdam durfte er im Teamhotel nächtigen, nach dem Meistertitel im selben Jahr feierte er mit den Spielern in der Kabine. Rapids legendäre Stadionstimme Andi Marek führte ihn in die Künste des Kommentierens ein, fortan moderierte Spöttling die Matches der zweiten Mannschaft.
Mit Funktionären und Fans überworfen
Nachdem er sich mit Funktionären und Fans überworfen hatte, kehrte der Platzsprecher Hütteldorf allerdings den Rücken zu und widmete sich seiner zweiten Flamme, dem Wiener Sportclub. Der hatte sich Mitte der neunziger Jahre nach zwei Konkursen aus dem Profifußball verabschiedet, in der Sprecherkabine wurde ein Platz frei. „Ich war schon immer gern am Sportclub-Platz, weil hier so eine heimelige Atmosphäre herrscht“, sagt Spöttling über das von Wohnbauten und einem Friedhof eng begrenzte Stadtstadion, das seit 1904 durchgehend bespielt wird. „In den Achtzigern hat mir der Verein einmal einen ganzen Satz Autogrammkarten geschenkt.“
Ohne abzusetzen rattert er auch 30 Jahre danach noch die Namen der damaligen Sportclub-Kicker herunter, damit klar ist: Hier sitzt kein Adabei, sondern ein echter Fan. Von den Anhängern in Hernals wurde er dennoch skeptisch beäugt, herrscht zu Rapid doch eine innige Rivalität. „Einige Fans haben mir nicht verziehen, dass ich von der Rapid gekommen bin“, sagt Spöttling. „Ich kann nur sagen: Mein Hauptaugenmerk gehört dem Sportklub. Das mach’ ich mit Überzeugung, und da bin ich stolz drauf.“ Wenn Spöttling die Matches aus dem kleinen Kammerl über der Eckfahne kommentiert, stehen ihm zwei Mitglieder der Fanvereinigung „FreundInnen der Friedhofstribüne“ zur Seite, die ihn über das Geschehen am Laufenden halten.