Im Sommer 2021 bewarben Stars von Inter Mailand und der kroatischen Nationalmannschaft einen Krypto-Token. Etliche Fans schlugen zu – und beklagen nun üble finanzielle Verluste. Immer mehr Spieler und Vereine nutzen ihre Reichweite, um Fans die riskanten Investitionen näherzubringen.
Bei dem Twitter-User @brozocrypto handelt es sich nicht etwa um einen der vielen Elon-Musk-Jünger, sondern um den Mittelfeld-Dirigenten von Inter Mailand, Marcelo Brozović. Die Wahl des Nutzernamens ist kein Zufall: Der Kroate bewirbt auf seinen Kanälen regelmäßig neue Cryptowährungen und sogenannte Non-Fungible Tokens (NFTs) – so auch im Sommer 2021.
Damals hieß das Produkt FootballStars: ein digitaler Token, der – wer hätte es gedacht – schnelle Gewinne versprach und die Fußballwelt revolutionieren sollte. Nicht nur Brozović bewarb den Token. Auch seine damaligen Teamkollegen Romelu Lukaku, Achraf Hakimi, Ashley Young, Mateo Kovacic und Ivan Perisic machten allesamt mit kurzen Videos und Posts Werbung dafür. Alle Spieler, die zum damaligen Zeitpunkt Werbung für die Digitalwährung machten, spielten für Inter Mailand oder die kroatische Nationalmannschaft. Viele Fans ließen sich überzeugen und kauften die FootballStars-Token. Heute ist klar: Das Investment wurde für die Käufer zum Desaster.
Denn der Token hielt nicht was er versprach. Der Kurs brach nach anfänglichem Auf und Ab innerhalb von wenigen Monaten ein. Mittlerweile hat der FootballStars-Token 98 Prozent seines einstigen Wertes verloren. Auf den Twitter- und Telegram-Kanälen der Stars, die zuvor eifrig für den Token geworben hatten, ist es seitdem erstaunlich ruhig. Auch die Webseite von FootballStars ist nicht mehr zugänglich.
The Athletic sprach mit mehreren Fans, die aufgrund der öffentlichen Unterstützung der Profi-Spieler in FootballStars investierten und zum Teil mehrere tausend Dollar Verlust einstecken mussten. Die prominenten Gesichter der Fußballer gaben den Anhängern das Gefühl einer sicheren Investition, die langfristig an Wert gewinnen würde. Nur kurze Zeit später war so gut wie all ihr investiertes Geld verschwunden und die Stars hatten sich verdünnisiert.
Der Fall des FootballStars-Tokens ist allerdings nur ein besonders auffälliges Beispiel für die heutige Influencer-Rolle von Profispielern und den Einfluss von digitalen Währungen im Fußball. Denn die Welt der Coins und Tokens ist längst fester Bestandteil der Vermarktung von Ligen, Klubs und Spielern.
In den englischen, französischen und italienischen Profiligen können Interessierte seit vergangenem Jahr Fan-Tokens einzelner Vereine kaufen. Der größte Anbieter dieser Tokens, das Unternehmen Socios, ist seit Anfang des Jahres offizieller Partner der Serie A, der Premier League und auch der UEFA und wirbt für sein Produkt mit mehr Teilhabe für die Fans. „Hilf deinem Team, die richtigen Entscheidungen zu treffen“, heißt es auf der Website. Was nach der Verwirklichung von Football Manager klingt ist in Wahrheit eine große Übertreibung.
Mit dem Einfluss, den Mitglieder eines Vereins haben, ist das nämlich kaum zu vergleichen. Auf das operative Geschäft können die Token-Inhaber nicht einwirken. Stattdessen wird bei manchen Vereinen wahlweise über die Halbzeitpausen-Musik oder ein Trikotdesign abgestimmt. Außerdem können nur diejenigen abstimmen, die in den Token investiert haben. Demokratische Teilhabe sieht anders aus.
Die Football Supporters Europe, ein europaweites Netzwerk von Fans, äußerten sich im Februar kritisch zu dem Engagement der UEFA mit Socios. „Der Einstieg der UEFA in den unregulierten Fan-Token-Markt bedroht die Grundprinzipien der Fanbeteiligung in Europa“, so das Netzwerk. Der Großteil der Socios-Investoren seien keine Fußballfans, sonder Spekulanten auf dem Krypto-Markt.
Auch vor der Bundesliga hat der neue Markt keinen Halt gemacht. Im Herbst beschloss die DFL, wie auch die spanische La Liga, eine Kooperation mit dem NFT-Anbieter Sorare. Dort werden Sammelkarten von Spielern als digitale Tokens verkauft und gehandelt. Quasi: Panini-Bildchen für die Generation Z. Doch anstatt am Kiosk an der Ecke 50 Cent zu investieren, um irgendwie das letzte fehlende Bildchen von Trinidad und Tobago zu bekommen, wird bei Sorare für eine digitale Karte teilweise ein Vermögen fällig. Kürzlich wurde eine Karte von Erling Haaland für ca. 614.000 Euro verkauft.
Unter dem Deckmantel eines Spiels werden so Sammelkarten an Fans für Kryptowährung verkauft. Über die Risiken wird kaum informiert: Der Wert von sowohl der Währung als auch der Tokens richtet sich allein nach Angebot und Nachfrage und kann dadurch quasi über Nacht einbrechen.
Nicht alle dieser Investitionsmöglichkeiten sind so instabil wie der FootballStars-Token, jedoch werden gerade junge Fußballfans von Spielern und Vereinen dazu verleitet, risikoreiche Investitionen zu tätigen. Marcelo Brozović, der sich auf Twitter als „cryptocurrency evangelist“ beschreibt, hat den FootballStars Token jedenfalls abgeschrieben und widmet sich schon dem nächsten „Projekt“: dem neuen „Crogecoin“. Er kann es sich leisten.