Er schlief auf der Straße, um Fußball zu studieren. Seine Vorbilder heißen Bielsa und Guardiola. Chiles Jorge Sampaoli ist die beeindruckenste Trainerfigur der Copa America.
Sein Interesse an Bielsa nahm ungesunde Züge an, wie er selbst zugibt: „Ich sah in ihm eine mythische Gestalt. Ich hörte alle seine Reden. Ich hatte sie auf Kassette und hörte sie mir für gewöhnlich beim Joggen an.“
Später, als sein Inspirator in Buenos Aires tätig war, fuhr Sampaoli die 300 Kilometer mit dem Auto auf der Panamericana durch die argentinische Pampa, nur um Trainingseinheiten zu verfolgen. Er legte sich mit einem gewissen Sicherheitsabstand auf die Lauer und beobachtete per Fernglas jede Aktion.
Das Ideal Bielsa
Jahre später hatte diese Faszination für Bielsa nicht nachgelassen. 2007 verlor er mit Sporting Cristal 0:5 gegen Club América in der Copa Libertadores. Sampaoli war enttäuscht, aber nicht vom Resultat: „Ich wurde seinem Ideal nicht gerecht.“
Doch bevor Sampaoli überhaupt in der Copa Libertadores an der Seitenlinie stehen konnte, startete er seine Karriere zunächst bei kleineren Amateurmannschaften. Die Verantwortlichen seines ehemaligen Klubs Newell’s Old Boys wurden durch einen Zeitungsartikel auf ihn aufmerksam. Der berichtete folgendes: Mitte der neunziger Jahre trainierte Sampaoli einen Verein namens Atlético Belgrano und führte den Klub bald an die Tabellenspitze. Als ihn der Verband wegen ungebührlichen Verhaltens für einige Spiele sperrte, verfolgte der Argentinier die Spiele kurzerhand versteckt in einer Baumkrone am Seitenrand und gab seiner Mannschaft aus luftiger Höhe Anweisungen. Ganz in der Tradition seines Vorbilds Bielsa, genannt „der Verrückte“.
Ein Foto davon erschien in Rosarios Zeitung La Capital. Newell’s Verantwortliche boten ihm prompt den Job beim Farmteam Argentino de Rosario an. Für Sampaoli der nächste Schritt.
Er übernachtete auf der Straße – um Fußball zu sehen
Wie fußballversessen er ist, beweist auch folgende Geschichte: Während seine Laufbahn als Amateurtrainer langsam in Fahrt kam, entschied er sich für eine Studienreise nach Europa. Sampaoli wollte Trainingseinheiten in Spanien und Italien besuchen. Doch sein Budget war eher knapp berechnet. „Manchmal hatten wir nichts zu essen und keinen Ort zum Schlafen.“ Für den Fußballlehrling kein Grund, die Reise abzubrechen. Er übernachtete auf der Straße.
Diese Entbehrungen sollten sich bald auszahlen. Die erste Profistation hatte Sampaoli in Peru. Bei einem Klub namens Juan Aurich in Chiclayo erhielt er einen Lohn von 2500 Dollar – für das gesamte Trainerteam. Später ging es nach Chile und Ecuador. Der endgültige Durchbruch folgte bei Universidad de Chile. Zunächst als „Bielsa für Arme“ verspottet, prägte Sampaoli einen Spielstil, der unweigerlich an Bielsas Mannschaften erinnerte und ihm den Spitznamen „Professor“ einbrachte. „Er konzentriert sich auf Passfußball, analysiert und studiert sehr viel, kopiert auch viele Ideen von anderen Trainern und baut sie um. Bielsa ist hierbei natürlich ein gutes Vorbild“, hat das Sampaolis heutiger Mitarbeiter Matías Manna in einem Interview mit dem spielverlagerung.de mal zusammengefasst.