Einige Brasilianer sind erkältet. Stürmer Antony macht die Klimaanlage dafür verantwortlich. Ist da was dran?
In den letzten Tagen mehren sich Krankheitsfälle im brasilianischen Team. Die Erklärung für diese Fälle lässt dabei aufhorchen: „Das waren die Klimaanlagen“, sagt der brasilianische Stürmer Antony gegenüber ESPN Brasil. „Nicht nur ich, sondern auch einige Mitspieler hatten Husten und einen rauen Hals“, sagte der 22-Jährige.
Schon im Vorfeld der Winter-WM waren die Klimaanlagen ein großes Gesprächsthema. Dabei ging es aber vor allem um Energieverschwendung. Katar erzeugt seinen Strom hauptsächlich durch Öl und Gas. In sieben von acht Stadien sind massive Kühlsysteme eingebaut. Die Verantwortlichen betonen allerdings, dass die Kühlungstechnologie ausschließlich mit Solarstrom betrieben werde.
Dem brasilianischen Team wird der ökologische Aspekt weitestgehend gleich sein. Viel schlimmer: Auch Superstar Neymar hat mit Erkältungssymptomen zu kämpfen. Beim ersten Gruppenspiel Brasiliens gegen Serbien zog sich Neymar eine Bänderverletzung zu, mittlerweile soll leichtes Fieber dazugekommen sein. Dies hielt den Flügelstürmer von Paris Saint-Germain davon ab, den zweiten Gruppensieg seiner Mannschaft gegen die Schweiz im Stadion mitzuverfolgen.
Vielleicht auch besser so, denn auch auf der Tribüne wäre es Neymar womöglich recht schnell zu kühl geworden. Selbst die Zuschauerränge der Stadien werden künstlich herruntergekühlt. Sogar unter den Sitzen sind winzige Düsen eingebaut, aus denen es ununterbrochen eisig fächert. Um einen steifen Hals zu vermeiden, wurde Reportern in einem „Media Guide“ der FIFA empfohlen, Schal und Wollmütze mit nach Katar zu nehmen. Alle Zuschauer haben diese Tipps nicht erhalten.
Christina Ginter etwa, Ehefrau von Deutschlands Nationalspieler Matthias Ginter, beschwerte sich beim ersten Gruppenspiel gegen Japan über die eisige Stadionluft. In einer Instagram-Story fragte sie: „Wie sehr kann man ein Stadion runterkühlen?“ Und lieferte die Antwort gleich mit: „Qatar: Ja!“. Auf ihrem Arm bildete sich Gänsehaut, die ausnahmsweise mal nicht vom bescheidenen Auftritt der Deutschen Mannschaft ausgelöst worden war. Offiziellen Angaben zufolge werden die Stadien auf 20 Grad abgekühlt. Gerade beim Blick auf Lufttemperaturen von über 30 Grad im Dezember haben es alle Beteiligte also mit enormen Temperaturunterschieden zu tun.
Aber können Klimaanlagen überhaupt Erkältungen auslösen? Grundsätzlich ist der Vorwurf der Brasilianer dahingehend berechtigt, denn auch die Wissenschaft ist sich sicher, dass klimatisierte Luft krank machen kann. Allerdings liegt das nicht automatisch an den Klimaanlagen, sondern an damit verbundenen Faktoren wie trockener Luft oder schnellen Temperaturunterschieden, die das Immunsystem und den Kreislauf belasten und so Erkältungen auslösen. Der Krankenstand in klimatisierten Büros ist laut einer Studie des International Journal of Epidemiology sogar 40 Prozent höher als in jenen mit naturbelassener Luft.
Umgekehrtes Bild dagegen bei den Engländern: Die beschwerten sich nach dem enttäuschenden 0:0 gegen die USA über zu hohe Temperaturen. Englische Medien, die zuvor noch den umstrittenen Trainer Southgate im Visier hatten, vermeldeten gar, die Klimaanlage im Stadion sei eine Stunde vor Anpfiff abgestellt worden. Die FIFA äußerte sich zunächst nicht, meldete aber dann, dass die Anlage während des Englandspiels tatsächlich nicht lief. Der Weltverband betonte, dass dennoch alles nach Plan verlaufen sei: Von Spiel zu Spiel werde entschieden, ob gekühlt werden muss. Anvisiert seien Temperaturen von 24 Grad, die laut der FIFA beim Abendspiel der Engländer auch ohne Airconditioning erreicht wurde. Ob die Kühlung läuft, entscheiden Weltverband und Katar also vor jedem WM-Spiel aufs Neue. Und damit im Zweifelsfall auch, wer sich am Ende erkältet.