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Mike Webster kennen sie alle in den USA, nicht nur die Fans der Pitts­burgh Stee­lers. Schließ­lich ist Iron Mike“ in seiner Sportart eine Legende. Als Center gewann er viermal den Super Bowl, das Finale der National Foot­ball League. Was er dafür tun musste? Den Foot­ball bei jedem Spielzug zwi­schen seine Beine zum Quar­ter­back zu werfen, sich auf­zu­richten und meist mit dem Kopf voraus den her­an­rau­schenden Ver­tei­diger abwehren. Keiner konnte das besser als Webster.

Dia­gnose: CTE

Der Preis dafür war hoch. Nach seiner Kar­riere fand der Sohn eines Kar­tof­fel­bauers keinen Job, weil er an Gedächt­nis­ver­lust und Sprach­stö­rungen litt. Er miss­traute seinen Mit­men­schen, litt an Depres­sionen. Er ver­armte, schlief in Autos und später an Bus­hal­te­stellen. Er zog bei seinem Sohn ein, miss­brauchte Medi­ka­mente, ver­klagte die NFL. Und starb mit 50 Jahren an einem Herz­in­farkt. Seine Obduk­tion ergab, dass Webster an einer chro­nisch-trau­ma­ti­schen Enze­pha­lo­pa­thie gelitten hatte, her­vor­ge­rufen durch die vielen Schläge auf den Kopf. Ob die Krank­heit auch für den Herz­in­farkt ver­ant­wort­lich war, ist schwierig zu beant­worten, für Websters Depres­sionen, Gedächtnis- und Moto­rik­ver­luste aber ganz sicher.

Seit seinem Fall, den der Arzt Dr. Bennet Omalu im Jahr 2002 erforscht hatte, wird mit Kopf­ver­let­zungen im US-Sport anders umge­gangen. Die Bevöl­ke­rung ist für die Folgen sen­si­bi­li­siert worden. Wes­halb der Anteil von Sport­lern, die angaben, schonmal eine Gehirn­er­schüt­te­rung erlitten zu haben, von 2005 bis 2015 von neun auf 24 Pro­zent stieg. Und in der Wis­sen­schaft hat sich ein kleiner Hype ent­wi­ckelt um die Erfor­schung von Kopf­ver­let­zungen.

Frau­en­fuß­ball auf Platz 2

So ver­öf­fent­lichte ein For­scher­team der Uni­ver­sität von North Caro­lina um den Sport­wis­sen­schaftler Dr. Zachary Kerr vor kurzem eine Studie, die auch für den Fuß­ball alar­mie­rend ist. Denn zum ersten Mal hat der Frau­en­fuß­ball einen höheren Anteil an Kopf­ver­let­zungen auf­zu­weisen als Eis­ho­ckey bei den Män­nern. Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass die Eis­ho­ckey­spieler mit hoher Geschwin­dig­keit, und mit Schul­tern und Helmen voraus, inein­ander fahren. Aber: In der Studie, die alle Col­lege­sport­arten berück­sich­tigte, gab es mehr Kopf­ver­letzte als beim Frau­en­fuß­ball nur beim Ame­rican Foot­ball der Männer. Und auch die männ­li­chen Fuß­baller sind in einer bestimmten Sta­tistik trau­rige Spit­zen­reiter.

Diese Studie aktua­li­siert unser Ver­ständnis von Mus­tern bei Gehirn­er­schüt­te­rungen im Hoch­schul­sport unter Ver­wen­dung von Daten zur Ver­let­zungs­über­wa­chung“, erklärte Avinash Chandran, ein Mit­ar­beiter der Studie.

9.542 Fälle von Gehirn­er­schüt­te­rungen in 20 ver­schie­denen Hoch­schul­sport­arten wer­tete die For­schungs­gruppe aus – mit schlechten Ergeb­nissen für den Fuß­ball. Frau­en­fuß­ball belegte den zweiten Platz mit 8,19 Fällen pro 10.000 Ath­leten. Zum Ver­gleich: Die gefähr­lichste Sportart, Ame­rican Foot­ball der Männer, hat 10,4 Fälle pro 10.000 Ath­leten. Eis­ho­ckey der Männer belegt mit 7,69 Fällen den dritten Platz.

Gefahr im Trai­ning

Die unter­schied­li­chen Ergeb­nisse zwi­schen Män­nern und Frauen beim Fuß­ball erklärten die Wis­sen­schaftler mit den unter­schied­li­chen Kon­sti­tu­tionen. Frau­en­körper seien im Schnitt weniger wider­stands­fä­higer und vor allem die Hals­mus­ku­latur weniger stark, um einen unglück­li­chen Auf­prall bei Kopf­bällen oder Unfällen aus­zu­glei­chen.

Aber auch bei den Män­nern ergibt sich ein erstaun­li­cher Wert. Gehirn­er­schüt­te­rungen wäh­rend der Spiele kommen hier zwar ver­gleichs­weise sel­tener vor, dafür gibt es keine andere Sportart, bei der sich im Trai­ning mehr Men­schen Gehirn­er­schüt­te­rungen zuziehen als bei männ­li­chen Fuß­bal­lern. Genauer 5,01 Fälle pro 10.000 Ath­leten. Die For­scher legen nahe, dass das Trai­ning besser auf die Gesund­heit der Spieler abge­stimmt werden – sprich: Tod des Kopf­ball­pen­dels – und zudem eine bes­sere medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung wäh­rend der Trai­nings­ein­heiten ein­ge­räumt werden müsse.

Neue Regeln?

Und es tut sich bereits etwas! In den USA haben seit 2015 alle 50 Bun­des­staaten Gesetze erlassen, die genau fest­legen, wann ein Spieler, der unter dem Ver­dacht einer Gehirn­er­schüt­te­rung steht, wieder aufs Feld zurück­kehren darf. Mit guten Ergeb­nissen. Und auch die Fifa will anschei­nend reagieren. Bei einem Treffen des IFAB, dem inter­na­tio­nalen Regel­boards, wollen sich die Mit­glieder am Mitt­woch unter Tages­ord­nungs­punkt 3a mit den Gefahren von Gehirn­er­schüt­te­rungen aus­ein­an­der­setzen. Denkbar wäre eine Regel­än­de­rungen bei den Aus­wechs­lungen von ver­letzten Spie­lern.

Und auch Dr. Bennet Omalu, der Arzt, der posthum Mike Webster unter­sucht hatte, hat den Fuß­ball ins Visier genommen. In einer Radio­show von BBC 5“ sagte er vor einem Jahr: Ich glaube, im pro­fes­sio­nellen Sport gehört der Kopf­ball ver­boten.“