Neues Jahr, neues Glück. Aber was erwartet uns im Fußballjahr 2024? Finden wir es an Silvester raus, mit dem guten, alten Bleigießen.
Dieser Text erschien erstmals in Ausgabe 218. Hier im Shop erhältlich.
Ausgeglichenheit. Offiziell hat sich Ihr Präsident aufs Altenteil verabschiedet. Das heißt aber nicht, dass er sich nicht live aus der Wurstfabrik ins Tagesgeschäft einmischt und der sportlichen Leitung das Leben schwer macht. Versuchen Sie, die ständigen Schlagzeilen ausgeglichen hinzunehmen, während ihr Verein, der eigentlich besser ist als alle anderen, um den Einzug in die Europa League kämpft.
Leidensfähigkeit. Ihr völlig fußballfremder Investor installiert einen Trainer, der bereits in der Vergangenheit seine Unzulänglichkeit unter Beweis gestellt hat. Im Frühjahr ist daher Durchhaltevermögen gefragt, während der neue Coach mit versteinertem Halbgrinsen an der Seitenlinie Pleite um Pleite kassiert, bis das ganze Gebilde endlich implodiert. Doch Ihre Leidensfähigkeit wird belohnt werden. In der kommenden Saison spielen Sie wieder oben mit. In der zweiten Liga.
Liebe. 2024 ist das Jahr, in dem Sie sich endlich wieder verlieben. Und zwar in jenen blonden Ritter, der Ihren Klub übernommen und völlig unverhofft in die Champions League geführt hat. Aber Achtung: Lassen Sie sich nicht von Ihren Gefühlen blenden und machen Sie sich bewusst, dass auch in der Liebe nicht immer alles rosarot sein kann. Auch ein Saisonabschluss auf Tabellenplatz sechs ist ein Erfolg.
Abnabelungsprozess. Verabschieden Sie sich im Frühjahr endgültig von ihren Europacup-Träumen, von denen Sie ehrlicherweise ja schon vor der Saison wussten, dass sie unrealistisch sind. Denn es wird in dieser Saison leider ihr Herzensklub sein, der im Frühjahr durch eine kaum zu glaubende Pannenserie völlig unerwartet unten reinrutscht, hektisch den eigentlich fähigen Trainer durch irgendeinen Blinden ersetzt und sich dann Woche für Woche unterbietet, bis ein extrem unnötiger Abstieg durch ein 0:1 in einer beliebigen Provinzstadt auch rechnerisch feststeht. Beenden Sie den Abnabelungsprozess kopfschüttelnd und mit Blick ins Leere an einer Theke.
Innere Ruhe. Klar, das Fallrückziehertor des 18-jährigen Sturmtalents aus der eigenen Jugend in der 97. Minute des letzten Spieltags, mit dem sich Ihr biederer Traditionsklub sensationell das erste Mal seit 37 Jahren für den Europacup qualifiziert, war wunderschön. Aber glücklicherweise gibt es ja den VAR, der zweifelsfrei belegen kann, dass der linke Schnürsenkel ganz klar im Abseits war. Finden Sie Ihre innere Mitte, einen Zustand buddhistischer Ruhe, während Sie all den Ärger, Hass und die generelle Ungerechtigkeit dieser kalten, toten Welt einfach runterschlucken und in ein Magengeschwür verwandeln.
Rastlosigkeit. Sie wissen, wie eigentlich alle, dass der aktuelle Trainer mit seiner zaudernden Art ganz und gar nicht zu Ihrem Klub passt. Wegen der Supertruppe, mit der Ihr Verein eigentlich um die Meisterschaft spielen müsste, sind die Ergebnisse aber über Wochen nie so schlecht, dass man ihn endlich feuern könnte, was am Ende zu einem enttäuschenden fünften Platz führt. Halten Sie diese innere Anspannung aus und vertrauen Sie darauf, dass irgendwann alles besser wird. Vielleicht, wenn 2052 Jürgen Klopp zurückkommt.
Wohlstand und Reichtum. Auch im Jahr 2024 werden Sie weiterhin keinerlei finanzielle Sorgen haben. Mehr noch: Mit der Wirtschaftskraft eines ebenso klebrigen wie streitbaren Konzerns im Rücken segelt Ihr Nicht-Verein ein weiteres Jahr aseptisch durch die Liga. Am Ende entwerten Sie den deutschen Vereinsfußball vielleicht sogar durch einen Titelgewinn. You feel good! Toll.
Kontinuität. Auch im kommenden Jahr wird Ihr gestrauchelter Traditionsverein wieder einmal ums finanzielle Überleben kämpfen. Doch verlieren Sie nicht die Hoffnung! Heißen Sie den luxemburgischen Investor willkommen und googeln Sie lieber nicht sein leicht unappetitliches Firmengeflecht, wegen dem er im Herbst von Interpol verhaftet wird.