Nach drei Jahren verlässt Yevhen Konoplyanka den FC Schalke 04 und wechselt zu Shakhtar Donetsk. Das Ende dieses Missverständnisses könnte für den Ukrainer ein Neuanfang sein.
Sind Fans des FC Schalke 04 eigentlich besonders anfällig dafür, vorschnell in Euphorie zu verfallen und auch nur den kleinsten Hoffnungsschimmer zum Anlass zu nehmen, mal wieder vom ganz großen Wurf zu träumen? Vielleicht.
Aber damals, im Sommer 2016, da gab es gleich eine ganze Reihe von Anlässen: Markus Weinzierl, der neue Trainer, der zuvor den FC Augsburg bis in die Europa League geführt hatte. Abdul Rahman Baba, der eben jenen Augsburgern ein Jahr zuvor die höchste Ablösesumme der Vereinsgeschichte in die Kassen gespült hatte. Breel Embolo, Schweizer Jahrhunderttalent und neuer Rekordeinkauf. Coke, erfahrener Kapitän des Europa-League-Siegers FC Sevilla.
Der ukrainische Arjen Robben
Und dann war da noch Yevhen Konoplyanka, ebenfalls frisch gebackener Europa-League-Gewinner. Dieser Wirbelwind. Dieser Flügelflitzer, der angetrieben von seinem Nackenspoiler die linke Außenbahn rauf und runter flitzte, um dann vor dem Sechzehner trickreich nach innen zu ziehen und den Ball von dort mit rechts in den Giebel zu schlenzen. Ein ukrainischer Arjen Robben! So versprachen es jedenfalls die YouTube-Videos, die Konoplyankas „Skills & Goals“ priesen.
Sind Fans des FC Schalke 04 eigentlich besonders anfällig dafür, sämtliche Hoffnungen und Träume sofort wieder zu begraben und den Notstand auszurufen, sobald es einmal nicht ganz so läuft? Vielleicht.
Keine Tempodribblings, keine Giebelschlenzer
Aber damals, im Januar 2017, da gab hierfür gleich eine ganze Reihe von Anlässen. Markus Weinzierl war mit fünf Niederlagen in die Saison gestartet. Abdul Rahman Baba hatte sich beim Afrika Cup eine komplizierte Knieverletzung zugezogen. Breel Embolo war von Augsburgs Konstantinos Stafylidis brutal ins Krankenhaus getreten worden. Coke hatte sich sogar in seinem allerersten Testspiel das Kreuzband gerissen.
Und Yevhen Konoplyanka? Das einzige, was er aus den YouTube-Videos mit nach Gelsenkirchen gebracht hatte, war offenbar sein Nackenspoiler. Doch trieb der nicht mehr an. Keine berauschenden Tempodribblings. Keine Giebelschlenzer. Kein ukrainischer Arjen Robben.
Zur Rückrunde sah dann auch Markus Weinzierl ein, dass Konoplyanka mehr Hemmschuh als Zauberfuß für das Schalker Spiel war. Auch mangelndes Defensivverhalten warf er ihm vor. Immer öfter schaffte es der Ukrainer nicht einmal in den Kader. Doch einige Schalke-Fans wollten ihren Glauben an den ukrainischen Wirbelwind noch nicht begraben. Als es Konoplyanka beim 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach im Europa-League-Achtelfinale mal wieder nicht ins Aufgebot geschafft hatte, präsentierten in der Südkurve ein paar verwegene Fans ein Spruchband mit der Aufschrift „#konomustplay“.
Weinzierl nannte er einen „Feigling“
Doch Weinzierl ließ sich davon nicht beeindrucken: Kono spielte nicht mehr. Was dazu führte, dass der Ukrainer Schalkes Trainer nach Saisonende gegenüber ukrainischen Medien öffentlich als „Feigling“ bezeichnete. Und noch hinzufügte: „Ich sage es ganz ehrlich: Er bleibt nicht länger Trainer dieser Mannschaft. Ansonsten steigt Schalke in die zweite Liga ab.“
Für diesen öffentlichen Angriff kassierte Konoplyanka eine Geldstrafe. Doch zumindest was die Anstellung seines Trainers angeht, sollte Konoplyanka recht behalten. Markus Weinzierl ging, Domenico Tedesco kam, Kono blieb.
Aber auch unter dem neuen Trainer pendelte der Ukrainer zwischen Startelf und Ersatzbank. Und doch gab es Momente, in denen er zeigte, warum er die Schalker einst hatte träumen lassen: Als er beim legendären 4:4 im Derby in Dortmund zwei Tore vorbereite, darunter das entscheidende Tor von Naldo; als er im Rückspiel den Ball vor der Nordkurve zur 1:0‑Führung mit links in die Maschen drosch; oder als er eine Woche später in Köln Frederic Sörensen in der ersten Halbzeit so viele Knoten in die Beine spielte, dass dieser nach nur 32 Minuten mit Schwindelgefühlen ausgewechselt wurde.
„Kono hätte zum Helden werden können“
Ein Tor und eine Vorlage steuerte Konoplyanka an diesem Tag zum 2:2‑Endstand bei. Es war seine mit Abstand beste Leistung im Schalker Trikot. Und doch blieb ein Makel: Denn bereits gegen Ende der ersten Halbzeit hätte er ein weiteres Tor erzielen können, als er allein auf Timo Horn zulief. Doch anstatt cool einzuschieben, versuchte er sich an einem Lupfer – und scheiterte kläglich am Kölner Torwart. „Kono hätte in Köln zum Helden werden können“, sagte Christian Heidel im Nachgang.
Nicht nur in Köln, möchte man ergänzen. Doch Momente wie an diesem Tag gab es zu wenige. Zu selten nahm er das Tempo, das er zweifelsohne besitzt, mit in seine Aktionen. Zu oft stand er stattdessen sekundenlang abwartend vor Verteidigern, um dann wie so oft in die Mitte zu ziehen. Doch viel zu häufig landeten die dann folgenden Schlenzer völlig harmlos in den Armen des gegnerischen Torwarts – oder gleich im Toraus. Von Konoplyanka hängen bleiben wird auch, dass er oft hängen blieb.
Denn nun, nach drei insgesamt enttäuschenden Jahren ist die Beziehung zwischen Kono und Schalke beendet. Der nächste Trainer, David Wagner hatte bereits frühzeitig signalisiert, dass er für den nicht gerade einsatzfreudigen Flügelspieler in seinem arbeitsintensiven Pressing-Fußball keine Verwendung finden werde.
Dabei hatte es zunächst so ausgesehen, als würden die Schalker den Angreifer nicht loswerden. Wechsel in die Türkei zu Fenerbahce und Besiktas scheiterten. Doch am letzten Tag des Transferfensters tat sich dann doch noch eine Lösung auf, die alle Beteiligten zufrieden stellen dürfte: Yevhen Konoplanka kehrt zurück in seine ukrainische Heimat und schließt sich Shakhtar Donetsk an.
In der Nationalelf ist er Leistungsträger
In der Ukraine hatte er einst seine beste Zeit. Mit Dnipro Dnipropetrowsk rauschte er 2015 bis ins Europa-League-Finale und machte dort den Gegner FC Sevilla auf sich aufmerksam. Und auch in der Nationalmannschaft gehört Konoplyanka seit Jahren zu den Leistungsträgern. In jedem vierten Spiel trifft er.
Vielleicht schafft er es ja, in seiner Heimat an seine dortigen Leistungen anzuknüpfen. Vielleicht befreit ihn seiner neuer Trainer von lästigen Defensivaufgaben. Und vielleicht lag auch einfach alles nur an Schalke. Schließlich ist Yevhen Konoplynanka nicht der erste Spieler, der bei den Fans große Hoffnungen weckt, nur um diese dann später bitter zu enttäuschen.