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Im Moment des Tri­um­phes wussten die Kame­ra­männer und Foto­grafen, auf wel­ches Motiv sie ihre Objek­tive zu schwenken hatten: Oliver Kahn, 38, tat den Jour­na­listen den Gefallen und reckte erleich­tert und mit einer deut­lich sicht­baren Spur Wehmut die mäch­tigen Arme in den Ber­liner Nacht­himmel. Wenige Augen­blicke später rasten erst ein, zwei, dann alle Bayern-Kol­legen zu ihrem Kapitän, um ihn ein­dring­lich zu herzen und zu bus­seln, wie das so in Mün­chen nun mal üblich ist.

Die Mün­chener erwiesen sich in den Fol­ge­mi­nuten als wahre Medi­en­profis, denn so sym­bo­lisch über­la­gernd, so kit­schig sie sich, den Pokal und ihren Olli fei­erten, hätte es kein Soap-Regis­seur insze­nieren können. Kahn dachte dabei wohl auch ans eigene Geschichts­buch und grölte – als er den Pokal end­lich über­reicht bekommen hatte – fröh­lich in die Kameras: Da ist ER!“. Nach so gerne zitierten Kahn­schen Weis­heiten wie Da ist das DING!“ und Weiter, weiter, immer weiter!“ ein erneuter Klas­siker im modernen Fuß­ball­vo­ka­bular.

Wie Aale-Peter auf dem Ham­burger Wochen­markt

Fuß­ball gespielt wurde im Olym­pia­sta­dion übri­gens auch und das sogar zeit­weise sehr mit­rei­ßend. Nach elf Minuten schien sich aller­dings alles an dem lang­wei­ligen und vor­aus­ge­sagten Dreh­buch für dieses Finale zu ori­en­tieren: Die hoch favo­ri­sierten Bayern – vor wenigen Tagen noch mons­tröser Sieger gegen eine zit­ternde Dort­munder Riege – trafen mit ihrer zweiten Chance. Natür­lich durch Luca Toni, diese baum­lange Tor­ma­schine. BVB-Tor­wart Marc Ziegler hatte dabei keine Abwehr­mög­lich­keit. Dieser Lehr­buch­an­griff – schnur­ge­rader Dia­go­nal­pass von van Bommel über das gesamte Feld, schneller Antritt mit abschlie­ßendem Flach­pass in die Mitte von Ribéry und tro­ckener Abschluss von Toni – hatte Zieg­lers Defen­siv­reihe so fach­män­nisch seziert wie Aale-Peter seine Was­ser­tiere auf dem Ham­burger Wochen­markt.

Aller­dings: Die Dort­munder wehrten sich und beackerten vor allem in der zweiten Hälfte so intensiv den Ber­liner Rasen, dass sich die ansonsten so coole Mün­chener Mann­schaft plötz­lich in eine zit­ternde Truppe ver­wan­delte, die mit weiten Bällen und hef­tigen Kör­per­at­ta­cken im Mit­tel­feld (para­de­mäßig vor­ge­tragen von Demi­chelis und van Bommel) ver­suchte, dem dro­henden Aus­gleich zu ent­gehen. Dass dieser in der 92. Minute doch noch fiel, ver­deut­lichte wieder einmal die voll­kommen eigene Gesetz­mä­ßig­keit des Pokals. Irgendwie gelangte der Ball, von Mladen Petric aus dem Gewühl heraus getreten, über die Sta­tionen van Bommel und Lahm ins Tor von Kahn, der des­halb später, nach der Sie­ger­eh­rung den ein­zigen nen­nens­werten Satz in die Mikro­phone sprach: Diese omi­nöse 90. Minute ver­folgt mich schon seit 20 Jahren.“ Nach Bar­ce­lona und Getafe nun also auch Berlin/​Dortmund.

Doch aus­ge­rechnet dieses späte Aus­gleichstor ermög­lichte es Kahn, in der Nach­spiel­zeit seinen ent­schei­denden Bei­trag zu seinem per­sön­lich sechsten Final­sieg im DFB-Pokal zu leisten. Flo­rian Kringe, der beste Spieler dieses End­spiels, hatte in der 100. Minute abge­zogen und den Ball mit einem per­fekten Schuss in die lange Ecke geschickt. Da bog sich der geschun­dene Körper des stets grim­migen Kahn, dass man fürchten musste, er habe sich drei Wirbel aus­ge­renkt. Statt­dessen erwischte er den schwie­rigen Auf­setzer und chippte den Ball mit seiner typi­schen Bewe­gung noch um den Pfosten. Luca Toni bedankte sich auf seine Art beim Kapitän und drehte den Ball nach einem Schuss von Podolski wohl mit mehr Glück als Absicht an Ziegler vorbei ins Tor. Die Kameras schwenkten um auf Kahn, die Gefühls­explo­sion des eins­tigen Titans“ erah­nend. Doch der biss mit mar­mo­rierten Gesichts­zügen auf seinem armen Kau­gummi herum, als hätte ihm sein Bör­sen­be­rater soeben den Minus­re­kord seiner Aktien ver­raten.

Es dau­erte noch eine knappe Vier­tel­stunde, ehe Kahn seine Lippen zu einem Lächeln schürzte und die anschlie­ßende Jubel/­Ab­schieds­/Ehren-Orgie ihren Anfang nehmen konnte.

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Unser Autor Alex Raack betreibt 3eckeneinelfer , den Olli Kahn unter den Fuß­ball-Blogs.