Er spielte Kreisliga in einem Vorort von München und ackerte bei Siemens – nun ist er Zweitligaprofi und wäre mit Regensburg fast ins Pokalhalbfinale gestürmt. Wie sind Sie so weit gekommen, Albion Vrenezi?
Albion Vrenenzi, Sie sind mittlerweile ein gestandener Zweitligaprofi, ein Nachwuchsleistungszentrum haben Sie in ihrer Jugend allerdings nie von Innen gesehen. Warum?
Bei mir war es so: Ich war zwar immer gut am Ball und habe für meinen Verein Planegg-Krailling viele Tore geschossen, aber ich war in meiner Jugend auch extrem klein und schmächtig. Ich bin immer noch nicht der Größte, aber damals war es im Vergleich zu Gleichaltrigen wirklich sehr krass. Insofern haben mir die namhaften Vereine in München, also Bayern und 1860, zu der Zeit wahrscheinlich körperlich den nächsten Schritt nicht zugetraut. Ich denke, sie haben in mir keinen Profifußballer gesehen.
Haben Sie selbst das denn?
Ja, von Anfang an. Ich bin ein enorm zielstrebiger und ehrgeiziger Mensch und ich habe auch immer gewusst, was ich kann und was in mir steckt. Das klingt vielleicht komisch, wenn man auf meine Jugendvereine schaut, aber ich habe immer gewusst, dass ich nicht viel schlechter bin als die Jungs von Sechzig oder den Bayern.
Woran haben Sie das festgemacht?
Ganz einfach: Ich bin mit den ganzen Jungs zur Schule gegangen. Als Jugendlicher bin ich auf eine Eliteschule des Fußballs gewechselt, die Walter-Klingenbeck-Schule in Taufkirchen, also auf die Kooperationsschule von 1860 und dem FC Bayern. Vormittags normaler Unterricht, zwischendurch immer mal wieder eine Stunde Fußballtraining. In meiner Klasse waren zahlreiche Bayern- und Sechzigspieler. Und die waren nicht unbedingt besser als ich. Wenn nicht sogar schlechter. Von den Jungs spielt heute, so weit ich weiß, jedenfalls keiner höher als ich.
Ist von den alten Mitschülern denn überhaupt jemand Profi geworden?
Julian Green, der war allerdings eine oder sogar zwei Klassen unter mir. Dusan Jevtic war kurz Profi, der spielt aber nicht mehr, glaube ich. Ansonsten sind ein paar Jungs irgendwann in der dritten oder vierten Liga gelandet. Bundesligaspieler oder Jungs, die wie ich in der zweiten Liga spielen, fallen mir spontan nicht ein. Wobei ich zum Thema Nachwuchsleistungszentrum gerne noch etwas sagen würde.
„Ich bin mit den ganzen Jungs zur Schule gegangen“
Nur zu.
Planegg-Krailling, das klingt für Leute, die nicht aus München kommen, vielleicht eher nach Dorffußball. Aber wir spielten damals auf richtig ordentlichem Niveau, in der C‑Jugend zum Beispiel in der Bayernliga, das war die zweithöchste Spielklasse. Dass ich so lange in Planegg geblieben bin und auch mein erstes Männerjahr dort in der Bezirksliga verbracht habe, hatte außerdem auch mit einer Verletzung zu tun. In meinem ersten A‑Jugendjahr ist mir der Meniskus gerissen, ich musste operiert werden. Die OP verlief nicht gut, ein paar Monate später musste ich nochmal unters Messer. So habe ich fast ein ganzes Jahr verloren, in einem wichtigen Alter, und war erst im zweiten A‑Jugendjahr in der Rückrunde wieder halbwegs fit. Damals war es für mich wichtig, körperlich wieder voll belastbar zu werden, deswegen kam ein Wechsel nicht in Frage. Zumal der Trainer der 1. Mannschaft mir damals auch alle Freiheiten zugesichert hat. Er meinte: „Ich weiß, was du kannst, ich glaube an dich und ich glaube vor allem daran, dass du deinen Weg gehen wirst. Bleib ein Jahr bei mir in der Bezirksliga, wir gewöhnen deinen Körper an den Männerbereich – und wenn danach ein Angebot aus einer höheren Liga kommt, legt dir hier keiner Steine in den Weg.“ Und genau so ist es gekommen. Ich habe ein super Jahr gespielt, Tore gemacht, Tore vorbereitet, und dann kam ein Angebot von Unterföhring aus der Bayernliga. War eine unglaubliche Saison.
Sie haben damals sogar ein paar Spiele für die zweite Mannschaft gemacht, in der Kreisliga. Was für Bilder haben Sie aus dieser Zeit im Kopf? Matschige Plätze, kalte Duschen, nach Spielende Rauchen im auf links gedrehten Trikot?
Die Bedingungen waren ehrlich gesagt ziemlich gut, Planegg ist eine eher reichere Gemeinde, wir haben immer warm geduscht und zu der Zeit sogar ein neues Stadion bekommen, die Plätze waren ebenfalls immer top. Darüber hinaus war das Niveau auch besser, als Bezirksliga klingt. Da waren viele Spieler in der Liga, die bei großen Vereinen in München ausgebildet worden waren und die ihre Karriere haben ausklingen lassen. Die waren vielleicht nicht mehr so fit, aber das spielerische Können hatten sie trotzdem noch.
Was glauben Sie denn, bei welchem Spiel mehr Zuschauer im Stadion waren: SV Planegg-Krailling gegen den TSV Gilching/Argelsried, Saison 2012/2013, Bezirksliga Oberbayern Süd – oder beim DFB-Pokalviertelfinale 2021 zwischen Jahn Regensburg und Werder Bremen?
Ich weiß natürlich, worauf Sie hinauswollen, beim Pokalspiel vergangene Woche waren offiziell ja gar keine Zuschauer im Stadion. Aber mit all den Ordnern und Leuten, die für die Fernsehsender oder den DFB arbeiten, waren es am Ende bestimmt trotzdem 150, 200 Menschen. Insofern würde ich sagen: Bei Regensburg gegen Werder waren mehr Zuschauer da als beim Spiel zwischen Planegg und Gilching/Argelsried.
Laut Zahlen des bayrischen Fußballverbandes waren es damals genau 150 Zuschauer.
Na gut, dann waren es am Mittwoch ungefähr gleich viele. Aber wenn die Pandemie nicht wäre, bräuchten wir uns diese Frage überhaupt nicht stellen. Dann wäre das Spiel gegen Werder ausverkauft gewesen. Das wäre natürlich noch besser gewesen.
-
Gegen Bremen haben Sie knapp mit 0:1 verloren und das Halbfinale verpasst. Woran hat es gefehlt: an Glück oder an Qualität?
Wahrscheinlich an beidem ein bisschen. Unterm Strich können wir trotzdem stolz auf unsere Pokalsaison sein. Wir sind ins Viertelfinale eingezogen – und haben am Ende nicht gegen irgendeinen Gegner verloren, sondern gegen Werder Bremen. Und auch nicht deutlich, sondern 0:1, in einer Partie, die vom Spielverlauf auch 1:1 hätte enden können.
Hat man in der Stadt in den Tagen und Wochen zuvor gemerkt, dass das sportlich größte Spiel der Vereinsgeschichte ansteht?
Auf jeden Fall. Das war spürbar. Viele Leute haben mich angeschrieben, mir Bilder geschickt, mich auf Bildern markiert. In der Stadt und in der Region hingen Fanschals und Fahnen aus den Fenstern, fremde Leute haben mich auf der Straße gegrüßt und mir viel Glück gewünscht.
Wann haben Sie erfahren, dass Sie nicht von Anfang an spielen würden?
Morgens, am Tag vom Spiel, habe ich beim Anschwitzen und während der Videoanalyse gemerkt, dass ich wahrscheinlich eher auf der Bank sitzen würde. Endgültig klar war es dann erst, als direkt vorm Spiel die Aufstellung besprochen wurde.
Albion Vrenezi als Flügelflitzer bei Unterföhring in der fünften Liga.
Waren Sie sauer? In der Liga zählen Sie immerhin zu den Topscorern Ihrer Mannschaft und im Pokal hatten Sie mit einem Tor und zwei Elfmeter-Treffern gegen Kaiserslautern und Köln maßgeblichen Anteil am Weiterkommen…
Nein, sauer ist das falsche Wort. Ich will immer von Anfang an spielen, logisch. Aber wenn ich auf der Bank sitze, akzeptiere ich die Entscheidung des Trainers und bin heiß darauf, reinzukommen. Ich bin froh, dass ich am Ende immerhin noch 20 Minuten bekommen habe.
Haben Sie das ganze Spiel über zu Trainer Mersad Selimbegovic geguckt und gedacht: „Jetzt schick mich endlich zum Warmmachen!“?
Das mache ich bei jedem Spiel, wenn ich nur auf der Bank sitze. (Lacht.) Aber klar, am Mittwoch gegen Werder habe ich schon häufiger mal auf die Uhr geschaut und überlegt, wie viel Zeit mir noch bleibt. Als der Trainer mich dann gerufen hat, habe ich so schnell wie möglich alles ausgezogen. Unglücklicherweise war es sehr kalt und ich hatte zu viele Schichten an. Da wurde es kurz ein bisschen hektisch.
Wer tut mehr weh: Ein austrainierter Bundesliga-Verteidiger wie Marco Friedl oder ein unkoordinierter Kreisliga-Verteidiger in Oberbayern? Beziehungsweise: Bei wem macht man sich als Dribbler größere Sorgen um die eigenen Schienbeine?
Eher bei dem Kreisligaspieler. An dem kommst du zwar leichter und öfter vorbei, aber wenn er dich trifft, dann liegst du auch eine Weile. Mein Bezirksligajahr und auch die Einsätze in der zweiten Mannschaft habe ich noch in schmerzhafter Erinnerung. Da wurde ich wirklich häufig erwischt. Jetzt sind es eher mal taktische Fouls, aber nicht so übertriebene Grätschen. Damals dachten die Verteidiger: „Ich komm’ nicht hin? Ich hau’ den um!“
„Ich komm’ nicht hin? Ich hau’ den um!“
Müssen Sie sich nach Spielen wie dem gegen Bremen manchmal kneifen? Einfach, weil Sie es so weit gebracht haben?
Kneifen nicht unbedingt. Ich freue mich natürlich extrem und denke mir: Wahnsinn. Aber ich habe mir das alles auch hart erarbeitet.
Ihre Eltern sind aus dem Kosovo nach Deutschland geflüchtet, als Sie selbst noch ein Kleinkind waren. Haben Sie Erinnerungen an diese Zeit?
Ich weiß gar nicht, wie alt ich genau war, ob drei oder vier oder fünf Jahre. Mein Vater lebte und arbeitete zu der Zeit jedenfalls schon in Deutschland. Irgendwann zeichnete sich immer deutlicher ab, dass es in unserer Heimat Krieg geben würde. Also hat mein Vater alles daran gesetzt, uns zu sich und in Sicherheit zu holen. Das hat er zum Glück auch geschafft.
Haben Sie damals verstanden, was da passiert?
Meine Eltern haben natürlich versucht, das alles von mir und meinem Bruder fernzuhalten. Sie haben gesagt, dass wir wegziehen, weil das Leben hier für uns nicht gut werden würde. Aber Kinder sind clever, ich selbst war auch sehr neugierig, wollte alles genau wissen, habe Fragen gestellt. Und anhand der Antworten verstanden, dass die Lage ernst war. Was Krieg bedeutet, habe ich vielleicht nicht im vollen Umfang verstanden. Aber wir Kinder haben ja die konkreten Auswirkungen mitbekommen. Ich zum Beispiel durfte irgendwann nicht mehr raus vor die Tür, um zu spielen.
Wird man durch so eine Erfahrung automatisch schneller erwachsen?
Ja, das hat mich für mein späteres Leben geprägt. Ich schätze die Sicherheit in Deutschland ganz anders als Menschen, die glücklicherweise nie von einem Krieg und den Folgen betroffen waren – glaube ich zumindest. Und wenn ich heutzutage in den Nachrichten sehe, dass irgendwo in der Welt Menschen vor Krieg und Elend flüchten, dann habe ich dazu ebenfalls einen anderen Bezug. Ich kann das, was mit den Familien und Kindern passiert, zumindest ein bisschen nachempfinden und mitfühlen.
-
Wie haben Sie als kleiner Junge zum Fußball gefunden?
Ich würde sagen durch meinen Vater, der hat früher selbst gespielt. Die Leute im Kosovo behaupten immer, er sei sogar ein richtig Guter gewesen. Aber ich habe keine Ahnung, ob das stimmt. Er sagt jedenfalls, es sei völlig klar, warum ich mittlerweile Profi bin: nämlich wegen ihm! (Lacht.) Wobei ich glaube, dass ich vieles, was mich heute auszeichnet, vor allem auf der Straße gelernt habe.
Also auf den Bolzplätzen von München.
Genau. Bei mir in der Gegend gab es einen, auf dem ich in meiner Freizeit öfters Kicken gegangen bin. Damals traf sich dort auch immer ein Straßenfußball-Team. Die haben mich eines Tages gesehen und gesagt: „Spiel bei uns mit!“ So wurde ich Mitglied der Harras Bulls. So fing im Prinzip alles an.
Moment: Harras Bulls?
Da muss ich kurz ausholen. In München gibt es ein Projekt für sozial benachteiligte Kinder, das nennt sich „buntkicktgut“, mittlerweile gibt es das auch in Berlin und in anderen Städten. Es richtet sich an Geflüchtete und an Kinder, die es nicht so leicht haben, die es sich vielleicht gar nicht leisten könnten, in einem echten Verein zu spielen. Du kannst ein Team gründen, in ein bestehendes Team eintreten, es gibt Trainer und Spiele und Turniere, wie im normalen Fußballbetrieb auch. Nur eben Kleinfeld, 20 Minuten, Fünf gegen Fünf – eine Straßenfußball-Liga. Und wir waren die Harras Bulls. Harras wegen der Gegend, in der unser Bolzplatz war, Bulls wegen der Chicago Bulls. Wobei wir in Bezug auf den Fußball eher wie Bayern München unterwegs waren…
Weil Sie alle platt gemacht haben?
In München schon, ja. Aber wir sind auch zu Turnieren in andere deutsche Städte gefahren oder sogar nach Österreich und in die Schweiz. Das war echt toll, weil wir Kinder so auch mal aus München rauskamen. Unsere Mannschaft war einfach richtig gut. Robert Glatzel, der jetzt bei Mainz 05 spielt, war dabei. Dusan Jevtic, den ich vorhin schon erwähnt und der später ein paar Einsätze bei Duisburg in der 2. Bundesliga hatte. Liridon Krasniqi, der mittlerweile in der A‑League bei den Newcastle Jets gelandet ist. Wir waren ein bunter Haufen, sehr talentiert. Nur mit der Disziplin war es manchmal so eine Sache.
Was heißt das?
Ach, es war alles harmlos, Rudi, der Gründer von buntkicktgut (Rüdiger Heid, d. Red), hatte alles im Griff, den konnte man nicht veräppeln. Der hat eher uns hochgenommen.
Wie das?
Wenn wir ein Turnier gewonnen hatten und wieder auf dem Heimweg waren, ist er gefahren und hat gesagt: „Kommt Jungs, zur Belohnung fahren wir bei McDonald’s vorbei.“ Für uns war McDonald’s damals ein Highlight, außerdem waren wir nach langen Tagen mit vielen Spielen auch total hungrig. Dementsprechend haben wir uns über die Ansage gefreut. Wenn an der Autobahn dann das Hinweisschild mit dem gelben M kam, haben alle im Bus gejubelt. „Abfahren, Rudi, abfahren!“, haben wir gebrüllt. Aber Rudi dachte gar nicht daran, der bretterte einfach an der Ausfahrt vorbei. Wir haben gemeckert und protestiert, doch er meinte nur: „Ich hab’ doch gesagt: Wir fahren bei McDonald’s vorbei! Genau das haben wir grade gemacht.“ Manchmal fuhr er extra noch zwei Ausfahrten weiter, um uns hochzunehmen. Bis wir dachten: „Dieses Mal zieht er es wirklich durch!“ Am Ende hat er natürlich trotzdem immer gewendet und uns alle eingeladen.
Klingt nach einem Spaßvogel.
Er konnte auch ernst sein. Rudi wusste, wie er mit uns umgehen musste. Ich habe ihm extrem viel zu verdanken, der war immer für mich da. Ein ganz bodenständiger, herzlicher Mensch. Der würde seinen letzten Euro für andere ausgeben, der unterstützt, wo er kann. Einmalig. Der arbeitet nicht acht Stunden am Tag, sondern 16. Neulich war ich bei ihm im Büro. Eigentlich wollte ich nur kurz Hallo sagen – am Ende sind daraus fünf Stunden geworden. Der ist einfach ein besonderer Typ.
„Wir dachten: Dieses Mal zieht er es wirklich durch!“
Was hat der Straßenfußball Ihnen für die Profikarriere mitgegeben?
Kleinfeld bedeutet wenig Platz und viel Druck, das schult die Technik, die Ballführung, die Orientierung, die Kreativität, die Handlungsschnelligkeit. Dinge, die Spieler in der klassischen Fußballer-Ausbildung nicht zwangsläufig lernen. Und ich habe im Straßenfußball richtig Selbstvertrauen getankt. Denn da habe ich meine ersten richtigen Erfolge gefeiert. Ich wurde zum Beispiel mal zu den besten 22 Straßenfußballern Deutschlands gewählt.
Erzählen Sie.
Ein großer Sponsor hat ein deutschlandweites Turnier veranstaltet. Zunächst Qualifikations-Turniere in einzelnen Städten, die besten Spieler aus München sind dann zu einem überregionalen Turnier nach Augsburg eingeladen worden. Wer da zu den besten gewählt wurde, kam wieder eine Runde weiter. Das finale Turnier fand in Köln statt, Klaus Fischer und Rüdiger Abramczik waren da – und die besten 22 Spieler gewannen ein einwöchiges Trainingslager mit diesen zwei Legenden. Ich war 14 Jahre alt und mächtig stolz. Das war mein erster richtiger Erfolg im Fußball. Das hat mir viel Kraft gegeben und den Glauben an mich selbst. Und auch meinen Eltern hat es signalisiert: Der Junge könnte mit dem Fußball was erreichen, selbst wenn 1860 oder die Bayern ihn nicht auf dem Schirm haben! Ich glaube, ohne dieses Erlebnis wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.
-
Genau darüber müssen wir noch kurz sprechen: Wie sind Sie letztendlich da gelandet, wo sie jetzt sind? Sie hatten vorhin Unterföhring erwähnt, wohin Sie nach ihrem Bezirksligajahr gewechselt sind. Aber selbst das war ja nur die 5. Liga.
Die Frage kann ich leicht beantwortet. Beziehungsweise mit einem Namen: Manuel Baum.
Das müssen Sie erklären.
Er war damals, also 2014, Leiter des Nachwuchsbereichs vom FC Augsburg. Und kam eigentlich wegen eines anderen Spielers nach Unterföhring. In dem Spiel habe ich sehr gut gespielt, also hat er mich angesprochen. Ein paar Wochen später haben wir uns in Unterföhring in einem Café getroffen, ich war richtig nervös, weil ich genau wusste: „Wenn das jetzt gut läuft, könnte meine Karriere Fahrt aufnehmen.“ Er war direkt sehr herzlich, hat mit offenen Karten gespielt, mir gesagt, dass er in mir etwas sehen würde. „Mit dir kann ich was machen – aber dafür brauche ich dich in Augsburg.“ Es ging zwar erstmal nur um die U23, aber damals ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen. Es gab nur ein Problem: meine Ausbildung.
Was war das Problem?
Zu der Zeit habe ich bei Siemens eine Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker gemacht. Technisches Zeichnen, Baupläne erstellen, Maschinen programmieren, schweißen, basteln, eine abwechslungs- und umfangreiche Ausbildung. Die ich unbedingt abschließen wollte. Manuel Baum und ich haben uns im November 2014 getroffen, ich sollte im Sommer 2015 wechseln – und im Februar und März 2015 waren meine Abschlussprüfungen. Eigentlich hat es zeitlich also perfekt gepasst. Allerdings war dadurch auch ordentlich Druck da. Denn es war klar: Ich musste jede einzelne Prüfung beim ersten Versuch packen, sonst würde ich die Ausbildung nicht bis Sommer beenden können – und dann hätte auch die Augsburg-Nummer platzen können. Dort wird ja auch in der U23 vormittags trainiert. Dementsprechend habe ich gebüffelt. Hat zum Glück alles geklappt. In Augsburg habe ich dann unter Trainer Christian Wörns in der Regionalliga eine richtig gute Saison gespielt, der hat auf mich gesetzt. Danach ging es hoch in die zweite Liga zu Regensburg.
Erinnern Sie sich, was Sie in Ihrem ersten Ausbildungsjahr verdient haben?
750 Euro, glaube ich.
„Es gab nur ein Problem: meine Ausbildung“
Haben Sie durch diese Erfahrung einen anderen Bezug zu Geld als manche ihrer Kollegen im Profifußball?
Ich denke schon, dass ich einen anderen Bezug zu Geld habe als ein Profi, der direkt als 17-Jähriger die ersten Millionen verdient. Ich bin drei Jahre morgens um sechs Uhr aufgestanden, um pünktlich bei der Arbeit zu erscheinen, egal bei welchem Wetter, egal, wie gerne ich liegen geblieben wäre. Meine Arbeit war ja auch körperlich anstrengend. Ich weiß also, wie hart es für viele da draußen ist, Geld zu verdienen. Und überlege dementsprechend: Ergibt das und das jetzt wirklich Sinn? Geld auszugeben ist einfach, es zu verdienen schwer. Ich weiß es zu schätzen, was ich jetzt habe.
Ihr jüngerer Bruder spielt in der Landesliga, ist aber erst 20 Jahre alt. Wird der auch noch Profi?
Ich hoffe doch. Das Zeug dazu hat er auf jeden Fall. Er kann aktuell nicht spielen, weil in dem Bereich wegen Corona alles abgesagt wurde. Aber er hält sich fit und wird angreifen. Ich sage ihm immer: „Dein großer Bruder ist den steinigen Weg gegangen, wieso sollst du das nicht genauso machen?“ Der schaut sich jedes Spiel von mir an, nach der Partie gegen Werder hat er mich zum Beispiel direkt angerufen. Meine Geschichte motiviert ihn und gibt ihm Auftrieb.
Albion Vrenezi, eine letzte Frage müssen wie Ihnen stellen: Haben Sie einen Lieblingsverein in England?
Sie meinen: Ob ich Brighton & Hove Albion oder West Bromwich Albion die Daumen drücke?
Ganz genau!
Nein, die heißen zwar wie ich, aber es sind nicht meine Lieblingsvereine. Liverpool und Manchester City schaue ich mir gerne an. Ich habe das mit West Brom und Brighton auch erst als Erwachsener mitbekommen. Albion ist, das habe ich mal gegoogelt, das alte britische Wort für „England“. Aber im Endeffekt fand meine Mutter den Namen einfach schön, als eine meiner Tanten ihn vorgeschlagen hat. (Lacht.)
-