Horst Hrubesch schoss Deutschland zum EM-Titel 1980. Der beste Spieler des Turniers war aber Wilfried van Moer, ein belgischer Gastwirt, der seine Karriere eigentlich schon beendet hatte.
Wilfried van Moer ist skeptisch. Hat er überhaupt noch die Kraft für ein EM-Spiel? „Bei weiteren schlechten Spielen hätten die Leute gesagt, es liege an mir, weil ich alt bin“, sagt er heute. „Ich war wirklich nicht sicher, ob es clever war, zurückzukehren.“ Aber schon im ersten Spiel zahlen sich der Einsatz des Spielers und der Mut des Trainers aus. Belgien gewinnt 2:0 gegen Portugal, Van Moer schießt ein Tor. Auch die nächsten Spiele gewinnt Belgien, und weil Österreich nur Unentschieden gegen Portugal spielt, fahren die Belgier zur EM. Es ist bis heute das einzige Turnier, bei dem Belgien das Finale erreicht.
„Die anderen Mannschaften hatten die Stars, Schuster, Keegan, Altobelli, aber wir hatten ein Team“, sagt Torhüter Jean-Marie Pfaff, der damals noch halbtags in einer Bank jobbt. Das 1:1 im Auftaktspiel gegen England sei besonders wichtig gewesen. „Alle dachten, wir verlieren 0:5 oder 0:6. Aber dann schossen wir ein Tor, wir merkten: Hier ist was drin.“ Im entscheidenden Gruppenspiel ist Italien, Weltmeister in spe, trotzdem haushoher Favorit. Auch deshalb zeigt sich Trainer Enzo Bearzot nach dem 0:0 als schlechter Verlierer: „Diese Belgier haben keinen Fußball gespielt, sie haben es nicht verdient, um den EM-Titel mitzuspielen.“ Wilfried van Moer muss sich auf die Zunge beißen, Trainer Guy Thys kontert mühelos: „Wir haben die Italiener mit italienischen Mitteln besiegt: Zeit schinden, Spielrhythmus zerstören, mit Händen und Füßen kloppen und auch das Spucken nicht vergessen.“
„Wir haben die Italiener mit ihren Mitteln besiegt: Zeit schinden, kloppen und spucken!“
Das Finale gewinnen die Deutschen 2:1, weil Hort Hrubesch – „Bulldozer“ nennt ihn die belgische Presse – zweimal trifft. Belgien aber, so die einhellige Meinung, ist der Europameister der Herzen. Van Moer wird in die Mannschaft des Turniers gewählt, später holt er sogar den vierten Platz bei der Wahl zum Ballon d’Or. „Wir haben gezeigt, dass wir tollen Fußball spielen können“, sagt Trainer Thys. Und so geht es weiter. Bei der WM 1982 schlägt Belgien den amtierenden Weltmeister Argentinien, 1986 erreicht eine junge Mannschaft um Ceulemans, Scifo und Pfaff das Halbfinale. Van Moer ist da nicht mehr dabei. Trotzdem fällt sein Name auch in Mexiko oft, wenn es darum geht, Belgiens guten Fußball zu erklären. Denn Van Moers Rückkehr 1979 gilt als Geburt einer neuen Goldenen Generation.
Wäre im Sommer 1980 sogar mehr drin gewesen? Hrubesch machte das zweite Tor ja erst zwei Minuten vor Schluss. „Wir hatten gehofft, dass die Deutschen müde werden“, sagt Van Moer, „aber sie machten einfach weiter wie ein D‑Zug.“ Dafür seien sie selbst irgendwann müde geworden. Aber vermutlich lag es daran, dass er und seine Mitspieler nach dem Sieg gegen Italien bis 4.30 Uhr in der Nacht gefeiert hatten. „Mit einer großen Flasche amerikanischem Whisky.“