Es ist so schön. In der Bundesliga menschelt es gerade sehr. Tränen der Rührung sind hoch im Kurs. Manuel Neuer schluchzt im Angesicht der baldigen Trennung von seinen Schalker Kurvenkollegen wie ein angebundener Dackel vor der Metzgerei. Wer will es ihm verdenken? Der Mann ist Schalker, aber mit 25 muss er auch sehen, wo er bleibt. Vor allem als Keeper, denn da gibt‘s nicht so viele lukrative Arbeitsplätze wie für Feldspieler. Womöglich fiel Neuer bei seiner Ansprache der arme Timo Hildebrand ein. Der war ja auch mal Nationaltorhüter, bog dann aber einmal falsch nach Valencia ab – und zack! – jetzt hat er niemanden mehr, der ihm die Tränen trocknen mag.
Oder Holger Stanislawski, auch so ein großer Gerührter unter der Fußballsonne. Beendet die sichere Beamtenlaufbahn beim oberaffengeilen Kiezklub, um ausgerechnet bei der TSG 1899 Hoffenheim sein locker-flockiges Image rundum zu erneuern. Da pumpen schon mal die Tränendrüsen bei der Frage, wie das wohl wird, wenn sich vor der Haustür demnächst nicht mehr Himbeer-Toni und die geile Lola gute Nacht sagen, sondern tatsächlich Fuchs und Hase.
Nuri Sahin ist noch ein junger Mann. Klar, dass der sich an Älteren ein Beispiel nimmt. So drängt sich fast der Gedanke auf, es bestehe ein direkter kausaler Zusammenhang zwischen einem gut dotierten Vertrag und einer erhöhten Tränenproduktion. Pressekonferenz – und am Ende: Alles raus, was keine Miete zahlt. Und seit Michael Holm weiß jedes Kind: „Tränen lügen nicht“.
Wie verabschiedet sich Daum in Frankfurt
Ist doch schön, wenn sich die harten Kicker endlich zu ihren Empfindungen bekennen. Abschiede können schließlich auch ganz anders verlaufen. Das wissen wir spätestens seit Jörg Berger, der einst behauptete, der türkische Erstligisten Bursaspor habe ihn zum Rücktritt gedrängt, indem ein Klubboss im Gespräch eine Pistole zog, sie auf den Tisch warf und schrie: „Das ist die Sprache, die wir sprechen.“ Bei solchen Abgängen bleibt keine Zeit für rührige Nachtgedanken, da kann man nur schnellstens das Weite suchen, um dem Alptraum zu entkommen.
Stichwort: Alptraum. Den erlebt derzeit Christoph Daum bei Eintracht Frankfurt. Wenn natürlich ganz anders. Nun erwägt der große Motivator, im Falle des Abstiegs, die schöne Bankerstadt am Main baldigst wieder zu verlassen. Jetzt fragt man sich: Wird auch er im Falle des Rücktritts von Gefühlen übermannt? Bislang war Daum ja eher ein Mann für die besonderen Momente, wenn es um Abschiede ging (Stichwort: Leverkusen). Tränen sind von ihm wohl nicht zu erwarten.
Knarren können doch lügen
Vielleicht eher das mit der Knarre auf dem Tisch? Geladene Revolver haben mit Tränen zumindest gemein, dass niemand auf die Idee käme zu behaupten, dass sie lügen würden. Allerdings wäre Daum nicht Daum, wenn er nicht auch das besser wüsste. So sagte er vor ein paar Jahren über die Ausfürhungen des Kollegen Berger: „Solche Aussagen halte ich für Scherzartikel. In der Türkei verfügen nun mal viele Leute, die ein hohes Amt bekleiden, über eine Schusswaffe. Und so eine Waffe will man natürlich nicht andauernd in einem Halfter mit sich herumtragen. Es kann also sein, dass jemand seine Waffe in einem Gespräch mal ablegt.“ Knarren können also doch lügen. Jetzt frage ich mich: Sind das dann Krokodilsknarren?