Als Jürgen Klinsmanns Aufzeichnungen in Fragmenten veröffentlicht wurden, fragte sich die Öffentlichkeit: Ist da etwa noch mehr? Und tatsächlich: In Keutersdorf nahe Berlin fanden sich weitere Tagebuchbände.
Montag, 4.11.2019
Call from Germany. Ein Mr. Windhorst ist am Apparat. Sehr unangenehmer Typ, denkt nur ans Geld. Hat aber ein interessantes Angebot für Jürgen Klinsmann, offeriert ein spektakuläres Honorar! Klinsmann soll Aufsichtsrat bei einem Fußballklub werden. Name wohl Hertha Berlin? Spielt angeblich erste Bundesliga? Die Anwälte checken das.
Montag, 25.11.2019
Erstes Meeting mit der Geschäftsführung des Klubs. Klinsmann behandelt auch die einfachen Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle mit Respekt. Eine Frage des Anstands. Einem etwas linkischen Mitarbeiter mit Brille tätschelt er gönnerhaft die Wange, bevor er ihm den Mantel über den Arm wirft. Natürlich will er auch alle Namen lernen. „Sie heißen noch mal wie?“, fragt Klinsmann den Mitarbeiter neugierig. Der entgegnet: „Preetz“. Good to know.
Tuesday, 11/26/2019
Angenehmes Closing Dinner mit Lars Windhorst und dem Tennor-Team. Einfach wow, diese Vision, dieses Knowledge, diese Insights. Bin excited, dass wir das Projekt Big City Club gemeinsam aufgleisen. Im Vorstand hat seine Expertise allerdings zero visibility. Was Manager Preetz und Co nicht verstehen: At the end of the day würde eine stärkere Einbindung von Lars auch auf das Markenkonto einzahlen. Entsprechende Prozesse werden aber nicht aufgesetzt. Sure, das Topic ist tricky, müsste man natürlich entsprechend languagen. Aber dass gar nichts passiert, ist sad. Er wäre ein fantastischer Performance Manager, mehr Leverage hätte kein Verein in Deutschland. Schade, diese Low-Level-Acceptance. Die Leute sagen, wir haben das gleiche Smile. So true.
„Entgegen der Absprache kommunizieren beide weiter per ICQ und MySpace“
Samstag, 30.11.2019
Nach wie vor keine Hilfestellung von Präsident Gegenbauer, Preetz oder sonst wem im Klub bei der Wohnungssuche. Jürgen Klinsmann und sein Staff müssen noch immer en Suite im „Hotel de Rome“ wohnen, wie die wilden Tiere. Das Buffet ist eine Katastrophe, reines Eiweißomelette nur auf ausdrückliche Bestellung, Litschis im Obstsalat fehlen gleich ganz. Der Fernseher auf dem Zimmer hat lediglich 27 US-Sender, kann auf Nachfrage auch nicht nachgerüstet werden. Berlin verbleibt in der Steinzeit, unhaltbare Zustände. Klinsmann muss den Penthouse-Markt selbst sondieren, und das neben der Arbeitsbelastung von zwei Stunden Training täglich. Keine Entlastung, nichts. Sodbrennen.
Dienstag, 3.12.2019
Kommunikation ein einziges Desaster. Jürgen Klinsmann erzählt Preetz von Facebook Live. Der GF reagiert konfus. Klinsmann muss Preetz und Gegenbauer Accounts anlegen, entgegen der Absprache kommunizieren beide aber weiter per ICQ und MySpace. Innovationsmedium Facebook wird vernachlässigt, so kommt der Verein nie im Jahr 2014 an. Pressearbeit ebenfalls unterirdisch. Steckt Jürgen Klinsmann Infos an die „Bild“-Zeitung durch, wird er schief angesehen. Vertrauensbasis Fehlanzeige.
Freitag, 6.12.2019
Kader völlig falsch zusammengestellt. Dadurch, dass die beiden Ersatztorhüter ständig verletzt sind, ist Jürgen Klinsmann seiner wichtigsten mannschaftstaktischen Erfolgsformel beraubt, der unnötigen Ausbootung des Stammkeepers. Eminent projektschädigend, dass Michael Preetz sich trotz mehrmaliger Bitte nicht bereit erklärt, den vertragslosen und damit zur sofortigen Ein-und wieder Ausbootung verfügbaren Michael Rensing wenigstens zu kontaktieren.
Samstag, 14.12.2019
Nächste Baustelle: In der Presse ist zu lesen, Klinsmanns Trainerlizenz sei nicht mehr gültig. Was? Oder besser: What? Sofort auch unschöne Gerüchte, Klinsmanns Schlangenölverkäufer-Lizenz sei vor Jahren erloschen. So ein Schwachsinn. Und der Verein: schweigt. Keinerlei Rückendeckung. So geht man nicht mit einem Gold-Cup-Siegertrainer um.
Mittwoch, 18.12.2019
Überall nur Probleme. Kaderstruktur, Logistik, ungenügende W‑Lan-Bandbreite für ruckelfreie Facebook-Live-Videos, fehlende Buddha-Statuen am Trainingsgelände, kein einziger Landon Donovan im Kader, kaum Closing Dinner. Auch erste zwischenmenschliche Risse: In der Kantine bekommen Preetz und Gegenbauer drei Klopse serviert, Jürgen Klinsmann nur zwei. Erste Zweifel über Strukturen, Compliance, Zusammenhänge usw. Aber so nicht! Verkauf von Ondrej Duda als Reaktion auf ausbleibenden Klops. Arbeitsalltag leidet unter den Machtkämpfen.
Freitag, 20.12.2019
Unhaltbare Zustände in der medizinischen Abteilung. Keine Dynamik, schwache Strukturen, arbeitsscheues und rotzfreches Personal. Wurde Syndesmose genannt, ungeheuerlich, muss man sich mal vorstellen muss man sich das. Der Arzt Dr. Uli Schleicher (Name Programm!) hat nicht mal eine Facebook-Page, dafür ein MRT. Für Klinsmann aber trotz Schmerzen (Nietnagel) nicht verfügbar. Schleicher ist seit 22 Jahren im Amt. Auf Klinsmanns Frage, ob Schleicher den Spielern Blutegel anlege oder nebenher Pferde beschlage, schweigt Preetz eisern. Ganz typisch. Auch hier: Keinerlei Wille zur Innovation, Verweigerungshaltung allerorten. Klinsmanns Orgonit wurde nicht einmal angesehen, eine Akasha-Säule abgelehnt, für eine Kryo-Kapsel sei kein Geld da. Läppisch.
Samstag, 28.12.2019
Verkrustete Strukturen, innovationsfeindliche Transferstrategie. Statt von Jürgen Klinsmann mehrfach vorgeschlagene, hoffnungsvolle Talente wie Mesut Özil, Julian Draxler oder Landon Donovan zu verpflichten, tritt Preetz auf die Bremse, strahlt keinerlei Freude aus. Erstmals ein schlimmer Gedanke bei Jürgen Klinsmann: 80 Millionen in windige Transfers stecken und anschließend die Biege machen. Nerobefehl! Spontan kurzer Business-Call mit Stuttgart. Ist erst 3 Uhr nachts, Lunchtime in Florida! Klinsmann klingelt Mislintat aus dem Bett, gibt ein Angebot für Ascica …, für Astici … , na, für den Dings ab. Mislintat weint vor Glück, will den Spieler persönlich heute Nacht noch nach Berlin bringen. Reicht auch morgen.
Donnerstag, 2.1.2020
Absurde Selbstüberschätzung, der Verein hält an seinem Trainingslager in den USA fest. Mitten in der Vorbereitung, wo keine Zeit zu verlieren ist, jede Sekunde zählt, alle Abläufe minutiös durchgeplant sein müssen. Jürgen Klinsmann entscheidet sich deshalb nach dem Trainingsauftakt desillusioniert zu einem kurzen Retreat in die kalifornische Heimat. Drei, vier, fünf, sechs Tage mal den Kopf freibekommen und diese amateurhafte Fehlplanung eines Michael Preetz sacken lassen.
Freitag, 3.1.2020
Das Trainingslager ist zudem eine Katastrophe. Die Mannschaft ist nicht fit. Klinsmann schickt einen der Älteren ans Kopfballpendel, der bricht nach wenigen Versuchen völlig erschöpft ab. Er notiert den Namen und schwört sich: Ingo Schiller macht unter ihm kein Spiel mehr.
Samstag, 4.1.2020
Zweiter Tag im Trainingslager. Stimmung im Keller. Also kurzfristiger Beschluss: Besuch auf Windhorsts Jacht. Die siebenstündige Busfahrt an die Küste vergeht wie im Flug. Windhorst umarmt Klinsmann. Es riecht nach Eierlikör. Besonders beeindruckend ist die hochwertige Musikaliensammlung des Investors, zwei Klarinetten, eine historische Oboe, diverse andere wertvolle Instrumente. Auf der Rückfahrt sind die Spieler angetan vom Reichtum des Investors. Einer spricht sogar von einer vergoldeten Toilette. Eine vergoldete Toilette? Später am Abend ein empörter Anruf von Windhorst. Ein Spieler hat sein großes Geschäft in Windhorsts Posaune verrichtet. Klinsmann entschuldigt sich für den Irrtum.
Sonntag, 19.1.2020
Hertha verliert gegen die Bayern knapp mit 0:4, ist die klar bessere Mannschaft. Gut abgeliefert! Gegenbauer verbreitet trotzdem schlechte Stimmung in der Kabine, die Laune bessert sich erst, als Lars Windhorst den Spielertrakt betritt. Ein Highlight für alle Anwesenden, die Jungs sind superhappy. Aus Trainingsleibchen improvisieren die Spieler einen roten Teppich, viele weinen. Als ein Mitglied des Trainerstabs an der Reihe ist, vor Windhorst das Knie zu beugen und den Ring zu küssen, hat er eine Epiphanie, heftig speichelnd und in Zungen redend windet er sich minutenlang auf dem Boden. Erst dann kommt Arne langsam wieder zu sich. Es ist eine wunderbare Audienz, bis sich der Himmel teilt und Windhorst unter dem glücklichen Jauchzen aller Anwesenden sanft entschwebt (zweimotorige Cessna). Vom Verein ist niemand anwesend. Kein Preetz, keine PR, nicht einmal ein Social-Media-Post. Die Tennor-Aktie fällt um einen halben Prozentpunkt. Das ist keine Art.
Sonntag, 26.1.2020
Kein Zusammenhalt im Kader, keinerlei Verhaltensrichtlinien, an denen sich die Jungs orientieren können. Arne Maier geht mit seinem Wechselwunsch einfach an die Medien, anstatt die Nachricht von Klinsmann an die Springerpresse durchstecken zu lassen. Das ist eine Ungeheuerlichkeit und widerspricht sämtlichen Grundsätzen der Professionalität. Jürgen Klinsmann tut das einzig Richtige und bittet Maier zum diskreten Vier-Augen-Gespräch. Offenes Visier, komplettes Vertrauen. Sobald Maier davon in der morgigen „Bild“ (Regionalausgabe Berlin-Brandenburg) liest, wird er zum Rapport angekrochen kommen.
Mittwoch, 5.2.2020
Immer noch kein Lob von Gegenbauer, keine Anerkennung von Preetz. Erschütternd, diese Negativkultur. Dabei ist die Bilanz schon jetzt besser als seit Jahren. Bei den Facebook-Live-Übertragungen dominieren die Daumen nach oben, auch viele Lachsmileys, Tränengesichter kaum. Wütende Smileys nimmt Klinsmann gemäß seinem positiven Wesen als Ansporn, jeden Tag ein bisschen besser zu werden. Auch er lernt nie aus. Aber diese Optimierungskultur ist Preetz und Gegenbauer völlig fremd. Alles wird gebremst, Facebook sei keine entscheidende Größe in der Bundesliga, so Preetz. Weltfremd! Dislike von Klinsmann.
„Erstmal Ruhe, zero visibility“
Samstag, 8.2.2020
Das deutsche System des Trainers ist völlig überholt. Jürgen Klinsmann braucht mehr Macht, muss sich jetzt noch jeden kleinen Wechsel von Preetz absegnen lassen. Oft genug scheitern die auch strategisch wichtigen Wechsel am Nein des Managers. Jonathan Klinsmann kommt nicht zur Hertha zurück, obwohl ein Torwart Nummer fünf auf Oberliga-Niveau sportlich sinnvoll wäre. Die Klinsmann-Neffen John, Joe, Jim, Jimbo und Juri dürfen nicht als Vollzeit-Balljungen (Preetz: „Das macht die B‑Jugend umsonst“) eingestellt werden, auch eine Anstellung der Klinsmann-Mutter Martha als Head of Hertha Bakery scheitert. Es gebe keine Bäckerei auf dem Gelände, so der Vorwand. Lachhaft. Ein entfernter Verwandter Klinsmanns, dessen Lebenslauf als Versicherungskaufmann in Böblingen ihn für die Stelle des Ernährungsberaters der Mannschaft prädestiniert, wird von Preetz nicht einmal angehört, als er unaufgefordert zum Bewerbungsgespräch auf der Geschäftsstelle erscheint. Kann mit so viel Arroganz ein schlagkräftiger Staff entstehen? Die Deutschen haben die Bedeutung des Teams hinter dem Team immer unterschätzt.
Dienstag, 11.2.2020
Klinsmann kündigt, flieht aber nicht, ist immer noch ganz in der Nähe von Berlin, nämlich am Bodensee bei seiner Mutter. Erstmal Ruhe, zero visibility. Er schnuppert erfreut. Mutter Klinsmann hat gekocht. Es gibt Klopse.