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Horst Buhtz, wie haben Sie Fuß­ball spielen gelernt?
Auf der Straße natür­lich. Wir haben als Kinder auf die Kel­ler­fenster der Häuser in unserer Straße gespielt. Die Fenster waren so klein, dass man den Ball prak­tisch immer anschneiden musste, um über­haupt zu treffen. So ent­wi­ckelte ich schon als Kind eine gewisse Technik, und hier auf der Straße habe ich auch gelernt, beid­füssig zu spielen, also mit rechts und mit links. Zu Hause gab es nur Ärger, wenn meine Schuhe wieder kaputt waren. Mit einer Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung spielte ich bereits als 16-jäh­riger bei den Senioren von For­tuna Mag­de­burg. Dann kam der Krieg.

Wann wurden Sie ein­ge­zogen?
1942. Zum Arbeits­dienst ging es in den Osten. Ich habe den ganzen Scheiß noch mit­ge­macht. Ich kam dann als Kriegs­ge­fan­gener in die Nor­mandie. Von dort bin ich aus­ge­büxt. Nach dem Krieg begann der Fuß­ball schnell wieder zu rollen. 1947 bekam ich ein Angebot von den Offen­ba­cher Kickers. Geld spielte vor der Wäh­rungs­re­form keine große Rolle, aber in Offen­bach hatte ich die Chance, an der Goethe-Uni­ver­sität einen vier­se­mes­trigen Stu­di­en­gang zum Turn- und Sport­lehrer abzu­legen. Eine gute beruf­liche Per­spek­tive und eine Zukunft im Westen, das habe ich gleich genutzt.

Wie war es, allein nach Offen­bach zu gehen?
Ich wollte vor allem ein guter Fuß­baller werden. Das zählte. Die Kickers waren damals eine gute Adresse im deut­schen Fuß­ball. 1950 haben wir das End­spiel um die Deut­sche Meis­ter­schaft gegen den VfB Stutt­gart erreicht und vor fast 100.000 Zuschauern in Berlin mit 2:1 ver­loren, trotzdem schrieb die Presse, dass ich der beste Mann auf dem Platz gewesen sei. Bun­des­trainer Sepp Her­berger war auch im Sta­dion, aber er hat irgendwie etwas ganz anderes gesehen.

Das Thema Natio­nal­mann­schaft ist für Sie kein glück­li­ches, oder?
Nein. Her­berger hat mich immer ver­tröstet: Horst, Sie haben noch Zeit.“ Ich wäre alt und grau geworden. Ich bekam ein Angebot vom FC Bar­ce­lona, das ich aber ablehnte, weil ich in Deutsch­land bleiben wollte, um doch noch Natio­nal­spieler zu werden. Meine Eltern waren mitt­ler­weile auch in der Bun­des­re­pu­blik. Sie hatten das End­spiel 1950 in Berlin gesehen und sind danach gemeinsam mit uns Spie­lern in den Westen geflogen. Man hat damals schon gesehen, dass der Westen dem Osten mei­len­weit voraus war. Ich wech­selte 1950 zum VfB Mühl­burg, aus dem später der Karls­ruher SC her­vor­ging, schoss meine Tore und war­tete weiter auf die Ein­la­dung in die Natio­nalelf.

Her­berger wollte Sie also nicht.
Offen­sicht­lich nicht. Dabei war es immer mein Traum, einmal neben Fritz Walter auf der linken Seite zu spielen, aber der hat sich nicht erfüllt. Als die Ange­bote aus Mai­land und Turin kamen, habe ich ver­han­delt und bin schließ­lich nach Turin gegangen. Es war sport­lich viel­leicht ver­kehrt, aber ich wollte ja Geld ver­dienen.

In Turin wurde nach der Flug­zeug­ka­ta­strophe von 1949 ein neues Team auf­ge­baut.
1949 war Il grande Torino“, die legen­däre Mann­schaft, die fünfmal hin­ter­ein­ander ita­lie­ni­scher Meister geworden war, mit dem Flug­zeug abge­stürzt, und nie­mand hatte dieses Unglück über­lebt. Der Absturz pas­sierte kurz vor Ende der Saison, als die Elf um Valen­tino Maz­zola schon als erneuter Meister fest­stand. Das Banale dieser Tra­gödie war, dass die Mann­schaft aus Por­tugal kam und Schmug­gel­ware an Bord hatte, die nicht über den Zoll gehen sollte. Eigent­lich sollte das Flug­zeug wegen der schlechten Wet­ter­lage nicht in Turin, son­dern auf dem Mai­länder Flug­hafen Linate landen. Aber die Spieler haben dann wohl den Piloten über­redet, doch den kleinen Turiner Flug­hafen anzu­fliegen, weil sie in ihrer Hei­mat­stadt keine Schwie­rig­keiten mit dem Zoll erwar­teten. Beim Lan­de­an­flug im Nebel rammte das Flug­zeug die Basi­lika auf dem Berg Superga, der vor den Toren der Stadt liegt, und alle kamen ums Leben.

War es ein Aben­teuer, nach Ita­lien zu gehen?
Nein, ganz und gar nicht. Nach dem Mün­chener Ludwig Janda von 1860 war ich der zweite deut­sche Fuß­baller, der ins Aus­land ging. Nachdem ich bei Her­berger keine Chance mehr sah, wollte ich mich inter­na­tional beweisen. Bereits im zweiten Jahr in der Serie A wurde ich von den Jour­na­listen zum besten Aus­länder gewählt. Diese Erfolge wurden auch in Deutsch­land wahr­ge­nommen. Vom Zau­berer auf der linken Seite“ wurde geschrieben, und es gab sogar Umfragen in der Fach­presse: Buhtz in die Natio­nal­mann­schaft?“ Aber es blieb bei den Umfragen. Für mich als Fuß­baller war Ita­lien ein Para­dies. Ich habe mir mit dem ersten Hand­geld gleich ein Cabriolet mit roten Leder­sitzen für damals 6500 DM gekauft.

Einen deut­schen oder ita­lie­ni­schen Wagen?
Einen deut­schen Wagen natür­lich, einen VW. Ich wollte eine Marke mit Welt­gel­tung. Wenn man schon ins son­nige Ita­lien zieht, sollte man zumin­dest ein Cabriolet besitzen. Das hat Stil. Im ver­reg­neten Deutsch­land machte dies natür­lich keinen Sinn.

Wie viel ver­dienten Sie in Ita­lien?
150.000 DM im Jahr. Dafür musste ein deut­scher Fuß­baller zehn Jahre in der Ober­liga kicken. Ich rückte beim AC Turin schnell in den Mit­tel­punkt und galt als unver­käuf­lich“. Das ver­sperrte mir den Weg, um mit grö­ßeren Ver­einen viel­leicht auch ita­lie­ni­scher Meister zu werden. Ita­lien war herr­lich. Ich bin Rot­wein­trinker geworden, genoss das Essen und das Ambi­ente. Im Herzen bin ich bis heute Ita­liener, und es ist eine Schande, dass die Zweite Bun­des­liga mehr Zuschauer hat als die Serie A, weil dort die Ein­tritts­preise hor­rend sind, Gewalt und Kor­rup­tion den Fuß­ball kaputt­ma­chen.