Malochen statt Talent, neunte Liga statt Jugendakademie: Wout Weghorst ist einen ungewöhnlichen Weg zum Profitum gegangen. Kein Wunder also, dass er die Liga auch in ungewöhnlichen Statistiken anführt.
Melbuul werden die Einwohner von Borne im örtlichen Dialekt genannt – Mehlsäcke. Die 23.000-Einwohner-Stadt liegt in der niederländischen Region Twente unweit der deutschen Grenze. Viel zu sehen gibt es nicht in Borne. Einen Kirchturm, ein paar Häuser aus dem 18. Jahrhundert, ganz nette Landschaft drum herum. Auch wirtschaftlich ist es ziemlich unbedeutend, früher gab es Landwirtschaft, später eine große Textilfabrik, heute ist von ihr nichts mehr übrig, nur ein paar kleinere Industriebetriebe sind dem Arbeiterstädtchen geblieben. Wikipedia listet ganze vier Söhne und Töchter der Stadt auf. Einen Kirchenlieddichter, einen Fotografen, eine Schwimmerin – und Wout Weghorst.
„Was für ein Horst?“ hätte man bis zum vergangenen Sommer vermutlich als Reaktion auf eine Erwähnung des Stürmers bekommen. Doch seitdem Weghorst in der Bundesliga für den VfL Wolfsburg aufläuft, hat sich das radikal geändert. Weil er zwei entscheidende Merkmale seiner Heimatstadt in sich vereint: ihren Arbeitsethos und die Masse eines Mehlsacks.
„Ich war ein Amateurfußballer“
Mit 1,97 Metern Körpergröße und 84 Kilogramm wird ihm die Bezeichnung Brecher kaum gerecht. Als Stürmer gewinnt Weghorst mehr als die Hälfte seiner Zweikämpfe. Von Statur und Spielweise ähnelt der Holländer Frankfurts Sebastien Haller. In Wolfsburg werden aber vermutlich eher Erinnerungen an Bas Dost wach, der die Autostadt 2016 Richtung Lissabon verließ. Zufälligerweise begann Weghorst auch genau wie Dost seine Profikarriere beim FC Emmen in der niederländischen zweiten Liga und ging dann zu Heracles Almelo. Mit dem feinen Unterschied, dass Dost bei seinem Profidebüt gerade 18 geworden war und mit 19 in der Eredivisie spielte. Weghorst hingegen war schon 20 Jahre alt, als er seinen ersten Profivertrag unterschrieb und 22 als er in der ersten Liga debütierte.
„Als ich in den Seniorenbereich kam, habe ich in der neunten oder zehnten Liga gespielt“, sagte Weghorst dem Kicker. „Ich war ein Amateurfußballer.“ Zwar bekam er eine Chance in der Jugend von Willem II, konnte sich aber nie durchsetzen. Dann also nach Emmen. Obwohl er dort meistens als Joker eingesetzt wurde, kam er auf 19 Treffer in zwei Saisons. Tatsächlich absolvierte er anschließend ein Probetraining beim VfL Osnabrück, entschied sich dann aber für den Wechsel zu Heracles – und spielte erstmals in der ersten Liga. Ex-Almelo-Trainer Peter Bosz war es, der ihm sagte, sein Fortschritt hänge einzig und alleine von einer schnellen Anpassung an das höhere Level ab. Ein Rat, den Weghorst bislang beherzigte.