Katastrophale Wohnverhältnisse, Vertragsbrüche und falsche Versprechungen: Gegen die Bedingungen in Nachwuchsleistungszentren werden schwere Vorwürfe erhoben. Im Zentrum der Kritik: Union Berlin.
Befänden wir uns hier im Boulevard müsste in diesem Text, wenn nicht schon in der Überschrift oder im Teaser geschehen, spätestens jetzt der Satz „Wenn der Traum zum Albtraum wird“ fallen. Keine Sorge, er wird nicht fallen. Berechtigung hätte er aber durchaus.
Geht ein Kind mit dem Traum an den Start, Fußballprofi zu werden, wird es früher oder später erkennen, welchen Verzicht dieser Weg mit sich bringt. Denn Fußballer zu werden, bedeutet Kompromisse einzugehen. Eine gewöhnliche Kindheit ist in dieser Turbo-Leistungs-Branche kaum möglich.
Wie Fußballvereine mitunter mit ihren Nachwuchsspielern umgehen, hat nun ein Beitrag des ARD-Magazins Kontraste in Zusammenarbeit mit dem Recherche-Team Ippen Investigativ aufgedeckt. Die Vorwürfe sind alarmierend. Im Zentrum steht der 1. FC Union Berlin. Vermutlich aber nur exemplarisch.
Zwei Elternteile sprechen in dem Beitrag über die „katastrophalen“ Verhältnisse, unter denen ihre Kinder im Nachwuchsleistungszentrum von Union Berlin gelebt haben. Um ihre angestrebten Fußballkarrieren nicht zu gefährden, wollen sie unerkannt bleiben. Auch wenn die beiden Protagonisten nicht mehr bei den Köpenickern unter Vertrag stehen.
Der Verein hatte die seinerzeit 12-Jährigen in Brandenburg gesichtet und in die Klubakademie gelotst. Weil der Weg zum Training zu weit erschien, bot Union den Familien an, den zwei befreundeten Jungs einen Wohnort in Berlin zu organisieren und versicherte eine „Rundumbetreuung vor Ort“, wie eine der Mütter erzählt. Beinhalten sollte diese Betreuung Nachhilfe in der Schule, Essen, eine Pädagogin, die zwei Mal die Woche zu Besuch sei und einen Betreuer, der rund um die Uhr aufpasse.
Die Eltern vertrauten Union Berlin daraufhin ihre Kinder an. Da der Wohnbereich im Nachwuchsleistungszentrum noch nicht fertiggestellt war, kamen die beiden 12-Jährigen aber in einer Wohngemeinschaft im Berliner Osten unter. Übergangsweise, wie es zunächst hieß.
„Dass es sich alles anders entwickelt hat, war enttäuschend“, sagt eine der Mütter. Denn schnell wurde deutlich, dass der Verein die Versprechungen nicht hält. Die Kinder waren schnell mit der Lebenssituation überfordert, sprechen von Angst, weil sie nachts alleine in der Wohnung waren. Der Betreuer sei nur selten vorbeigekommen.
„Nach drei Tagen kam der Anruf: Papa, wie funktioniert der Wasserkocher für die Fünf-Minuten-Terrine?“ Fragen, denen sich junge Menschen, die aus dem Elternhaus ausziehen, früher oder später nunmal gegenüber sehen. Nicht aber mit 12 Jahren.