Vor jedem Spiel steht Jürgen Klopp an der Mittellinie und starrt die gegnerischen Spieler an. Was soll das? Zwei englische Profis haben es verraten.
Meditiert er? Sinniert er? Träumt er? Versucht er, letzte taktische Geheimnisse zu entschlüsseln? Immer wieder fragten sich aufmerksame Stadionbesucher in den vergangenen Jahren, warum Liverpool-Coach Jürgen Klopp während der Aufwärmphase vor den Spielen einsam und alleine an der Mittellinie stand, der eigenen Mannschaft den Rücken zukehrte, die Hände in den tiefen Taschen der knittrigen Trainingshose vergrub, die Augen fortwährend in die Hälfte des Gegners richtete. Mit bohrendem Blick.
Jürgen Norbert Klopp, das weiß man, ist ein wahrer Meister der psychologischen Tricks. Eine seiner beliebtesten Übungen im Fach Mentaltraining ist das so genannte Reframing. Klopp beherrscht die Kunst, Negativerlebnisse umzudeuten: Er hilft seinen Spielern, die eigene Frustrationstoleranz zu erhöhen, um Wut und Enttäuschung in positive Energie umwandeln zu können. Misserfolge werden so zu elementaren Bausteinen des künftigen Erfolgsgebildes.
Doch auch die Psyche des Gegners hat der ehemalige Mainz- und BVB-Coach immer im Blick. Vor einer seiner ersten Trainingseinheiten bei den „Reds“ schrieb Klopp das Wort „TERRIBLE“ auf eine Tafel in der Umkleidekabine – in kapitalen Lettern. Schrecklich. So sollten sich die gegnerischen Mannschaften fortan fühlen, wenn sie seinem FC Liverpool begegneten. Um die Widersacher schon vor dem Anpfiff zu beeindrucken, greift Klopp gerne mal in seine ganz persönliche Psycho-Trickkiste. Von der breiten (TV-)Öffentlichkeit bislang weitgehend unbemerkt, steht er während des Aufwärmprogramms beider Mannschaften da wie ein Feldherr und mustert die gegnerischen Spieler beim Dehnen, beim Ansprinten, beim Kreisspiel oder beim obligatorischen Justieren der Schussvisiere.
Der vielleicht beste Trainer der Welt scannt sie alle ab. Einen nach dem anderen – bis das „Opfer“ Klopps Killerblick bemerkt und ihm ausweicht. „Er macht das vor jedem Spiel, ich weiß nicht, ob es jemand bemerkt hat“, verrät Brighton & Hove Albions Stürmer Glenn Murray (36) im Podcast „Talksport“: „Klopp marschiert bis zur Mittellinie, bleibt dort auf einer Stelle stehen und starrt unentwegt in die gegnerische Hälfte. Es geht einem wirklich unter die Haut. Er steht nur da, auf Höhe der Linie, und sieht zu, wie sich die gegnerische Mannschaft aufwärmt. Beim ersten Mal haut dich das wirklich um, weil du denkst: ‚Was macht er da?‘ Er schaut nicht ein einziges Mal auf sein eigenes Team, er beobachtet nur uns.“