Viereinhalb Jahre war Mikhail Ponomarev als Präsident und Gönner beim KFC Uerdingen aktiv – mit „seriöser Arbeit“ wollte er den Traditionsklub aus Krefeld zu neuen Erfolgen führen. Nun: Vor allem das mit der seriösen Arbeit hat nicht so richtig gut funktioniert. Eine Rückschau mit Unterhaltungsfaktor.
Eigentlich hatte der KFC Uerdingen vor Ponomarev schon seinen Sonnenkönig: Agissilaos Kourkoudialos, genannt „Lakis“, ist von 2008 bis 2016 Präsident des KFC. Er finanziert den Pokalsieger von 1985 nicht nur bei seinen Ausflügen durch die unterklassigen Ligen, sondern bringt auch medienwirksam Spieler wie Ailton oder Mo Idrissou nach Krefeld und lässt sich im Saisonfinale 2012/13 sogar höchstpersönlich einwechseln.
Im Mai 2016 gibt Lakis jedoch aus „gesundheitlichen Gründen“ seinen Rücktritt bekannt. Das Präsidentenamt gibt er an den russischen Investor Mikhail Ponomarev ab, den er bereits ein Jahr zuvor als Sponsor zum Verein geholt hatte. Zu diesem Zeitpunkt heißen die Gegner des KFC nicht etwa Kaiserslautern oder 1860 München, sondern – wie in diesem Spiel der Oberliga Niederrhein 2016/17 – Cronenberger SC.
Ponomarev handelt bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Sommer 2016: Die Ausgliederung der Profimannschaft des KFC ist schnell beschlossen, über eine Firma mit dem passenden Namen „KFC Uerdingen Entertainment GmbH“ übernimmt er im Februar 97,5 Prozent der Anteile des Klubs.
Die erste Saison mit dem russischen Investor läuft vielversprechend. Unter Trainer André Pawlak gelingt den Krefeldern souverän die Rückkehr in die Regionalliga West.
Doch der Aufstieg alleine reicht Ponomarev nicht, Trainer André Pawlak muss nach Saisonende gehen. Stattdessen verpflichtet der geschäftstüchtige Russe mit Michael Wiesinger einen bundesligaerfahrenen Trainer. „Hier ist Geschichte“, schwärmt Wiesinger bei seiner Vorstellung über den KFC.
Auch die Spieler werden größtenteils ausgetauscht, als Neuverpflichtungen kommen Erst- und Zweitligaspieler wie Alexander Bittroff oder Christopher Schorch nach Uerdingen. „Wir müssen in Vorleistung treten – mit sportlichem Erfolg und seriöser Arbeit“, erklärt Ponomarev im Kicker. Wie diese „seriöse Arbeit“ aussieht, zeigt sich bald.
Nicht alle ausgebooteten Aufstiegshelden sind glücklich darüber, wie der KFC mit ihnen umgegangen ist. So will sich unter anderem Ex-Kapitän Timo Achenbach im Februar 2018 wieder ins Training klagen. Darüber hinaus erheben zwei zurückgetretene Vereinsfunktionäre zur selben Zeit den Vorwurf, Ponomarev würde Spendengelder, die eigentlich in die Jugendarbeit fließen sollen, für die Profiabteilung verwenden.
Zumindest sportlich sorgt das Geld des Investors für gute Nachrichten: In der Winterpause wechselt Maximilian Beister von Melbourne Victory an die Grotenburg – der damals 27-Jährige hat zu diesem Zeitpunkt bereits 47 Bundesligaspiele und acht Tore auf dem Buckel. Nicht schlecht für einen Regionalliga-Aufsteiger.
Auch der Trainerwechsel scheint sich ausgezahlt zu haben: Der KFC Uerdingen wird als Aufsteiger Herbstmeister der Regionalliga West, vor der Winterpause 2017/18 liegt man dann punktgleich mit dem FC Viktoria Köln auf Platz zwei.
Doch die gute Stimmung hält nicht lange: Im Februar 2018 muss Michael Wiesinger gehen, nach einem 2:2 gegen Rot-Weiss Essen, in dem Uerdingen erst in der Nachspielzeit ausgleichen kann. Das versöhnliche Ende des Spiels soll Präsident Ponomarev laut „Westdeutscher Zeitung“ aber gar nicht mehr mitbekommen haben – er sei auf dem Weg in die Kabine gewesen, wo er erst einzelne Spieler nachgeäfft und sich anschließend lautstark mit Wiesinger gestritten habe.
Noch am Tag der Entlassung verkündet der KFC Uerdingen bereits die Verpflichtung des neuen Trainers. Die äußerst seltene Gelegenheit, einen erfolgreich spielenden Tabellenzweiten während der Saison zu übernehmen, bekommt Stefan Krämer, der mit der Mannschaft anschließend auf einer Siegeswelle reitet: Kein Spiel verliert der KFC mehr in der Regionalliga und setzt sich anschließend in den Aufstiegsspielen gegen Waldhof Mannheim durch.
Nach 19 Jahren in den Niederrungen des west- und norddeutschen Fußballs darf Uerdingen endlich wieder durch ganz Deutschland reisen. Die Fans danken es den Spielern und dem exzentrischen Investor bei der Aufstiegsfeier.
Danach dürfen sich die Profis und Investor Mikhail Ponomarev ins Gästebuch der Stadt eintragen. Was auf den feierlichen Bildern nicht ersichtlich ist: Die Beziehung zwischen dem KFC-Präsidenten und der Stadt Krefeld kriselt schon bald. Grund dafür ist die Frage, wer für den drittligatauglichen Umbau des Grotenburg-Stadions aufkommen soll.
Denn der sportliche Aufstieg geht viel zu schnell für die etwas in die Jahre gekommene Spielstätte des KFC – für die erste Saison in der 3. Liga muss der Verein ins benachbarte Duisburg umziehen. Das Stadion ist aber nicht das einzige beim Verein, das noch nicht profitauglich ist: Die SportBild schreibt, das Stadion sei marode, kein Platz habe Rasenheizung und im Winter müssten die Spieler zum Trainieren in eine Soccer-Halle ausweichen.
Doch kein Aufstieg? Der DFB teilt Ende Mai 2018 mit, dass der KFC Uerdingen Liquiditätsnachweise bei der Lizenzerteilung für die 3. Liga nicht pünktlich erbracht habe. Mikhail Ponomarev bestreitet dies vehement und kokettiert schon damals mit seinem Abschied: „Wenn der DFB nach allem, was passiert ist, wirklich beschließt, uns für etwas, an dem wir keine Schuld tragen, die Lizenz nicht zu geben, dann sehe ich nicht, wie ich mein Engagement beim KFC Uerdingen aufrecht erhalten kann“, so der russische Investor.
Letztendlich darf der KFC doch noch in die dritte Liga – der verspätete Zahlungseingang von 1,2 Millionen Euro sei nicht dem Verein anzulasten, erklärt DFB-Vizepräsident Rainer Koch. Uerdingen-Boss Ponomarev nimmt das als Anlass, den Kader für die dritte Liga nochmal ordentlich aufzustocken. Besonders der Transfer von Kevin Großkreutz, Weltmeister von 2014, sorgt deutschlandweit für Aufmerksamkeit.
Doch die dritte Liga ist ein härteres Pflaster – und dass ein Aufstieg in Uerdingen noch lange keine Jobgarantie ist, muss auch Stefan Krämer lernen. Nach einer 0:3‑Heimpleite gegen Würzburg wird der Meistertrainer im Januar 2019 entlassen. „Wir hatten zuletzt leider oft unterschiedliche Darstellungen und Sichtweisen“, erklärt Präsident Ponomarev.
Als Interimstrainer übernimmt zunächst Ex-Profi Stefan Reisinger (Mitte). Es wird nicht das einzige Mal in diesem Jahr sein, dass der Co-Trainer als Interimscoach aushelfen muss.
Nur sieben Spiele, davon kein siegreiches, hält es seinen ersten Nachfolger Norbert Meier auf dem Uerdinger Trainerstuhl. Nach dessen Rausschmiss gibt sich Ponomarev auf ganz eigene Art und Weise selbstkritisch: „Meine schlechteste Entscheidung beim KFC. Der schlechteste Trainer in der KFC-Geschichte. Der KFC war seine letzte Station als Trainer in Deutschland“, schreibt der Mäzen auf Twitter.
Immerhin der Co-Trainer des angeblich schlechtesten Trainers der KFC-Geschichte darf bleiben: Frank Heinemann übernimmt ab März 2019 die Rot-Blauen. Mit ihm gelingen in den nächsten sieben Spielen immerhin zwei Siege, zufrieden stellt das den launigen Vereinsboss aber trotzdem noch nicht.
Zum Ende der Saison 2018/19 werden die Probleme des KFC mit der Ausweichspielstätte in Duisburg immer präsenter. Mehrmals zahlt der Verein die Stadionmiete nicht pünktlich, der Geschäftsführer der Stadionprojekt-Gesellschaft will den KFC vor dem letzten Spiel gegen Wehen Wiesbaden sogar aussperren. Die Zahlungsprobleme werden geklärt, dennoch verlässt Uerdingen die Schauinsland-Reisen-Arena und zieht nach Düsseldorf – wo die Miete noch deutlich höher ist.
Der nächste in der Reihe: Heiko Vogel, ehemaliger Basel-Trainer, erlebt mit Uerdingen einen krachenden Fehlstart in die Saison 2019/20 – statt in der Spitzengruppe findet sich der KFC auf einem Abstiegsplatz wieder. „Er soll in Ruhe arbeiten können“, verspricht Mikhail Ponomarev noch Anfang September in der Westdeutschen Zeitung. Zumindest für drei weitere Spiele, denn schon am Ende des Monats wird Vogel entlassen.
Brisante Interna kommen dabei Ende des Monats ans Tageslicht: In einer WhatsApp-Nachricht erzählt Mittelfeldspieler Manuel Konrad, wie Mikhail Ponomarev nach der Niederlage gegen Mannheim in der Kabine tobte. „Was du machen mit Mannschaft? Arschloch du, weg du“, soll Ponomarev Trainer Heiko Vogel beleidigt haben, sogar Tische seien durch die Kabine geflogen. Konrad urteilt: „Das war geisteskrank, die Physios hätten fast geweint. […] Hätte er ein Messer gehabt, er hätte uns gemetzelt.“
Ob das der Grund ist, weshalb Ponomarev beim folgenden Spiel gegen 1860 München etwas mitgenommen wirkt? Der Sechzig-Fan neben ihm lebt seine Fanliebe jedenfalls unbeeindruckt vom Präsidenten des Gastvereins aus.
Vogels Nachfolger heißt Daniel Steuernagel und ist quasi der Volker Finke unter den Uerdingen-Trainern 2019: Ganze 16 Spiele lang, also fast eine gesamte Halbserie darf der 41-Jährige den KFC trainieren. Erst nach dem Jahreswechsel ist für ihn im März 2020 Schluss.
Einen prominenteren Neuzugang gibt es auf dem Managerposten: Stefan Effenberg soll mit seiner Erfahrung Präsident Ponomarev, Geschäftsführer Weinhart und dem Trainerteam „in sportlichen Entscheidungsprozessen zur Seite stehen“.
Schon kurz nach der Einstellung lässt Effenberg seine Kontakte spielen und vermittelt dem KFC ein Wintertrainingslager im italienischen Gavoranno. Einziges Problem: Die Unterkunft der Uerdinger ist eigentlich ein Golfhotel und hat keinen Fußballplatz, auf dem der Verein trainieren könnte. Und die Anlage des sechs Kilometer entfernten Fußballklubs ist laut Meinung mehrer Spieler „schlechter als in Krefeld“. Das Trainingslager wird deshalb kurzfristig ins holländische Venlo verlegt.
So unterschiedlich waren die Darstellungen und Sichtweisen dann wohl doch nicht: Kurz vor der Corona-Pause präsentiert Mikhail Ponomarev den erst ein Jahr zuvor entlassenen Stefan Krämer als neuen Cheftrainer. Daniel Steuernagel muss sich trotz eines 4:2‑Siegs gegen den FSV Zwickau von der Mannschaft verabschieden.
Wenig überraschendes gibt es auch in Zeiten von Corona aus Krefeld zu vermelden: Mehrere Spieler warten auf noch ausstehende Gehälter und Prämien aus dem April, ein freiwilliger Verzicht steht für die Profis nicht im Raum. Die drei Spieler Robin Udegbe (r.), Nerciwan Khalil Mohammad und Selim Gündüz dürfen aus unbekannten Gründen nicht mehr am Training der Uerdinger teilnehmen.
Kevin Großkreutz verklagt seinen Klub sogar auf die noch ausstehenden Gehaltszahlungen, der Verein wirft ihn noch vor der neuen Saison raus. Aber auch weitere Spieler aus dem Kader gehen gerichtlich gegen die mangelnde Zahlungsbereitschaft des Vereins vor – unter anderem Dominic Maroh, der sich vor Gericht ausstehende Gehälter von 150.000 Euro erstreitet. Ob auch die Klage von Großkreutz Erfolg hat, steht hingegen noch aus.
Und weiterhin besteht das Problem, dass der KFC in naher Zukunft nicht im Grotenburg-Stadion spielen kann. Der Stadtrat Krefeld verweigert vor einer Woche die Bereitschaft, die Mehrkosten für die Sanierung der altehrwürdigen Spielstätte zu tragen. In Düsseldorf beschwert man sich währenddessen, dass die Krefelder auch hier die Stadionmiete nicht pünktlich begleichen.
Mikhail Ponomarev gibt schließlich bekannt, sich spätestens zum Saisonende beim KFC Uerdingen 05 zurückzuziehen. Das Fazit zu seiner Ära als Präsident haben die Fans des KFC Uerdingen bereits im September 2018 gezogen. Nun steht der Einstieg einer Investorengruppe aus Armenien im Raum – es darf bezweifelt werden, dass der Verein in naher Zukunft zur Ruhe findet.