Hertha BSC kauft sich seinen lange verschollenen Gründungsmythos, das Schiff „Hertha“. Autor und Hertha-Experte Michael Jahn erklärt, wie es dazu kam.
Herr Jahn, warum ist der Hertha dieses Schiff so wichtig?
Weil es ohne das Schiff auch keinen Verein namens Hertha BSC gäbe. 1892 taten sich zwei Brüderpaare zusammen, um einen Fußballverein zu gründen. Einer der Gründer, Fritz Lindner, war zuvor mit seinem Vater auf einer Dampferfahrt auf der Havel gewesen. Diese Fahrt hat Lindner scheinbar so beeindruckt, dass er seine Freunde davon überzeugte, den Namen des Dampfers für den Verein zu übernehmen. Also hieß der Klub dann BFC Hertha 92 und spielte fortan in Blau und Weiß.
Aber wieso kauft man das Schiff erst jetzt, knapp 125 Jahre nach der Vereinsgründung?
Das Kuriose ist ja, dass man lange gar nicht wusste, dass der Dampfer überhaupt noch existiert. Erst 2002 hat der Verein herausgefunden, dass das Schiff in Wusterhausen an der Dosse – etwa anderthalb Stunden nördlich von Berlin – liegt. Ein pfiffiger Unternehmer, Peter Dentler, hatte den Dampfer 1969 in einer Ostberliner Werft entdeckt. Allerdings hieß das Schiff damals nach der Losung der jungen Pioniere “Seid Bereit„ und keiner wusste, dass es die alte Hertha ist. Also lag es brach und sollte verschrottet werden.
Doch Herr Dentler machte es wieder flott?
Genau. Mit ziemlich großem Aufwand und einem Spezialkran transportierte er es nach Wusterhausen an der Dosse, hielt es fortan in Stand und bot Seerundfahrten an.
Aber dass er das namensgebende Schiff der Hertha gekauft hatte, war ihm gar nicht klar?
Nein, bis 2002 trug der Dampfer dann den Namen “Seebär„. Ein Schiffshistoriker fand zwar schon in den Siebzigern anhand von Fotos heraus, dass es sich um die alte Hertha handelte, allerdings machten die Dentlers das nicht publik. Erst zum 110 Geburtstag, im Jahr 2002, bekam Hertha BSC davon Wind und dann wurde erstmals verhandelt. Allerdings konnte sich der Verein das Schiff damals nicht leisten.
Damals ging es um etwa 200.000 Euro. Jetzt sollen es knapp 400.000 Euro sein, die Hertha an die Prignitzer Leasing-Gesellschaft zahlt, die das Schiff den Dentlers vor ein paar Jahren abgekauft hat. Warum klappt es ausgerechnet jetzt?
Zum einen wurde am Montag das Präsidiums des Vereins gewählt. Da war es sicherlich nicht von Nachteil, den Mitgliedern diesen überraschenden Coup zu präsentieren. Außerdem haben die zwei Präsidiumsmitglieder Ingmar Pering und Christian Wolter, die das Schiff nun kaufen, ein Beteiligungsmodell entwickelt. Sie wollen 1892 Anteile des Schiffs an die Fans verkaufen, die sich so ein Stück Historie sichern und gleichzeitig zur Finanzierung beitragen.
Immerhin wusste man ja spätestens seit 2002, wo das Schiff steht. Trotzdem wurden die Dentlers nach eigener Aussage nicht unbedingt von Hertha-Fans überrannt. Wie wichtig ist den Fans der Gründungsdampfer denn überhaupt?
Den Fans ist das Schiff schon sehr wichtig, der Dampfer war ja auch immer wieder Thema. Das man schon seit langer Zeit damit fahren konnte, wurde von Vereinsseite allerdings nicht beworben. So kamen zwar vereinzelt Fanclubs nach Wusterhausen an der Dosse, aber eben nicht genug.
Oder aber die Falschen!
Richtig. Vor ein paar Jahren mietete eine Gruppe Union-Fans das Schiff und fuhr in Rot-Weiß über den See. Es kam also zu einer Art friedlicher Übernahme. Das dürfte in Zukunft nicht mehr passieren.
Was genau hat die Hertha denn in Zukunft mit der Hertha vor?
Das ist noch völlig offen. Man könnte es auf der Spree fahren lassen, allerdings gibt es da sehr strenge Vorgaben und Sicherheitsbestimmungen. Eine andere Idee ist, aus dem Dampfer in der Nähe des Olympiastadions ein Museum zu errichten. Die dritte Variante, die mir persönlich am besten gefällt, wäre aus dem Schiff einen Fantreff zu machen. Es also auf der Spree zu ankern und eine Kneipe aufzumachen.