Kommt die European Super League? Martin Endemann von den Football Supporters Europe über die Gefahren der geplanten Hochglanz-Liga.
Martin Endemann, in einer Erklärung, die von vielen Fans und Fanorganisationen unterstützt wird, hat sich FSE (Football Supporters Europe) klar und deutlich gegen die European Super League ausgesprochen. Darin steht, dass die European Super League „in den Augen der überwältigenden Mehrheit der Fans“ als ein „unpopuläres, illegitimes und gefährliches Projekt“ betrachtet wird. Worin genau liegen die Gefahren?
Ein großes Problem ist die Frage: Wer qualifiziert sich für die Super League und warum? Das Wichtigste bei einem Pokalwettbewerb ist die Möglichkeit, sich dafür zu qualifizieren. Dieses System sieht die Super League nicht vor. Hinzukommt, dass viele Fans – auch von den großen Vereinen – kein Interesse daran haben, fünf Mal im Jahr gegen Real Madrid oder Barcelona zu spielen. Die Fans vom FC Liverpool sind das beste Beispiel hierfür: Die Meisterschaft war für sie das Größte überhaupt! Das ist für die meisten Fans von Liverpool viel höher einzuordnen als der Champions League-Titel, vor allem für die Jüngeren unter ihnen, die den Gewinn der Premier League zuvor noch nie miterlebt hatten.
Ein Modell der European Super League sieht einen Spielmodus mit 20 Teams vor, von denen 15 gesetzt sind und fünf Plätze zu Qualifikation freistehen. Wäre ein anderes System mit einer geringeren Anzahl an gesetzten Teams für Sie akzeptabel?
Nein. Es sollte lieber darüber debattiert werden, wie man die existierenden europäischen Wettbewerbe so gestalten kann, dass eine größere Teilnehmervielfalt herrscht. Statt den Europapokal weiter zu verwässern, wie es bei der Champions League passiert ist, in der mittlerweile ja kaum noch Champions spielen. Außerdem ist vielen Fans wichtig, dass die immensen Erlöse, die die Wettbewerbe generieren, auch fairer verteilt werden.
Wie soll die gerechtere Verteilung der Gelder aussehen?
Wir sind nicht dafür zuständig, der UEFA einen Masterplan auf den Tisch zu legen. Klar ist aber: Die Verteilung funktioniert derzeit so, dass allen voran die großen Vereine davon profitieren. Es gibt Solidaritätszahlungen der UEFA. Dabei wird ein Bruchteil der Gesamteinnahmen unter den Erstligisten in Europa verteilt, die sich für die europäischen Wettbewerbe nicht qualifiziert haben.
„Wir fordern, dass die Solidaritätszahlungen erheblich erhöht werden“
An Vereine, die nicht an der Gruppenphase der Champions League oder der Europa League teilgenommen haben, hat die UEFA vier Prozent der gesamten Bruttoeinnahmen ausgezahlt. Das entspricht 130 Millionen Euro an Solidaritätszahlungen.
Genau das ist das Problem. Das entspricht in etwa dem, was allein die Bayern im vergangenen Jahr ausgezahlt bekommen haben. Auf diese Weise zementieren die großen Vereine ihre Vormachtstellung. Daher fordern wir, dass die Solidaritätszahlungen erheblich erhöht werden.
FSE fordert eine umfassende Reform im Fußball, die auf Chancengleichheit und der Wahrung der Interessen der Fans abzielt. Wie stellen Sie sich eine solche Reform unter Einbezug der Fans konkret vor?
Ein englischer Kollege von mir hat es mal so formuliert: Beteiligung sollte nicht bedeuten, dass man der Erste ist, der von den schlechten Nachrichten erfährt. Bisher werden wir schlicht vor vollendete Tatsachen gestellt. Die UEFA kennt unsere Standpunkte, aber keiner fragt die Fans: Was haltet ihr eigentlich von solchen Plänen? Diesen inklusiven Gedanken vermisse ich bei den meisten Stakeholdern in diesem Prozess. Häufig wird dies und jenes im Namen der Fans behauptet. Dann heißt es: „Die Fans“ wollen mehr europäische Spiele. Worauf solche Behauptungen basieren, ist mir schleierhaft.
Aber es könnte ja durchaus sein, dass manche Fans gerne jede Woche Paris Saint-Germain gegen Manchester City sehen wollen.
Natürlich gibt es solche Fans. Wir von Football Supporters Europe können selbstverständlich nicht im Namen aller Fans in Europa sprechen. Wir verstehen uns als Fanorganisation für die aktiven Fans, für die Stadiongänger. Und die werden schlicht ignoriert. Denn weitere europäische Spiele bedeutet auch, dass die Fans mehr bezahlen müssen. Auswärtsfahrten, Tickets. Das ist auch eine Geldfrage für diejenigen, die gerne jedes Spiel ihrer Mannschaft sehen möchten.