Kommt die European Super League? Martin Endemann von den Football Supporters Europe über die Gefahren der geplanten Hochglanz-Liga.
Ein voller Terminkalender würde Bayern und Dortmund weiter belasten. Wäre dies nicht auch eine Chance für kleinere Vereine im nationalen Wettbewerb?
Das glaube ich nicht. Sobald sich so ein System etabliert, können sich die Bayern oder auch Dortmund zwei oder drei gleichwertige Kader leisten. Dann wird mit der A‑Plus-Mannschaft in der European Super League, mit der A‑Mannschaft in der Bundesliga und mit der B‑Mannschaft im DFB-Pokal gespielt.
Oder die anderen Vereine schließen Dortmund und Bayern, wenn diese denn gerne in der Super League spielen wollen, von der Bundesliga aus.
Genau. Das ist mittlerweile auch der Gedanke von einigen Fans. Diese Reaktion ist, finde ich, sogar nachvollziehbar. Doch auf der anderen Seite wollen viele Fans Spiele gegen Bayern und Dortmund auch nicht missen. Hinzu kommt, dass die Fans der großen Vereine diese Pläne nicht gutheißen. Der nationale Wettbewerb bringt Erinnerungen, Traditionen und Rivalitäten mit. Für viele Bayern-Fans ist Bayern gegen Nürnberg immer noch ein größeres Spiel als Bayern gegen Real Madrid.
FSE sieht die nationalen Wettbewerbe in Gefahr. Pep Guardiola hat sich für weniger Vereine in der Premier League ausgesprochen. Wie sehen Sie solche Vorstöße?
Davon halte ich gar nichts. Die Stärkung der nationalen Ligen muss bedeuten, dass für die Vereine, die nicht an den europäischen Wettbewerben teilnehmen, mehr Geld abfällt. Diese Vereine sollten in den eigenen nationalen Ligen weiterhin wettbewerbsfähig sein. Kein englischer Fan möchte einen vollen europäischen Terminkalender auf Kosten der nationalen Liga. Wenn die Premier League mit 18 statt 20 Vereinen spielt, dann ist die Durchlässigkeit zwischen den Ligen noch geringer, als sie ohnehin schon ist. Je aufgeblähter der europäische Wettbewerb, desto schwieriger wird es auch für die nationalen Pokalwettbewerbe. Der League Cup wäre ein klassisches Bauernopfer. Wobei der Wettbewerb vor allem für kleinere Vereine wichtig ist. Der spätere Einstieg der Topmannschaften in den Pokalen ist ja bereits jetzt Realität, in England etwa und in Italien. Eine Diskussion darüber könnte auch in Deutschland aufkommen, wenn beispielsweise die Bayern oder Dortmund irgendwann ihre Belastungen beanstanden würden.
Javier Tebas, Chef der spanischen LaLiga, behauptet, FIFA-Präsident Gianni Infantino habe bei mehreren Treffen an Gesprächen über die Super League teilgenommen. Infantino selbst hat sich dazu nicht geäußert. Nun hat die FIFA eine Meldung veröffentlicht, die einer European Super League eine Absage erteilt – mit Infantino-Unterschrift. Was halten Sie davon?
Es gibt kaum einen Fan, der Infantino traut. Ich denke, die FIFA wurde von der UEFA unter Druck gesetzt. Das wurde getan, um den öffentlichen Frieden zu wahren. Mehr als ein Burgfrieden ist das nicht.
Manche sehen in der Super League lediglich ein Druckmittel, um eine Champions League-Reform nach der Vorstellung der großen Klubs über die Hintertür einzuführen. Liegt darin nicht die Gefahr?
Das bedeutet jedoch nicht, dass die European Super League keine reale Gefahr darstellt. In unserer Erklärung haben wir bekräftigt, dass wir jegliche Reformen der europäischen Wettbewerbe unter dem UEFA-Dach an den aufgeführten Kriterien messen werden, sprich: gerechtere Verteilung der Gelder, Wahrung und Einbezug der Faninteressen, Stärkung der nationalen Wettbewerbe. Das müssen die Kriterien bleiben, wenn der europäische Fußball keinen Alleingang ohne die Fans machen will. Die UEFA strebt derzeit allen Anschein nach eine Reform nach dem Schweizer Modell an. Das würde wohl bedeuten, dass mehr Spiele stattfinden und die Schere zwischen armen und reichen Vereinen noch größer werden würde. Daher werden wir das ganz genau beobachten und entsprechend bewerten.