50 Jahre Bundesliga. Auf keinen anderen Verein trifft das zu, außer auf den Hamburger SV. Doch ausgerechnet in Berlin musste der Geburtstag begangen werden und dann spielte noch nicht einmal der Gastgeber mit – ein Ortsbesuch.
Am 24. August 1963 spielte der Hamburger SV zum ersten Mal in der Bundesliga. Dem 1:1 bei Preußen Münster folgten je drei Meisterschaften und drei Pokalsiege, ein Europapokal der Pokalsieger und natürlich der Landesmeistertitel von 1983. An frühere Duelle gegen den AC Mailand, Nottingham Forrest und Werder Bremen wird sich an der Elbe gerne erinnert.
Genau 50 Jahre später spielte der HSV am Samstag gegen Hertha BSC. Gegen den Aufsteiger, der vor dem Saisonstart irgendwo zwischen Grauer Maus und Fahrstuhlmannschaft gehandelt wurde und dessen Ruhe die Hanseaten momentan gerne in der eigenen Geschäftsstelle hätten. Ein Punkt aus zwei Spielen, darunter die bittere 1:5‑Pleite gegen die TSG Hoffenheim. Dazu der Eklat um Dennis Aogo und Thomas Rincon, die die trainingsfreien Tage für einen Mallorcatrip genutzt hatten. Geburtstagsstimmung wollte in den Vorwochen wahrlich nicht aufkommen.
10.000 Hamburger in Berlin
Trotzdem hatte sich der Hamburger SV zum Jubiläum etwas vorgenommen. 50 Jahre Bundesliga sollten gebührend geehrt werden, auch wenn der Verein, vom Rahmenterminplan gebeutelt, seinen Geburtstag auswärts feiern musste. Etwa 10.000 Hamburger waren in die Hauptstadt gereist. Dafür war selbst der Auswärtsblock zu klein. Der Lautstärkepegel richtete sich nach dem Spiel: Ausgeglichen.
Eine kleine Stichelei konnte sich die Berliner Ostkurve ob des kuriosen Umstandes dennoch nicht verkneifen. „Erstklassig seit 1892.“ Das Transparent thronte vor dem Spiel auf dem Hertha-Schriftzug der Berliner Choreographie. Ein blau-weißes Rührstück, dass die Berliner Szene da entworfen hatte. Dessen Pendant hätte nach Hamburger Plänen eigentlich in den Nordkurve neben der Stadion-Uhr, die am Samstag erstmals eine „50“ über der Jahresangabe anzeigte, zelebriert werden sollen. Doch die DFL hatte den Liga-Dino missachtet und ein Auswärtsspiel zum Ehrentag angesetzt. So musste es ein provisorisches Feuerwerk unter dem Olympiadach richten.
Bloß kein Gegentor, dürfte die ausgesprochene Devise in der Kabine des HSV gelautet haben. Hertha fiel indes wenig ein, es entwickelte sich ein kampfbetontes Spiel mit wenigen Torchancen. Immerhin: Das 0:0 schien zu halten. Doch die Hausherren ließen den schwarz-blauen Luftballon in der 74. Minute platzen. Adrian Ramos traf zum 1:0. Die Reaktion der Rothosen fiel durchwachsen aus. Ein Schuss von Maximilian Beister und zahlreiche Ecken. Das war’s. Immerhin kam in der 89. Minute Jonathan Tah zu seinem Bundesligadebüt. Ein bulliger, 17-jähriger Verteidiger aus der eigenen Fußballschule, Juniorennationalspieler. Spieler wie ihn können die finanziell angeschlagenen Hanseaten gut gebrauchen.
In der S‑Bahn zum Hauptbahnhof saß nach dem Abpfiff Jacob Hesselund. Typ: Wikinger. Ein langer dunkler Haarzopf, zwei dünne Bartflechten kurz über der Brust festgeknotet, Lederkutte und kurze Army-Hose. Und tatsächlich, er gehört den „HSV-Vikinger Danmark“ an. Er und seine Mitstreiter fahren, sofern irgendwie möglich, auch zu den Auswärtsspielen des HSV. Natürlich, sie hatten schon bessere Zeiten mit ihrem Verein durchlebt. Während sich die Spieler noch in der Mixed-Zone aufhielten und von Kampfeswillen und halbwegs stabiler Defensive sprachen, analysierten Hesselund und seine Freunde die 0:1‑Niederlage gegen einen Aufsteiger bereits knallhart. Zu wenig Verschiebung zwischen den Außenflügeln, statisch und ängstlich sei der HSV aufgetreten. Und dann dieser Torwart der Hertha: Thomas Kraft? „Ein Teufelskerl“, behauptete Hesselund und begab sich auf den Rückweg.
Hamburg, meine altersschwache Perle
Die übrigen Hamburger versammelten sich spätabends noch im Astra Kulturhaus an der Warschauer Straße. Die „HSV Sitzkissenfraktion Auswärts“ und die „Regionalbetreuung Berlin“ hatten unter dem Motto „50 Jahre auf der Uhr – Wenn nicht Hamburg, dann eben Berlin“ geladen. Grillatmosphäre draußen, gutes Bier drinnen und die raue, hanseatische Herzlichkeit inklusive.
Nur die Niederlage wirkte wie der griesgrämige Onkel Berti, der sich kurzfristig noch zum Geburtstag angesagt hatte. Doch als Lotto King Karl zu „Hamburg, meine Perle“ anstimmte, wurde auch dem Letzten im Saal bewusst: Heute wird Geburtstag gefeiert. Wenn auch mit altersbedingten Gebrechen.