95:0 und 91:1 – die Nachrichten von zwei Erdrutsch-Siegen in Sierra Leones zweiter Liga verbreiteten sich weltweit. Aber noch viel spektakulärer sind die Kommentare der beteiligten Vereinsvertreter.
Bemerkenswerte Spielverläufe, außergewöhnliche Resultate und der Schiebung verdächtige Akteure oder Schiedsrichter sind in Sierra Leone nicht ganz selten. Die Versuchung scheint groß in einem der ärmsten und krisengeplagtesten Länder Afrikas. Selbst die Spieler der erstklassigen Premier League sind allenfalls Halbprofis, die kaum von ihren kümmerlichen Gehältern leben können. Auf der anderen Seite hat der strukturschwache nationale Verband SLFA nicht die Ressourcen, um die regelmäßigen Unregelmäßigkeiten gründlich zu untersuchen.
Doch bei zwei Partien vom vergangenen Wochenende wollen die Wettbewerbshüter der SLFA nun doch etwas genauer hinschauen, denn beide endeten fast dreistellig. Zufall? Eher nicht. Zwei Vereine der zweitklassigen „Eastern Regional Super 10 League“, der Gulf FC und die Kahunla Rangers, lagen vor dem letzten Spieltag der regulären Saison nach Punkten gleichauf. Man ahnte schon: Am Ende würde das Torverhältnis über einen Platz in den Aufstiegs-Playoffs entscheiden. Der Gulf FC siegte schließlich mit 91:1 gegen Koquima Lebanon. Zeitgleich feierten die Kahunla Rangers ein 95:0 gegen Lumbebu United.
Die Resultate muten noch viel kurioser an, wenn man die Halbzeitstände betrachtet. Die Kahunla Rangers hatten nach 45 Minuten nur mit 2:0 geführt. Da es aber im Parallel-Spiel des Gulf FC bereits 7:1 stand (woraufhin der Schiri sich weigerte, die 2. Halbzeit zu leiten; er musste durch einen Zuschauer ersetzt werden), beschloss man in Kahunla, noch eine Schippe drauf zu packen.
Eine Schippe was auch immer. Jedenfalls stand der Gegner Lumbebu United nach dem Seitenwechsel bereitwillig Spalier und ermöglichte den Kahunla Rangers noch 93 weitere Treffer – das sind mehr als zwei Tore pro Minute. Eine bemerkenswerte hohe Taktung. Vor allem, wenn man bedenkt, dass nach jedem Treffer zunächst ein zeitraubender Anstoß im Mittelkreis erfolgen muss.
Der nationale Verband von Sierra Leone reagierte ungewohnt brüsk: „Wir können nicht tatenlos zusehen und eine peinliche Geschichte wie diese ungestraft lassen“, sagt SLFA-Präsident Thomas Daddy Brima gegenüber der britischen BBC. „Wir werden sofort eine Untersuchung einleiten und alle Verantwortlichen für diesen Skandal zur Rechenschaft ziehen. Sämtliche für schuldig befundenen Personen werden gemäß den SLFA-Gesetzen behandelt und auch der Antikorruptions-Kommission des Landes übergeben.“
Die Verantwortlichen der beteiligten Vereine verstanden derweil die Aufregung nicht. Behaupteten sie zumindest. Mohammed Saeid Jalloh, der General Manager von Lumbebu United, dessen Schützlinge gerade 95 Stück kassiert hatten, beteuerte: Er habe „keine Spielmanipulation bemerkt“. Eric Kaitell, CEO der gegnerischen Kahunla Rangers, erklärte, er „verurteile unsportliches Verhalten auf das Schärfste“ – wollte dies jedoch als allgemeine Bemerkung verstanden wissen.