Vor dem Spiel gegen Deutschland zeigt sich der englische Fußball siegessicher. Auch wenn er an einer erheblichen Störung leidet.
Sollten Fußballspiele tatsächlich vor allem auch im Kopf entschieden werden, hat die englische Nationalmannschaft ein gehöriges Problem, genauer: eine „dissoziative Störung“.
Deren schwerste Form ist bekanntlich die „multiple Persönlichkeitsstörung“ und im Vorfeld des Spiels der „Three Lions“ gegen die deutsche Elf bestens zu studieren. Keinesfalls müsse die englische Mannschaft Angst haben vor diesen Deutschen. Sagen die Engländer. Und schon gar nicht spiele die Geschichte eine Rolle. Sagen die Engländer. Um dann doch wieder auf sie zu verweisen. Eine Geschichte, die beide Nationen seit dem WM-Finale 1966 viermal aufeinander treffen ließ bei großen Turnieren. Wobei der Sieger viermal Deutschland hieß. Und dann ist da ja noch die Sache mit dem Elfmeterschießen. Aber der Reihe nach.
Beginnen wir mit Jermaine Jenas, zwischen 2003 und 2009 immerhin 21-facher Nationalspieler Englands, der unlängst in der britischen „Daily Mail“ bekannte: „Die Angst vor Deutschland als Gegner existiert nicht mehr. Nicht für diese jungen Spieler.“ Deutschland, so Jenas, sei inkonstant und lange nicht so gut wie frühere Mannschaften, die auch an schlechten Tagen kaum zu schlagen waren.
Eine Stoßrichtung, an der offenbar auch der englische Nationaltrainer Gareth Southgate Gefallen finden würde, der im Vorfeld der Partie und über seine Mannschaft sagt: „Wir müssen das Spiel gegen Deutschland nicht entmystifizieren. Die Geschichte spielt keine Rolle für sie. Wir haben Jungs, die in den 2000ern geboren worden, was offensichtlich beängstigend ist, aber es ist die Realität.“
Klingt gut, ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn auch wenn „Southgate’s Eleven“ die großen Duelle der Vergangenheit nicht selbst erlebt haben, vor Augen geführt werden sie ihnen in einer Tour. „It’s still Germany“, titelt zum Beispiel die „Daily Mail“. Man dürfe Deutschland niemals abschreiben, „egal wie langsam Mats Hummels sei“, diktiert Ex-Nationalspieler Teddy Sheringham der „BBC“ ins Mikrofon. England-Legende Wayne Rooney bekundete derweil in der „Times“ seinen großen Respekt vor der Löw-Elf, vor allem auch „aufgrund der Geschichte“. Und Gareth Southgate? Lädt Popstar Ed Sheeran ins Mannschaftsquartier, auf dass er neben ein paar seiner eigenen Songs auch „Three Lions“ singt, jenen Gassenhauer aus dem Jahre 1996, der davon handelt, dass die Engländer zwar nie etwas gewinnen, aber auch deshalb niemals aufhören dürften, davon zu träumen.
Und wenn wir schon im Jahr 1996 sind, dann jetzt doch auch beim größten Thema rund um England vs. Deutschland: dem Elfmeterschießen. „Kein anderes Land befasst sich so sehr mit etwas, das so unwahrscheinlich ist“, heißt es dazu in der „Daily Mail“, die dem Thema dann auch gleich jeden zweiten Artikel widmet. So erfährt die Öffentlichkeit, dass Torhüter Jordan Pickford gut und gern einer der fünf ersten Schützen sein könnte. Was als ausnehmend positives Zeichen bewertet wird. Und weiterhin, dass Innenverteidiger John Stones in seinem ersten Spiel für den FC Everton und im zarten Alter von 19 Jahren gleich mal einen Elfmeter als Panenka versenkte und zwar gegen Juventus Turin. Was ebenfalls als ausnehmend positives Zeichen bewertet wird. Auch wenn es ein Freundschaftsspiel war.