Gehören Schiedsrichter der Fußball-Bundesliga zur Wettmafia? Eine Studie will Anzeichen dafür erkannt haben. Der DFB zaudert in seiner Stellungnahme. Warum?
In einer sogenannten Regressionsanalyse haben die Wissenschaftler drei Schiedsrichter identifiziert, bei deren Einsatz ungewöhnlich hohe Beträge auf Über-/unter-Wetten platziert wurden. Regressionsanalysen, das klingt unheimlich wichtig. Regressionanalysen werden oft verwendet, um in Datensätzen fehlende Daten zu ermitteln. Zum Beispiel, um den Einfluss von Schiedsrichtern auf geschossene Tore zu ermitteln. Nur: Für stimmige Ergebnisse muss die Modellgleichung mit der Realität übereinstimmen. Andernfalls ist es eine mathematische Fingerübung ohne Aussagekraft.
So aktuell wie Robert Hoyzer
„Als wir die Studie vor zwei Wochen analysiert haben, waren wir fassungslos“, erklärt Andreas Krannich, Mitglied der Geschäftsführung von „sportradar“, das die Spiele für den DFB auf Manipulation seit Jahren überprüft. Er hält Annahmen und Aussagen des Arbeitspapiers für falsch. Natürlich geriet seine eigene Arbeit, die bisher nie einen Manipulationsverdacht auf Bundesligaspiele äußerte, durch die Veröffentlichung der Studie in die Kritik. Im Interview mit 11FREUNDE vor einem Jahr hatte er dargestellt, welche Faktoren heute für einen Wettbetrug benötigt werden, wie perfide die Betrüger vorgehen und mit welcher Technik sein Unternehmen arbeitet.
Jetzt macht er auf die zahlreichen Fehler in der Arbeit der Wissenschaftler aufmerksam. Vor allem die Quotenänderungen während der Spiele würden nicht berücksichtigt. Dies sei jedoch ein wichtiges Indiz für Manipulationen. Außerdem würden nur Wetten vor Anpfiff berücksichtigt, die heute nur noch 20 Prozent des gesamten Wetteinsatzes ausmachen würden. „Führend war dieser Wettzeitpunkt zuletzt, als Robert Hoyzer noch gepfiffen hat“, so Krannich. Außerdem werde keine Unterscheidung der Wetten vor und nach Bekanntgabe des Schiedsrichters getroffen. Nur dann könnte auch ein Rückschluss auf die Einbeziehung der Referees getroffen werden. „Schlussendlich sind so viele wichtige Faktoren nicht berücksichtigt worden, dass die Aussage der Studie irreführend und falsch ist – und die Schiedsrichter der Bundesliga ohne Grund unter Generalverdacht stellt.“
Kein unübliches Verhalten erkennbar
Hinzu kommt, dass mit betfair.com ein Anbieter ausgewählt wurde, der bereits seit 2012 aufgrund zu geringer Umsätze für den deutschen Markt gesperrt ist. Und der sich auf sogenannte Lay- und Back-Wetten spezialisiert hat. Anders als in üblichen Wettbüros werden hier Wetten gegeneinander gestellt. Eine Person tippt auf ein Ereignis, eine andere Person wettet dagegen. Winner takes it all – abgesehen von einem prozentualen Anteil für den Buchmacher. Umsätze lassen sich deshalb nicht benennen.
Professor Christian Deutscher, der an der Studie beteiligt war, betonte: „Der Rückschluss ist nicht möglich, dass man sagt, das ist definitiv Wettbetrug oder Wettbetrug würde hier vorliegen. Aber man beobachtet statistische Eigenschaften, die man auch erwarten würde, falls es Wettbetrug gäbe.“ Im Fazit seiner Arbeit schreiben er und sein Team: „Die durchschnittliche Neigung dieser Schiedsrichter (gemeint sind die drei Beschuldigten, d. Red.) gelbe und rote Karten zu zücken oder auf Elfmeter zu entscheiden, erschien nicht anders als bei den anderen Schiedsrichtern und deutete kein unübliches Verhalten dieser Schiedsrichter auf.“ Für weitere Rückfragen unserer Redaktion stand Professor Deutscher leider nicht zur Verfügung.
Die Taktik des DFB
Die Bewertung der wissenschaftlichen Arbeit scheint bis hierhin eindeutig. Fraglich bleibt, warum der DFB nicht deutlicher Stellung bezieht. Vielleicht, weil man den Vorwürfen intensiv nachgehen will. Vielleicht, weil der DFB auf dem falschen Fuß erwischt wurde. Oder vielleicht, weil der Verband dieser Arbeit nicht mehr Beachtung schenken will, als sie es verdient hätte.