Aufgrund einer Transfersperre muss der FC Chelsea auf die eigene Jugend setzen. Und mit Blick auf die neugewonnene Identität lässt sich schon jetzt sagen: Endlich.
Für talentierte Nachwuchsspieler war während dieser erfolgreichen Ära kein Platz. Schon gar nicht unter diesen Trainern, denn José Mourinho und seine zehn Nachfolger seit 2004 konnten es sich unter dem hohen Erfolgsdruck schlichtweg nicht leisten, wichtige Punkte durch Stellungsfehler oder Leichtsinnigkeiten unerfahrener Newcomer zu riskieren. Das hätte sie immerhin ihren Job kosten können, zumindest früher als es unweigerlich ohnehin geschehen wäre.
„Die Spieler müssen bereit sein“, sagte Mourinho 2015 während seiner zweiten Amtszeit an der Stamford Bridge gegenüber dem Guardian, „das ist kein Klub, bei dem eine durchschnittliche Leistung, ein durchschnittliches Ergebnis oder ein Platz fünf bis sieben akzeptiert wird. Das ist nicht die beste Umgebung, um einen jungen Spieler zu entwickeln.“
Eigens verpflichtete Perspektivspieler, wie Mohamed Salah oder Kevin De Bruyne, entwickelten sich daher an anderer Ort und Stelle zu Leistungsträgern, ja sogar zu Weltklassespielern. Chelseas eigene Jugend wurde indes komplett vernachlässigt. Talente wurden entweder in der Zweigstelle Vitesse Arnheim geparkt oder anderweitig verliehen. Die wenigen, die in der ersten Mannschaft mal zum Einsatz kamen, wurden zumeist irgendwann abgeschoben.
Folgenschwere Transfersperre
Diese Herangehensweise wird sich nun grundlegend ändern – gezwungenermaßen. Aufgrund der Missachtung von Regularien bei der Verpflichtung Minderjähriger – die Ironie ist nicht zu übersehen – wurde den Blues 2019 von der FIFA eine Transfersperre von einem Jahr auferlegt. Das bedeutet: Keine kostspieligen Transfers, weder im vergangenen Sommer noch kommenden Winter.
Die Sperre kam zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Der Kader der Blues gehörte 2018/19 zu den ältesten der Liga, ein Umbruch war unausweichlich. Ganz nebenbei hatte sich der wohl beste Chelsea-Spieler der letzten sieben Jahre, Eden Hazard, von Zinedine Zidane erfolgreich den Kopf verdrehen lassen und wechselte deshalb zu Real Madrid.
Bis auf Real-Leihgabe Mateo Kovačić, der noch fest verpflichtet werden durfte, und Christian Pulisic, der schon im Januar von Borussia Dortmund losgeeist worden war, konnten die Blues personell nicht nachlegen.
Glückliche Fügung
Diesen Sommer stand Chelsea also vor der heiklen Aufgabe, junge Spieler integrieren zu müssen und dabei den erfolgsverwöhnten Fans an der Stamford Bridge eine unvermeidbare Übergangsphase schmackhaft zu machen. Dafür benötigte es einen Trainer, der nicht nur den erforderlichen Kredit bei den Anhängern erhalten würde, sondern auch einen Draht zur Jugend hatte.
Der kettenrauchende Exzentriker Maurizio Sarri hatte weder noch. Klub-Ikone „Super Frank“ Lampard hatte dagegen beides. Der 41-Jährige absolvierte für Chelsea über 600 Pflichtspiele, gewann drei Mal die Premier League sowie einmal die Champions League und ist einer der beliebtesten Spieler der Vereinsgeschichte. Wie es der Zufall so wollte, hatte Lampard ein Jahr zuvor in der zweiten Liga seine ersten Trainererfahrungen bei Derby County gesammelt und setzte dabei vor allem auf eines: Die Jugend. Laut Statistikdienst Opta gab es in den ersten beiden Ligen Englands vergangene Saison keinen Trainer, der Spielern unter 21 Jahren mehr Einsatzminuten aushändigte.