Mit der Bestätigung des Grundlagenvertrags hat der DFB ein klares Zeichen für seine Amateure verpasst. Doch der Verband verzichtet nicht nur auf viel Geld aus der Bundesliga, sondern könnte schon bald aus dem Ausland zur Kasse gebeten werden.
Der Grundlagenvertrag zwischen dem DFB und DFL sieht vor, dass beide Parteien ihren Partner finanziell an Einkünften beteiligen. So soll die DFL drei Prozent der TV- und Ticketeinnahmen an den Gesamtverband zahlen. Im Gegenzug erhält die DFL zwischen 15 und 30 Prozent der Einkünfte durch die Nationalmannschaft, denn ein Großteil der Spieler und somit auch der Gesichter für Werbe- und Ticketeinnahmen sind Spieler der Bundesliga. Der Vertrag wurde auf dem DFB-Bundestag einstimmig bestätigt. Trotz lauter Kritik aus dem Lager der Amateure. Und Berechnungen, die zeigen, dass Deutschlands Fußballverband wohl freiwillig auf viel Geld verzichtet.
Falsche Berechnungsgrößen
Denn Grundlage des Vertrags ist ein Solidarprinzip, das durch einen Zusatzvertrag längst ausgehebelt wurde. Demnach werden die zu berechnenden Einkünfte gedeckelt. Im Fall der DFL heißt das konkret: Obwohl in den kommenden fünf Jahren ein TV-Deal über 1,16 Milliarden Euro abgeschlossen wurde und weitere Einkünfte hinzukommen, werden nur Einkünfte bis 886,66 Millionen berechnet. Eine Zahl, die seit acht Jahren nicht mehr aktualisiert wurde. „Zeit Online“ berechnete deshalb alle realen Summen und schätzte die gesamten, tatsächlichen Einkünfte auf 1,8 Milliarden Euro.
Andersrum nahm der DFB im Jahr der Europameisterschaft, also einem Jahr mit gesteigertem Interesse an der Nationalmannschaft, laut Jahresbericht 85,88 Millionen ein. Das Einkommen des DFB wird im Vertrag mit 80 Millionen Euro gedeckelt. Ein eher realistischer Wert, der aber ebenfalls seit 2009 nicht mehr angepasst wurde. 25 Prozent, nämlich 20 Millionen Euro, tritt der Verband deshalb jährlich an die DFL ab.
Eine Milliarde unterm Tisch
Kurzgefasst: Während der DFB faire Abgaben an die DFL zahlt, darf die Deutsche Fußball-Liga Zusatzeinnahmen von 1 Milliarde Euro unter den Tisch fallen lassen. Eine Milliarde Euro. Die vereinbarten drei Prozent würden andernfalls einer Beteiligung von 54 Millionen Euro für den DFB entsprechen, die aber nur 26 Millionen Euro erhalten und somit auf die Hälfte verzichten. Freiwillig. Warum?
Bereits zu Beginn des DFB-Bundestags hatte DFL-Präsident Reinhard Rauball erklärt: „Wir haben niemanden hinters Licht geführt“. Und mahnte daraufhin: „Es wäre gut gewesen, wenn nicht den Lautesten und Randalsten das Feld so lange überlassen worden wäre.“ Gemeint war u.a. Engelbert Kupka aus Unterhaching, der mit einem ausführlichen Antrag an die Ethikkommission des DFB auf die Problematik des Grundlagenvertrags aufmerksam gemacht hatte. Nein, die „selbsternannten Retter des Amateurfußballs“, wie DFB-Vize-Präsident Rainer Koch es nannte, hätten nicht Recht. Die beiden Verbände, also DFB und DFL, seien gar „haltloser Polemik und unrichtiger Sachdarstellung“ ausgesetzt.
Zum Vergleich: Der Bau der prestigeträchtigen DFB-Akademie soll 150 Millionen kosten. Da müsste der DFB eigentlich ein gesteigertes Interesse an der Eintreibung von Summen haben, die ihm laut eigentlichem Vertragswerk zustehen. Allein mit den von „Zeit Online“ berechneten Zahlungen durch die DFL ließe sich innerhalb der fünf Vertragsjahre ein Großteil dieses Jahrhundertbaus finanzieren. Doch alle 259 Delegierten entschieden einstimmig für den ausgearbeiteten Grundlagenvertrag. Warum?
Osnabrügge: Die Zahlenspiele sind falsch
Eine Woche später nimmt sich DFB-Schatzmeister Dr. Stephan Osnabrügge Zeit für Nachfragen. Ob der DFB tatsächlich auf 26 Millionen Euro verzichte? „Nein“, sagt Osnabrügge, die in den Medien aufgeworfenen Zahlenspiele seien beiderseits falsch. Und nein, die Einstimmigkeit auf dem Bundestag habe ihn auch nicht verwundert. Auf den vorangegangen Regionalkonferenzen hätte der DFB schließlich ausführlich Rede und Antwort gestanden, alle Zweifel beiseite geräumt. „Ein Bundestag bietet sich nicht unbedingt für kontroverse Diskussionen an. Dafür ist ein solches Gremium einfach zu groß. Aber auf jeder einzelnen Regionalkonferenz gab es Diskussionen und Nachfragen.“ Mit einem eindeutigen Ergebnis: „Wir hatten nicht den Eindruck, dass jemand danach noch dachte, dass der Grundlagenvertrag ein schlechtes Geschäft für uns sei.“
Besser gesagt: Für den DFB gab es gar kein besseres Geschäft.
Schon auf dem Bundestag wurde gemutmaßt, dass die Fußball-Liga im Vorfeld nicht bereit war, ihren Deckel und damit die Zahlungen an den DFB anzuheben. „Beim Grundlagenvertrag haben sich Kaufleute gegenübergesessen und gegenseitig bewertet, welchen Wert ihre Leistungen haben“, erklärt Schatzmeister Osnabrügge. Ein besserer Deal war deshalb also für die Kaufleute vom DFB nicht möglich.
Ernsthaft diskutieren wollte das verhandelte Paket auch niemand, als 2016 der ehemalige Schatzmeister Reinhard Grindel zum DFB-Präsidenten aufstieg und Dr. Stephan Osnabrügge sein Nachfolger wurde. Auf dem DFB-Bundestag war zu hören, dass die DFL vor einem Jahr deutlich gemacht hatte, dass an diesem Paket nichts nachzuverhandeln sei. „Die Ergebnisse bevorteilen oder benachteiligen niemanden, weder DFB noch DFL“, sagt Osnabrügge, „sie sind das Ergebnis einer kaufmännischen Verhandlung.“ Immerhin 2,5 Millionen Euro zahlt die DFL nun jährlich an konkrete Amateurfußball-Projekte.
Doch im Grunde führt sich der Grundlagenvertrag damit ad absurdum.
Deutlich wird das auch, wenn man überlegt, wofür überhaupt bezahlt wird. Der DFB zahlt 20 Millionen Euro, um mit DFL-Spielern zu werben. Eine Abstellungsverpflichtung wird davon nicht bezahlt, denn sie ist, wie der Name schon sagt, eine Pflicht. Eine Pflicht, der auch andere Klubs in Europa nachkommen. Nur, wenn mit Mesut Özil (Arsenal), Toni Kroos (Real Madrid), Sami Khedira (Juventus Turin), Kevin Trapp (Paris SG) oder einem der vielen anderen Legionäre geworben wird, zahlt der DFB keine Gelder an ausländische Ligen. Sollte das eine dieser Ligen einmal bemerken, und ebenfalls Zahlungen fordern, könnte das erdrutschartige Folgen für den DFB und seinen Haushalt nach sich ziehen.
Die wahren Amateure
Außer der DFB verzichtet auf seine Legionäre bei Vermarktungszwecken. Denn: „Wir vermarkten die Nationalmannschaft, die aber erst durch die Spieler, mit denen wir werben, attraktiv wird“, sagt Osnabrügge, „Nur so erlösen wir die Summen, die es uns möglich machen, all die ideellen Dinge für unsere Landesverbände zu machen.“ Dafür zahlt der DFB an die DFL. Besser gesagt, an die Vereine der 1. und 2. Bundesliga, die ihre Spieler für Werbezwecke abstellen. Nur: Die Vereine der Premier League, La Liga und Serie A sollten davon besser nichts wissen. Ansonsten könnte der Grundlagenvertrag für den DFB und seine Marketingideen noch teuer werden – unberechenbar zulasten aller Amateurvereine.
259 Delegierte schaufelten auf dem DFB-Bundestag einstimmig dieses mögliche Millionengrab für den deutschen Fußball. Oder wie Reinhard Grindel nach der Abstimmung triumphierend sagte: „Die wahren Amateure haben entschieden“. Ein Satz, den man sich auf der Zunge zergehen lassen kann – wenn man möchte.