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Eigent­lich schien alles ganz logisch und fol­ge­richtig. Oliver Glasner hatte wild ges­ti­ku­lie­rend und laut­hals schreiend seine Coa­ching Zone ver­lassen. Ein klarer Regel­ver­stoß!

Zuerst brüllte er auf den Lini­en­richter ein, dann auf die geg­ne­ri­sche Bank, schließ­lich in Rich­tung einer Gruppe Heim­fans, die das Zweit­liga-Spiel zwi­schen dem SV Horn und LASK Linz (1:4) auf der Tri­büne ver­folgten. Letzt­lich wurde den Unpar­tei­ischen das Treiben zu bunt, Schieds­richter Chris­to­pher Jäger eilte herbei und schickte den Linzer Trainer auf die Tri­büne.

Völlig unge­nierte Dis­kri­mi­nie­rung

Womit wir beim Thema Fin­ger­spit­zen­ge­fühl“ wären — und auch beim Thema Zivil­cou­rage“. Denn viel­leicht hätte der Referee den ver­meint­li­chen Übel­täter nach dem Grund für seinen Aus­raster in der 84. Spiel­mi­nute (beim Stand von 3:1 für die eigene Mann­schaft) fragen sollen.

Glas­ners Wut­aus­bruch galt einem hinter ihm sit­zenden Fan“ des SV Horn. Dieser hatte aus einer Gruppe von Zuschauern heraus völlig unge­niert und leider auch unge­hin­dert zwei dun­kel­häu­tige Spieler aus Linz massiv dis­kri­mi­niert: den Kon­go­lesen Dimitry Imbongo und den Bra­si­lianer Fabiano.

Die Siche­rungen durch­ge­brannt

Das ist das Regel­werk. Für das Ver­lassen der Coa­ching Zone muss man halt auf die Tri­büne“, erklärte der ver­bannte Glasner hin­terher teils ver­ständ­nis­voll, teils ent­täuscht. Denn eigent­lich hatte er mit seinem Pro­test genau das ein­ge­for­dert, was der Welt­ver­band FIFA, die UEFA und auch die öster­rei­chi­schen Fuß­ball-Insti­tu­tionen so gern und so pla­kativ pro­pa­gieren: Respect! Und: No To Racism! 

Solche Wort­hülsen waren dem Pöbler aus Horn offenbar wurscht! Er hat zuerst Imbongo bei dessen Aus­wechs­lung ras­sis­tisch belei­digt und dann auch noch den Fabiano zutiefst beschimpft“, berichtet Glasner. Da sind mir eben die Siche­rungen durch­ge­brannt, da wollte ich meine Spieler schützen.“

Was dann folgte, schil­dert der 42-Jäh­rige so: Ich wollte eigent­lich nur zum Lini­en­richter und zur geg­ne­ri­schen Bank, um zu ver­an­lassen, dass ein Ordner kommt und den Herrn des Sta­dions ver­weist. Aber es war kein Ordner da, es war über­haupt nie­mand da.“ Bis auf den Schiri, doch der küm­merte sich nicht um den ras­sis­ti­schen Pöbler, son­dern ver­wies den Linzer Trainer mit großer Gagel­mann-Geste des Sta­dion-Innen­raums.

Ich hatte nur die Infor­ma­tion von meinem Assis­tenten erhalten, dass Herr Glasner seine Coa­ching Zone schreiend ver­lassen hat und er daher auf die Tri­büne ver­wiesen werden muss. Ich habe nicht mit­be­kommen, was dem Aus­schluss vor­aus­ge­gangen ist“, erklärte der Unpar­tei­ische nach dem Spiel etwas klein­laut.

Theo­re­tisch hätte zumin­dest der Assis­tent an der Sei­ten­linie die ras­sis­ti­schen Ent­glei­sungen hören können, denn: Der Pöbler hatte seinen Dreck nicht gerade im Flüs­terton abge­son­dert. Und: Das Sta­dion in Horn ist kein tobender Hexen­kessel. Kaum mehr als 1.000 Zuschauer ver­loren sich bei dem Spiel, zum Zeit­punkt des Vor­falls hatten viele bereits ent­täuscht den Heimweg ange­treten.

Kein Raus­wurf, keine Durch­sage

Theo­re­tisch also hätte Schiri Jäger die Beschimp­fungen mit­be­kommen und den Raus­wurf des Ras­sisten ver­fügen können. Zumin­dest aber hätte er den Sta­di­on­spre­cher auf­for­dern können, per Durch­sage darauf hin­zu­weisen, dass Dis­kri­mi­nie­rung im Fuß­ball nichts zu suchen hat. All das unter­blieb. Leider.

Zum Glück aber gibt es im Fuß­ball noch Typen wie Oliver Glasner. Schon als Spieler bei der SV Ried und später als Co-Trainer in Salz­burg war dieser für seine Mei­nungs­freu­dig­keit und unkon­ven­tio­nellen Maß­nahmen bekannt.

Kein Kind von Trau­rig­keit

Glasner beschaffte sich die Tele­fon­num­mern von Jour­na­listen und blies ihnen – höf­lich, aber bestimmt – den Marsch, wenn sie seiner Ansicht nach falsch berichtet oder ihn zu Unrecht kri­ti­siert hatten. Auch der Ver­fasser dieses Textes erhielt vor einigen Jahren einen sol­chen Anruf des frü­heren Ver­tei­di­gers. 

Glasner, der erst mit 36 wegen einer im Zwei­kampf erlit­tenen Hirn­blu­tung seine Pro­fi­kar­riere been­dete, ist selbst kein Kind von Trau­rig­keit. Er betont aus­drück­lich, dass ihn Belei­di­gungen im rauen Fuß­ball-Alltag nicht schre­cken können. Der Zuschauer in Horn hätte sein Team schon das ganze Spiel über beschimpft. Das müssen wir aus­halten“, so Glasner. Nur: Bei Ras­sismus sehe ich Rot. So etwas hat im Sta­dion nichts zu suchen.“

Immerhin: Einige der Tri­bü­nen­gäste in Horn applau­dierten Glasner nach seiner Ver­ban­nung, andere nickten ihm aner­ken­nend zu. Der so genannte Straf­senat des öster­rei­chi­schen Profi-Fuß­balls sah sich den­noch im Dilemma.

Denn Schiri Jäger musste Glas­ners Raus­wurf im Spiel­be­richt ver­merken. Dem Coach drohte also eine Strafe wegen Zivil­cou­rage. Wenn ich jetzt zahlen muss, will ich meine Spieler vor ras­sis­ti­schen Belei­di­gungen schütze, dann werd ich das sehr gerne bezahlen“, erklärte Glasner tapfer.

Ein wich­tiges Signal 

Doch alles andere als der drei Tage später ergan­gene Frei­spruch durch das Sport­ge­richt kam in Wahr­heit nie infrage. Mit der Begrün­dung aller­dings tat sich der Straf­senat schwer (es gab keine) – denn die Sta­tuten sehen nach Tat­sa­chen-Ent­schei­dungen der Schiris wenigs­tens die Min­dest­strafe vor

Mit seinem mutigen Auf­treten sandte Glasner in Öster­reich auch ein wich­tiges poli­ti­sches Signal aus. Denn am 4. Dezember wird der Bun­des­prä­si­dent der Alpen­re­pu­blik gekürt. Bei dem Stich­wahl­gang treten ein Kan­didat der Grünen (Alex­ander van der Bellen) und ein Kan­didat der rechts­po­pu­lis­ti­schen FPÖ (Nor­bert Hofer) gegen­ein­ander an.

Klare Kante gegen Ras­sismus

Viele Öster­rei­cher sehen den Urnen­gang als Abstim­mung für oder gegen ein welt­of­fenes Land und denken mit Schre­cken an das Jahr 2000 zurück, als die Rechts­po­pu­listen plötz­lich in der Regie­rung saßen. Öster­reich wurde dar­aufhin inter­na­tional geächtet.

Auch der SV Horn zeigt der­weil klare Kante gegen Ras­sismus und Dis­kri­mi­nie­rung. Auf seiner Home­page erklärte der Klub, bei dem der japa­ni­sche Natio­nal­spieler Kei­suke Honda (AC Mai­land) als Investor ein­ge­stiegen ist: Wir ver­ur­teilen das Ver­halten einiger Sta­di­on­be­su­cher, die wir nicht unsere Fans nennen können, aufs Schärfste und distan­zieren uns klar und deut­lich von jeg­li­cher Form von Ras­sismus! Der SV Horn hat bereits damit begonnen, die ver­ant­wort­li­chen Per­sonen zu ermit­teln und wird mit aller gebo­tenen Kon­se­quenz gegen diese vor­gehen.“

Schließ­lich wandten sich die Horner in ihrem State­ment auch noch dem Linzer Trainer zu und wür­digten sein Ein­treten für das Fair­play: Dafür gebührt ihm Respekt.“ Und so ist aus einem unap­pe­tit­li­chen Vor­fall doch noch eine schöne Geschichte geworden.