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Ein reg­ne­ri­scher Tag in der Peri­pherie von Mön­chen­glad­bach. Auf der Ver­kehrs­insel steht eine kleine Kapelle. Das chi­ne­si­sche Restau­rant an der Ecke scheint seit Jahr­zehnten geschlossen zu sein. Der Triple-Coach lebt hier in einer 150-Seelen-Gemeinde irgendwo im Nir­gendwo zwi­schen den Fel­dern. Jeder im Dorf weiß, wer dort jen­seits des guss­ei­sernen Tores in dem weit­läu­figen Anwesen wohnt. Als Heyn­ckes die sieg­reiche Bayern-Elf im Juni 2013 zu sich einlud, soll Bas­tian Schwein­steiger beim Betreten des Hauses gesagt haben: Trainer, Sie leben ja wie ein Film­star in Hol­ly­wood“.
 
Damals hatte Ster­ne­koch Alfons Schuh­beck im Garten ein rie­siges Zelt auf­ge­baut, wo er seine kuli­na­ri­schen Köst­lich­keiten für die frisch­ge­ba­ckenen Cham­pions-League-Sieger auf­tischte. Einen Tag zuvor, erzählt Jupp Heyn­ckes, waren die Glad­ba­cher Fohlen bei ihm gewesen. Zwei Tage, zwei Gene­ra­tionen großer deut­scher Fuß­ball­ge­schichte. Erst Günter Netzer, Rainer Bonhof und Hacki Wimmer, kurz darauf Toni Kroos, Thomas Müller und Franck Ribéry schlen­derten also durch den rie­sigen Garten mit dem pit­to­resken Teich, plau­derten auf den urigen Holz­bänken und tranken Bier.
 
Keine Angst, der will nur spielen“
 
Von diesem Trubel ist nichts zu spüren, als wir in den Hof fahren. Es ist ein kühler Win­ter­montag im Februar 2015. Die Wolken hängen tief über dem Nie­der­rhein. Nur Cando, der gut­ge­launte Schä­fer­hund, sorgt bei unserer Ankunft für ein wenig Stim­mung, als er aus dem ver­glasten Anbau des schi­cken Land­hauses bel­lend auf das Auto zuge­laufen kommt. Es ist bekannt, dass der Vier­beiner seit vielen Jahren ein enger Freund von Heyn­ckes ist. Der eme­ri­tierte Coach folgt dem Hund in Jeans und grau­ka­riertem Hemd und ruft zu: Keine Angst, der will nur spielen.“
 
Schnell ist klar, nicht nur der Fuß­ball-Lehrer, auch sein Vier­beiner sind sym­pa­thi­sche Zeit­ge­nossen. Im Büro des Trai­ners sitzt der Besu­cher in geschmack­vollen Leder­ses­seln. Ter­ra­cot­taf­liesen sorgen trotz der Kälte draußen für ein ange­nehm warmes Wohn­ge­fühl. Ein Apple-Rechner steht auf der penibel auf­ge­räumten Glas­platte des Schreib­ti­sches. An der Wand ein schmaler Holz­schrank mit Glas­fens­tern, hinter denen neben dem Gol­denen Schuh, den Minia­turen der großen Pokale, die er gewonnen hat, auch die 11FREUNDE-Aus­zeich­nung zum Trainer des Jahres 2013“ zu erkennen ist.
 
Die Tor­jä­ger­ka­none hat einen Ehren­platz hin­term Schreib­tisch, wohl auch des­halb, weil das unför­mige Teil ein biss­chen zu kantig für den Schrein gewesen wäre. Im Rücken von Heyn­ckes steht die Bayern-Chronik, ein Buch so groß wie ein Kaf­fee­tisch im edlen Holz­ein­band und mit auf­ge­setzter Gold­schrift: Danke Jupp“. Die Medaillen für die Cham­pions League Siege 1998 und 2013 hängen wie ent­kno­tete Kra­watten lässig am Schlüssel eines Eichen­schranks. Hat meine Frau dahin gehängt,“ sagt der Meister. Das Haus wirkt nicht wie das Heim eines Pro­fi­sport­lers, eher wie das Domizil eines Lite­raten, eines Den­kers. Wie es sich hier nachts wohl anfühlt, wenn der Nebel über die Felder kriecht und das Anwesen wie Zucker­watte in die Kulisse für einen Edgar-Wal­lace-Film kara­mel­li­siert?
 
Erin­ne­rungen an das Finale von 1977
 
Es gibt nur wenige, die über den Euro­pa­pokal der Lan­des­meister mehr zu erzählen hätten. Jupp Heyn­ckes hat das Finale 1977 in Rom gegen den FC Liver­pool erlebt, als die Fohlen in ihrem Zenit standen. Bis heute denkt er mit Grausen daran, wie sorglos die Elf damals vier Tage zuvor den Gewinn des Meis­ter­ti­tels fei­erte und noch prak­tisch noch sie­ges­trunken in die ita­lie­ni­sche Haupt­stadt reiste: Sie können sich vor­stellen, wie unsere Vor­be­rei­tung auf das große Finale aus­fiel.“ Als er mit Real Madrid zwei Jahr­zehnte später, 1998, erst als Trainer den ersehnten Pokal in den Nacht­himmel von Ams­terdam stemmen konnte – und die König­li­chen das ersehnte La Sep­tima“ gewonnen hatten –, war sein Abschied bereits aus­ge­machte Sache. Zu unkom­for­tabel emp­fand er seine Rolle im Span­nungs­feld zwi­schen dem zer­strit­tenen Prä­si­dium und dem eli­tären Kader beim Welt­klub.