15 Rückrundenpunkte, blutleere Auftritte: Schalke schlittert gerade in eine handfeste Krise. Doch genau darin liegt eine Chance für den Verein, meint unser Autor Benjamin Kuhlhoff.
Jetzt soll es also der liebe Gott richten für den FC Schalke. Vor dem Endspurt in der Liga nisten sich die Königsblauen für ein Trainingslager in einem Luxusressort vor den Toren eines 800 Jahre alten Klosters ein. „Das wird keine Wohlfühloase. Wenn einer nicht mitmachen will, kann er sich gerne melden, dann braucht er nicht mitzufahren“, grantelte S04-Manager Horst Heldt nach der peinlichen 0:2‑Pleite gegen Mainz 05. Markige Worte eines Mannes, der wohl so langsam seine Felle davonschwimmen sieht.
Denn seit der Verpflichtung von Trainer Roberto Di Matteo hat sich die Mannschaft in erschreckender Weise entwickelt. Blutleer, emotionslos und mitunter grotesk eintönig – mit diesen Attributen lassen sich die Auftritte der Schalker in der Bundesliga-Rückrunde beschreiben. Nach dem Verpassen der Champions-League-Qualfikation scheint der Klub nun auf dem besten Weg, auch aus den Europa-League-Rängen zu rutschen. Was doppelt bitter wäre: Mit dem BVB steht der Erzrivale zum Rangtausch bereit. Nur zur Erinnerung, Schalke blickte zum Ende der Hinrunde sogar mit einem einem Auge auf die Vizemeisterschaft, Dortmund war Tabellenletzter. Schalkes Spielzeit droht nun endgültig zur finanziell und atmosphärischen Vollkatastrophe zu werden. Aber ist das wirklich so?
Der Super-GAU als Chance
Nein, aber Horst Heldt sollte die Zeit im Kloster nutzen, um in sich zu gehen. Und vielleicht wird er dann bemerken, dass im Super-GAU auch eine Chance für Schalke 04 liegt. Sollte der Klub die Qualifikation für den Europapokal verpassen, ist ein Umbruch im Kader ohnehin unausweichlich. Und genau den hat Schalke bitter nötig. Über die Jahre hat der Klub zwar jede Menge Spieler verpflichtet, die wenigsten haben der Mannschaft allerdings weitergeholfen. Als die Verletzungsseuche bei S04 in dieser Saison dann biblische Ausmaße annahm, geriet der Kader entgültig an seine Grenzen. Das muss Heldt sich ankreiden lassen.
Er sollte nicht den Fehler machen und zur neuen Saison auf dem Transfermarkt erneut nach dem Prinzip „Name vor Sinnhaftigkeit“ einkaufen. Er sollte vielmehr das Geld sparen, Mut beweisen und aus dem großen Fundus an talentierten Nachwuchsspielern aus den eigenen Reihen schöpfen, um ein Gerüst für eine Mannschaft zu schaffen, die sich in den kommenden Jahren entwickeln kann. Die finanziellen Einbußen aus dem Verpassen der Champions League könnten so zumindest ein wenig abgefedert werden. Und ohnehin sorgten die Sanés, Plattes und Meyers in dieser Saison allein für die wenigen Höhepunkte, die es gab.
Konzept vor Namen
Schalke braucht keinen Sami Khedira, sondern endlich eine übergeordnete Spielidee, die sich nicht an die Vorstellungen des aktuellen Cheftrainers ausrichtet – und damit ohnehin alle zwei Jahre runderneuert wird. Schalke braucht dringend wieder Fußball, der für Spieler und die Fans identitässtiftend wirkt. Denn derzeit taumelt der FC Schalke in Richtung sportlicher Bedeutungslosigkeit, zuletzt wendeten sich sogar die Fans von der Mannschaft ab. Dieses Schalke ist kein ernstzunehmender Spitzenklub mehr, sondern ein Chaosverein der alten Schule.
Wann, wenn nicht im Sturm, sollte der Klub also die Segel neu setzen und den Kurs korrigieren? Warum wird das Verpassen des Europapokals als Scheitern deklariert und nicht als Chance gesehen? Natürlich wäre das ein hartes Stück Arbeit und sicher im chronisch aufgeregten Schalker Umfeld nicht leicht zu moderieren sein. Aber sollte dem Klub der Mut für einen solchen Umbruch fehlen, hilft am Ende wahrscheinlich wirklich nur noch beten.