Am Wochenende kam es in Sofia zum Duell zwischen ZSKA und Lewski. Was klingt wie das größte Traditionsduell des Landes, ist längst eine halbe Mogelpackung. An der nicht zuletzt Hristo Stoitschkov beteiligt ist.
„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“. In Deutsch geschrieben prangt Friedrich Schillers Sinnspruch am Hauptportal des Nationalstadions Vasil Lewski in Bulgariens Hauptstadt Sofia. Wird in ihm Fußball gespielt, geht es zumeist ernsthaft zur Sache, wenn nicht auf dem Spielfeld, so gewiss auf den Rängen. Аm vergangenen Samstagnachmittag herrschte bereits Stunden vor dem Anpfiff um 16.30 Uhr Alarmstimmung.
Massive Polizeikräfte riegelten das Stadion weiträumig ab, aggressive Sprechchöre anmarschierender Ultras hallten durch die Straßen, immer wieder erschütterten Detonationen von Knallkörpern die Luft. Ein Fußballspiel stand bevor, wie es die bulgarische Hauptstadt noch nicht gesehen hatte. Aber um was für ein Spiel handelte es sich überhaupt; um das „Vetschnoto Derby“ (das Eherne oder Ewige Derby) der beiden traditionsreichsten bulgarischen Fußballvereine ZSKA und Lewski oder doch nur um eine Erstliga-Premiere zwischen dem derzeitigen Tabellenführer Lewski Sofia und dem zu ZSKA-Sofia mutierten Litex Lowetsch?
So wichtig wie Schalke-Dortmund oder Bayern-Gladbach
Der 5. Mai 1948 gilt als Gründungsdatum des Armeesportklubs ZSKA und der 9. September 2016 als Tag seiner Insolvenz. In den knapp sieben Jahrzehnten dazwischen hat er seinen Namen häufig gewechselt und ist mit einunddreißig Titeln zum Rekordmeister des Balkanlandes geworden und damit zum schärftsten Rivalen des bereits 1914 gegründeten Lewski Sofia.
Für Bulgariens Fußball haben die Begegnungen zwischen den roten Armisten und den blauen Lewskari eine Bedeutung wie für den deutschen das Revierderby zwischen dem BVB und Schalke oder die Spiele in den 1970er Jahren zwischen Bayern und Mönchengladbach. Mit zumeist schwachem Spiel auf dem Platz und irrwitziger Aggressivität auf den Rängen stand das ewige Derby in den vergangenen Jahren indes beispielhaft für den Niedergang des bulgarischen Fußballs. Bulgarien rangiert in der FIFA-Weltrangliste inzwischen auf Rang 74, noch vor Bolivien, aber hinter Guinea Bassau, Kap Verde und Benin.
Auf den Rängen herrscht Alarm — ganz im Gegensatz zum Geschehen auf dem Platz
Das 1:1 zwischen dem Heimrecht beanspruchenden ZSKA-Sofia und Lewski vom vergangenen Samstag reihte sich ein in die jüngere, ruhmlose Tradition. Von seinem spielerischen Niveau her wird das Match nicht in die bulgarischen Fußball-Annalen eingehen, sondern schnell in Vergessenheit geraten.
Beide Mannschaften rieben sich gegenseitig im Mittelfeld auf und erspielten sich kaum klare Torchancen. Wie so oft in den vergangenen Jahren stellten die beiden roten und blauen Fanblöcke mit aufwendigen Choreographien und exzessiver Pyrotechnik das Geschehen auf dem Platz in den Schatten. Aufgrund über den Platz ziehender Rauchschwaden war vom Spiel streckenweise gar nichts zu sehen.