Die Rückkehr von Robinho zum FC Santos wirkt auf den ersten Blick wie ein Traum für Fußball-Romantiker. Und auf den zweiten Blick wie ein Alptraum. Denn der Brasilianer flieht vor einer möglichen Haftstrafe wegen Vergewaltigung.
In Brasilien lieben die Menschen ihre Fußballer. Ganz besonders aber verehren sie Spieler wie Robinho. Leichtfüßig, dribbelstark und manchmal verspielt verkörperte der Stürmerstar aus der Jugend des FC Santos das fußballerische Ideal des Landes, in der die Schönheit des Spiels mindestens genauso wichtig ist wie das Ergebnis. Als Santos-Eigengewächs durfte natürlich auch der Vergleich mit dem größten aller Zeiten nicht fehlen: Pelé selbst ließ sich zu den Worten hinreißen, Robinho könne seine Erfolge noch übertreffen. Seine Karriere liest sich wie ein Märchen: Wie ließe sich so eine Geschichte noch ruinieren?
Sie lässt sich. Denn der immer strahlende Stürmerstar steckt mittlerweile in größeren Schwierigkeiten. Im Jahr 2013 sollen Robinho und fünf andere Männer in einer Diskothek in Mailand eine Frau zunächst betrunken gemacht und danach in der Garderobe vergewaltigt haben. Der heute 36-Jährige bestritt die Tat und erschien nicht einmal zu den Verhandlungen. Die italienischen Richter aber waren von der Schuld des Fußballers überzeugt. Neun Jahre Gefängnis und 60 000 Euro Entschädigung lautete das Urteil. Ein weiterer Täter bekam dieselbe Strafe, während vier andere nicht aufzufinden waren. Da die Anwälte des Fußballprofis direkt Einspruch einlegten, ist das Urteil noch immer nicht rechtskräftig.
In der Zwischenzeit ist der mittlerweile 36-Jährige viel herumgekommen und nun, vor wenigen Tagen, vom türkischen Erstligisten Istanbul Basaksehir zurück zum FC Santos gewechselt. Auf das Gehalt möchte er verzichten. „Ich werde für einen Mindestlohn spielen, aber das Wichtigste ist, hier zu sein“, sagte der Stürmerstar bei der Verkündung des Wechsel. Hinter dem, was so klingt wie das übliche Blabla, das Fußballprofis bei Transferverkündungen so von sich geben, steckt möglicherweise mehr. Denn die Rückkehr von Robinho nach Brasilien hat einen entscheidenden Vorteil: Es ist ein Land, das keine eigenen Staatsangehörigen an andere Länder ausliefert, auch nicht an Italien.
Sein Wechsel zurück zum alten Verein löst auch bei den eigenen Fans Kritik aus. „Kein Respekt für die Fans und das Frauen-Team“, lautet etwa einer der Kommentare unter dem Instagram-Post, in dem der Transfer verkündet wird. Doch der FC Santos hat finanzielle Probleme, erwartet laut Medienberichten eine Strafe der FIFA, weil man dem Hamburger SV nach drei Jahren noch drei Millionen Euro für den Spieler Cleber Reis schuldet. Dass sich Robinho anbot, quasi zum Mindestlohn zu spielen, kam dem Verein da wohl mehr als gelegen. Der Stürmerstar wiederum kann sich als barmherziger Retter in der Not präsentieren. „Der FC Santos durchlebt eine finanziell schwierige Zeit. Es ist also an der Zeit, etwas zu tun. Ich möchte dem Klub helfen, der mir immer alles gegeben hat“, erklärte er etwa bei der Vorstellung. Dass das der Grund für den Wechsel war, mag ihm bei der Hintergrundgeschichte wohl keiner so recht glauben.
Und auch finanziell scheint sich das Geschäft nicht auszuzahlen, wie es sich der dahingehend klamme FC Santos vorstellt. Die Kieferorthopädie-Kette Orthopride etwa ist ein wichtiger Sponsor für die Fußballvereine, neben Santos zieren die Logos von den brasilianischen Traditionsklubs Flamengo, Corinthians, Botafogo und Volta Redonda FC die Webseite des Unternehmens. „Wir sponsern den Sport, weil wir glauben, dass er den Menschen Freude bringt“, wirbt Orthopride darunter. Weniger Freude empfand Geschäftsführer Richard Adam, als er davon hörte, dass Sponsoring-Partner Santos einen mutmaßlichen Vergewaltiger in sein Team holte. „Wir haben von der Verpflichtung Robinhos erst Ende der Woche über Social Media und andere Kommunikationskanäle herausgefunden“, berichtete Adam.
Als Konsequenz beendete das Unternehmen umgehend die Zusammenarbeit mit Santos. „Unsere Kundschaft besteht zum Großteil aus Frauen und aus Respekt für die Frauen, die unsere Produkte nutzen, mussten wir diese Entscheidung treffen“, erklärte der Geschäftsführer.
„Es wird nicht der FC Santos sein, der Robinho vorzeitig verurteilt und ihn an der Ausübung seines Berufes hindert“, versuchte der Verein, den umstrittenen Neuzugang mit Mühe zu rechtfertigen. Doch mit dem Wegfall eines Sponsors könnten auch die Verantwortlichen ins Grübeln geraten. Und dann wäre das Märchen, das eigentlich nie eines war, endgültig zum Drama geworden.