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3. Liga

Die Rah­men­be­din­gungen für einen wun­der­baren Spät­som­mer­abend stimmten: Son­nen­strahlen im Sta­di­on­rund, eng­li­sche Woche, Top­spiel zwi­schen Saar­bü­cken und Mag­de­burg. Für alle, die es mit dem FCS hielten, ging es sogar traum­haft weiter: Saar­brü­cken setzte sich in einem inten­siven Duell mit 2:1 durch und schloss zur Dritt­li­ga­spitze auf. Ein­fach per­fekt. Nur redete anschlie­ßend nie­mand mehr über das Spiel­ge­schehen. Der Grund: Mag­de­burger Profis gaben an, wäh­rend der Partie wie­der­holt ras­sis­tisch belei­digt worden zu sein – und zwar von Saar­brü­ckens Dennis Erd­mann. Das war der Wahn­sinn, da kamen Sprüche wie Sag deinen Eltern, die sollen wieder zurück­pad­deln.’ Das N‑Wort hast du per­ma­nent gehört und immer war eine dre­ckige Lache dabei“, sagte Mag­de­burgs Amara Condé der Bild“.

Hef­tige Vor­würfe, die sogleich von einer Reihe FCM-Profis gestützt wurden. Dennis Erd­mann wollte davon hin­gegen nichts wissen und bestritt die Äuße­rungen vehe­ment. Über seinen Klub ließ er aus­richten: Ich habe ledig­lich gesagt, halte die Klappe und spiele weiter Fuß­ball. Der Schieds­richter stand direkt daneben.“ Viel größer kann sich die inhalt­liche Kluft zwi­schen zwei Berichten nicht dar­stellen – im Grunde ein bei­spiel­hafter Fall von Aus­sage gegen Aus­sage“. Schieds­richter Robert Kampka konnte jeden­falls nicht zur Auf­klä­rung bei­tragen. Der Unpar­tei­ische gab im Nach­gang an, nichts von etwa­igen ras­sis­ti­schen Belei­di­gungen mit­be­kommen zu haben. Da dem­zu­folge auch kein Ver­merk im Spiel­be­richts­bogen erfolgte, war das wei­tere Pro­ze­dere klar: Ver­hand­lung vor dem Sport­ge­richt.

Sie schenken den­je­nigen, die betroffen sind, mehr Glauben“

Uwe Koschinat

Noch bevor es zum Pro­zess kam, hatte der Fall bereits große Wellen geschlagen. Auch die Ver­ta­gung der Ver­hand­lung nach einer ersten Anhö­rung – inklu­sive vor­über­ge­hender Sperre Erd­manns – beru­higte die Gemüter nicht unbe­dingt. Die Vor­würfe beruhen auf teil­weise unter­schied­li­chen Aus­sagen von wenigen Gegen­spie­lern, die sich erst nach dem ver­lo­renen Spiel an die ver­meint­li­chen Aus­sagen erin­nert haben wollen. Dies sorgt für einen Bei­geschmack“, sagte etwa Erd­mann-Berater Lau­rent Bur­kart gegen­über liga3​-online​.de“. Das DFB-Sport­ge­richt sah das anders. Für die Richter ergaben die Aus­sagen der FCM-Profis ein derart schlüs­siges Bild, dass sie Erd­mann am Ende des zweiten Ver­hand­lungs­tages für acht Wochen aus dem Ver­kehr zogen und zudem eine Geld­buße in Höhe von 3.000 Euro ver­hängten. Eine def­tige und – bei Fest­stel­lung der Schuld – doch ange­mes­sene Strafe. Anschlie­ßend wurde es schmutzig. Plötz­lich tauchten Stimmen auf, die einen Kom­plott gegen Erd­mann ver­mu­teten. Der saar­län­di­sche Schieds­richter Kai-Uwe Kinne wollte als Zuschauer beim Mag­de­burger Abschluss­trai­ning sogar gehört haben, wie sich die Profis Atik und Condé ver­ab­redet hätten, um Erd­mann am Abend zu ver­letzen. Das sagte Kinne zumin­dest der Bild“.

Kaum ver­wun­der­lich also, dass es in eine wei­tere Runde ging. Erd­mann, der nach wie vor seine Unschuld beteu­erte, legte Mitte Sep­tember Beru­fung gegen das Urteil ein. Zu diesem Zeit­punkt hatte der Fall die nächste Dimen­sion bereits erreicht: Plötz­lich ging es nicht mehr nur um die Frage, welche Sätze tat­säch­lich gefallen waren, son­dern auch darum, ob an Erd­mann womög­lich ein Exempel sta­tu­iert werden solle. Erd­mann und der 1. FC Saar­brü­cken wit­terten große, wenn nicht struk­tu­relle Unge­rech­tig­keiten. So sagte FCS-Trainer Uwe Koschinat der Bild“, die Vor­würfe seien in keiner Form bewiesen, aber sie schenken den­je­nigen, die betroffen sind, mehr Glauben.“

Erd­manns Aus­sagen haben Geständ­nis­funk­tion“

Umso über­ra­schender, was am letzten Mitt­woch, dem Tag der Beru­fungs­ver­hand­lung, geschah. Erd­mann, der sich bis zu diesem 13. Oktober als Opfer einer regel­rechten Ver­leum­dungs­kam­pagne gesehen hatte, ließ über seinen Anwalt aus­richten, dass es ange­sichts des hek­ti­schen Spiel­ge­sche­hens zu Miss­ver­ständ­nissen“ gekommen sein könnte. Wenn das der Fall gewesen sei, tue es ihm leid. Die Beru­fung bezog sich damit nicht mehr auf die Belei­di­gungen als Tat­be­stand, son­dern nur noch auf die aus­ge­spro­chene Strafe. Erd­mann wollte das neue State­ment zwar nicht als Geständnis ver­standen wissen, im juris­ti­schen Sinne ist es das jedoch.

Achim Späth, Vor­sit­zender Richter des DFB-Bun­des­ge­richts, bestä­tigte das und sprach von einer Geständ­nis­funk­tion“. Somit durften die erneut gela­denen Zeugen wieder abreisen. Ganz im Sinne Erd­manns: Er habe den Kol­legen nun mal keinen unnö­tigen Auf­wand bescheren wollen. Letzt­lich ging die frisch ent­wor­fene Taktik des Ange­klagten auf. Die aus­ste­hende Strafe von zwei Spielen Sperre wurde bis Sai­son­ende zur Bewäh­rung aus­ge­setzt. Erd­mann darf ab sofort wieder spielen und muss auch keine 3.000 Euro berappen. Ich bin froh, dass es vorbei ist“, sagte er der Saar­brü­cker Zei­tung“. Und: Ich habe nicht gesagt, was mir da vor­ge­worfen wurde.“

Was also bleibt von der ganzen Sache? Vor allem Ver­lierer. Da ist zum einen Erd­mann selbst, der sich erst grob unge­recht behan­delt fühlte und ent­spre­chend ver­tei­digte, um urplötz­lich ganz andere Töne anzu­schlagen – für zwei Spiele Sperre weniger. Nicht zuletzt war es um Erd­manns Ruf gegangen, dessen Wie­der­her­stel­lung ein (Pseudo-)Geständnis nicht gerade garan­tiert. Und zum anderen sind da die Bemü­hungen gegen den Ras­sismus. Dass einem mög­li­chen Miss­ver­ständnis eine Geständ­nis­funk­tion zuge­wiesen wird, ist aus juris­ti­scher Per­spek­tive nach­zu­voll­ziehen. Aller­dings drängen Redu­zie­rung der Strafe sowie zuge­hö­rige Begrün­dung zumin­dest die Ver­mu­tung auf, dass es am Ende auch darum gegangen sein könnte, die schwie­rige Aus­ein­an­der­set­zung mit Fall und The­matik schnellst­mög­lich zu beenden. Bekräf­tigt wird das durch eine DFB-Mit­tei­lung, nach der sich straf­mil­dernd aus­ge­wirkt habe, dass den 13 Zeugen durch dieses fik­tive Geständnis die erneute Ver­neh­mung und Belas­tung erspart blieb.“ Es wäre ein fatales Signal, wenn es auch zukünftig mög­lich bleibt, ver­gleich­bare Fälle auf diese Weise ad acta zu legen.