Das Gastspiel auf Schalke war André Schürrles erster Auftritt mit Chelsea in Deutschland. Die Nahaufnahme zeigt, dass der Nationalspieler bereits erstaunlich gut ins Londoner Spiel integriert ist – dafür musste er an diesem Abend jedoch nicht glänzen, sondern sehr unauffällig bleiben.
Wer am Dienstag ins Schalker Stadion gekommen war, um zu beobachten, inwieweit André Schürrle bereits in Chelseas Ensemble eingegliedert ist, der wurde formal nicht enttäuscht: Schürrle stand 72 Spielminuten lang zu Beobachtungszwecken auf dem Platz. Wer jedoch hoffte, Schürrle würde an seinen Gala-Auftritt von vergangener Woche mit drei Toren in Stockholm anknüpfen, der wurde enttäuscht. Man kann es auch so ausdrücken: Der Flügelstürmer scheint bereits so gut integriert zu sein, dass er sich dem Spiel seiner Londoner Teamkollegen hervorragend anzupassen weiß. Und das bedeutete an diesem Abend eine Art von Fußball zu spielen, die „nüchtern, vielleicht auch langweilig“ war, wie Schalkes Manager Horst Held zerknirscht einräumte. Oder, wie Schürrle selbst es nicht ganz so zerknirscht ausdrückte: „War nicht so berauschend.“
Empfänglich für Raum-Geschenke
Vielleicht sollte man an dieser Stelle erwähnen, dass der FC Chelsea mit 3:0 in Gelsenkirchen gewonnen hat. Und dass Schürrle seinen ersten Besuch mit seinem neuen Verein auf ehemals heimischem Boden mit guten Absichten angegangen war. Beim Aufwärmen etwa schoss er gemeinsam mit Fernando Torres und Frank Lampard Chelseas Ersatzkeeper Mark Schwarzer warm. Torres zielte zu hoch und traf ein paar Schalke-Fans auf der Südtribüne. Eine entschuldigende Handgeste folgte – von Schürrle, nicht von Torres. Auch den ersten Torschuss der Partie gab Schürrle ab. Und mit seiner darauffolgenden Szene kann man ihm durchaus – mit ein bisschen gutem Willen – einen Anteil am Verlauf dieses Spiels anrechnen: Er holte gegen Schalkes Atsuto Uchida jene Ecke raus, die Torres zur frühen 1:0‑Führung einköpfte. „Am Ende kann man wohl sagen, dass wir abgezockt waren“, sagte er später. „Wir waren effizient und haben die Tore im richtigen Augenblick gemacht.“
Dass sich Schalke dank des frühen Tores zu mehr Spielgestaltung genötigt sah, dürfte ganz im Sinne von Mourinhos Spielverständnis gewesen sein. Dass aber Schürrles Gegenspieler Uchida hin und wieder offensive Vorstöße wagte und empfänglich war für entsprechende Raum-Geschenke auf seiner Seite, wohl eher nicht. Der Ex-Leverkusener mag in offensiven 1:1‑Situationen gegen den Japaner, vor allem im Sprint, häufig Sieger gewesen sein, bei der Defensivarbeit aber ließ er Ivanovic meist allein. Mourinho nutzte dann auch im zweiten Abschnitt die Gegebenheiten, die der Seitentausch so mit sich bringt, und zitierte den nun direkt vor seiner Trainerbank auf- und ab trabenden Schürrle ein paar Mal zu sich.
Das Schalker Publikum indes nahm die Anwesenheit eines deutschen Nationalspielers in den Reihen des Gegners mit Gleichmut zur Kenntnis. Bei der Mannschaftsaufstellung wurde Schürrle ebenso ausgepfiffen wie, sagen wir, John Terry oder Ramires. Auch seine Auswechslung quittierten die Schalker kaum mit einem Achselzucken, sie trommelten unverdrossenem weiter; lediglich die rund 1.000 Chelsea-Fans bedachten ihn mit Standing Ovations (wobei sie ohnehin die meiste Zeit standen). Wesentlich emotionaler reagierten die blau-weißen Anhänger dagegen auf die eingeblendeten Zwischenstände des BVB. Ein Schalker aber befasste sich mit Schürrle nach Spielschluss doch länger: Adam Szalai. Gemeinsam standen die beiden ehemaligen Mainzer im Mittelkreis, tauschten ihre Trikots und schlenderten plaudernd in Richtung Kabine. „Wer die Geschichte kennt“, hob Schürrle später zur Erklärung an, „der weiß, dass Szalai und ich sehr, sehr gute Freunde sind. Wir sind auch jetzt immer noch viel in Kontakt. Es ging da um allgemeine Sachen, nicht nur um Fußball.“
Während des Spiels jedoch hatten beide kaum eine halbe Minute gemeinsam auf dem Platz gestanden: Unmittelbar nach dem 2:0 wechselte Jens Keller Szalai für Kevin-Prince Boateng ein, während Mourinho für Schürrle John Obi Mikel brachte, der sich fortan auf die Defensivarbeit beschränkte, während nunmehr der Brasilianer Oscar Schürrles Außenposition einnahm. Der Trainer, sagt Schürrle später im Bauch der Schalker Arena, habe „großen Anteil“ daran, dass es ihm in London derzeit so gut gehe. „Er verlangt immer das Maximum, es ist genau das was ich brauche, dass ich mich immer wieder beweisen muss…“ Während er dies in die aufgereihten Mikrofone sagte, gingen hinter ihm die neuen Teamkollegen vorbei. Gary Cahill, Willian und David Luiz zwickten Schürrle in die Seite, packten ihn am Kragen und zogen ihn scherzhaft weg. „Das tut mir einfach gut“, sagte Schürrle lachend, als er sich befreit hatte und man konnte jetzt gar nicht so genau sagen, ob er damit Mourinhos Arbeit meinte oder den Umgang der Teamkollegen.