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Atlan­tik­küste, den 8. Dezember 2013: Seit zehn Spiel­tagen ist es keinem Fuß­baller in der Ligue 1 gelungen, Vin­cent Enyeama zu bezwingen. Mont­pel­lier bekam sogar die Chance vom Elf­me­ter­punkt, aber der Tor­wart vom OSC Lille ver­spürte kei­nerlei Lust, sich seine Serie auf solch läp­pi­sche Weise kaputt­ma­chen zu lassen, also parierte er auch diesen Schuss. Dank Enyeama eta­blierte sich Lille auf dem dritten Tabel­len­platz der fran­zö­si­schen Liga, unmit­telbar hinter den Giganten aus Paris und Monaco. Er ist der Schre­cken im Sech­zehner. Der Alb­traum der Stürmer.

Doch nun reist die Über­ra­schungs­mann­schaft nach Bor­deaux, und dort erwartet Enyeama und seine Kol­legen eine schwie­rige Auf­gabe: Trainer Francis Gillot ist ent­schlossen, die Ehre seines alten Freundes Gaëtan Huard zu retten. In der Saison 1992/93 hielt der dama­lige Tor­wart der Giron­dins seine Kiste 1176 Minuten lang sauber. Bis heute ist das Liga­re­kord, und Gillot hat ver­spro­chen, dass das so bleibt. Wenn einer seiner Spieler es also schafft, diesen Enyeama zu über­winden, werde er ihn ins beste Restau­rant am Platze ein­laden. Ein Vier-Gänge-Menü ist offenbar Moti­va­tion genug: Landry N’Guemo erzielt in der 27. Minute das 1:0, ein abge­fälschter, unhalt­barer Schuss.

Katzen sehen nicht alle gleich aus

Nach 1062 Minuten hat Vin­cent Enyeama wieder ein Tor kas­siert. 114 haben ihm zum neuen Rekord gefehlt. Er selbst nimmt’s gelassen: Die ganze Welt war­tete seit Wochen darauf, dass ich ein Tor kas­siere. Jetzt ist es pas­siert. Was soll’s.“ Vin­cent Enyeama will ohnehin mehr als ein­fach nur das Unver­meid­liche hin­aus­schieben. Er weiß, dass er dann und wann Tore kas­siert, das ist sein Berufs­ri­siko. Aber es soll bit­te­schön immer eins weniger sein als bei seinem Gegen­über. Und dann ist alles mög­lich.

Mit seiner Sie­ger­men­ta­lität machte er sich bereits in Afrika einen Namen, wo er mit seinem Klub Eny­imba die CAF-Cham­pions-League 2003 und 2004 gewann. Als er, nach Sta­tionen und Titeln in Israel, vor der Saison 2011/12 nach Lille wech­selte, wurde er wegen seiner Ath­letik sofort mit dem legen­dären Ber­nard Lama ver­gli­chen, der beim LOSC seine Kar­riere begann und später fran­zö­si­scher Natio­nal­keeper war. Beide wurden mit dem Kampf- und Künst­ler­namen Katze“ bedacht. Wobei: Katzen sehen ja nicht alle gleich aus. Ber­nard war schmal, Vin­cent ist kräf­tiger. Kör­per­lich ist er über­ra­gend“, sagt Jean-Pierre Mottet, der ewige Tor­wart­trainer in Lille.

Den­noch reichte es erst einmal nicht, um an Stamm­tor­hüter und Alt­meister Mickaël Land­reau vor­bei­zu­kommen, Enyeama kehrte also nach Israel zurück. Als Tor­wart braucht er schließ­lich Ein­sätze. Nur wenn er auf dem Platz steht, kann er Schre­cken ver­breiten. So wie bei der Afrika-Meis­ter­schaft letztes Jahr, die Nigeria im Finale gegen Bur­kina Faso gewann – mit 1:0, Enye­amas Lieb­lings­er­gebnis. Wir haben das starke Gefühl, dass wir gewinnen werden“, hatte er vor dem Tur­nier ver­kündet. Und jetzt fährt er wieder voller Selbst­ver­trauen zu einem großen Tur­nier, zur WM nach Bra­si­lien. Ob Nigeria einen guten Ein­druck hin­ter­lassen wird? Er lächelt. Aber ja! Wir können sie sogar gewinnen.“

Ich würde mich nicht wun­dern, wenn Nigeria die WM gewinnt“

Dabei ist Enye­amas Stärke zugleich Nige­rias Schwäche: Seine Vor­der­leute ver­lassen sich mit­unter allzu sehr auf ihn. Selbst Rou­ti­niers wie John Obi Mikel vom FC Chelsea offen­baren einen Hang zum Schlen­drian, wenn sie ihn hinter sich wissen. Wie 2010, bei der WM in Süd­afrika, beim ersten Grup­pen­spiel zwi­schen Nigeria und Argen­ti­nien im Ellis Park Sta­dium zu Johan­nes­burg. Es wurde zum Duell zwi­schen Enyeama und Lionel Messi. Ein Dut­zend Mal schei­terte der Welt­fuß­baller am bis dahin noch weit­ge­hend unbe­kannten Tor­hüter. Zwar verlor seine Mann­schaft 0:1, doch Enyeama wurde zum Man of the Match“ gekürt. Wäre er nicht gewesen, hätten wir 0:6 ver­loren“, sagte sein Mann­schafts­ka­merad Obafemi Mar­tins.

Ja, was wären sie ohne ihn? Um einen Welt­klas­se­tor­hüter, aber auch um einen Welt­klas­se­op­ti­misten ärmer. Ich würde mich nicht wun­dern, wenn Nigeria eines Tages die WM gewinnen würde“, bekräf­tigt Vin­cent Enyeama. Ich glaube an Gott und an die Bibel, in der gesagt wird, Gott wählt, wen er wählt. Und wenn er Nigeria aus­wählt?“ In der Gruppe F werden die Super Eagles es zunächst einmal mit Bos­nien-Her­ze­go­wina und dem Iran zu tun bekommen – und schließ­lich erneut auf die Albice­leste treffen. Wieder heißt es: Enyeama gegen Messi.

Der Keeper weiß, wie er den Stürmer zur Ver­zweif­lung bringt. Und wie er die Null hält. 20 Mal ist ihm das diese Saison in der fran­zö­si­schen Liga gelungen. Aber sorgen die nige­ria­ni­schen Stürmer im Gegenzug auch dafür, dass genau dies seinem Gegen­über nicht gelingt? In den letzten Wochen, so berichtet es Jean-Pierre Mottet, der Tor­wart­trainer vom OSC Lille, hat Victor Enyeama Straf- und Frei­stöße trai­niert. Wohl­ge­merkt: als Schütze.