Nach dem holprigen Finale in der EM-Qualikation wird die Nationalelf wieder mal zum Sanierungsfall gemacht. Stimmt da die Verhältnismäßigkeit?
Hört dieser Albtraum denn gar nicht mehr auf? Immer wieder herrlich, wie sich die Öffentlichkeit ereifern kann, wenn es um die Nationalelf geht. Spätestens seit der etwas holprigen Vorstellung im letzten EM-Qualifikationsspiel gegen Georgien scheint Konsens zu sein: 2015 war ein Katastrophenjahr, in dem das Team des Weltmeisters seinen Partykater kurierte und nach den glanzvollen Auftritten in Brasilien in Rekordzeit auf Normalmaß schrumpfte.
Und der Horror geht weiter: Im November muss die Nationalelf in Freundschaft gegen Frankreich und die tief gefallenen Niederländer ran. Jogi Löw kündigt bereits im vorauseilenden Gehorsam an, in diesen Partien all die Spieler einzusetzen, die in diesem Jahr bislang nicht zum Einsatz kamen. Mit anderen Worten: Das Experimentieren geht jetzt erst richtig los. Die Zumutungen nehmen kein Ende!
Die ewige Leitwolfdebatte dräut am Horizont
Es ist eine Binse, dass im Fußball nichts so alt ist, wie der Triumph von gestern und Expertenanalysen stets nur tagesaktuelle Gültigkeit besitzen. Aber geht es nicht einfach mal eine Nummer kleiner? Was jetzt nicht alles wieder im Argen liegt: Die Abwehrreihe gehört auf den Prüfstand. Ein Stoßstürmer fehlt. Die Motivation der hochbezahlten WM-Helden, die längst die Champions League als bedeutendere Arena verstehen als schnöde Qualikicks in Taka-Tuka-Land. Die ewige Leitwolfdebatte dräut am Horizont auch schon wieder.
Überhaupt: Warum haben wir keinen Spieler, der in Eins-zu-Eins-Situationen den Unterschied machen kann?
1990 qualifizierte sich die DFB-Elf mit Müh und Not
Hallo? Haallo? Geht’s noch? Für die Spätgeborenen ein kurzer Exkurs in die jüngere Geschichte. Im Jahr 1990 wurde Deutschland Weltmeister. Niemand hegte damals ernsthafte Zweifel, dass die DFB-Elf den besten Fußball spielte und den Titel zurecht gewann. In diesem Zusammenhang sollte sich jeder noch einmal in Erinnerung rufen, dass Team von Franz Beckenbauer damals mit Müh und Not dank eines Traumtores von Thomas Häßler gegen …ähem… Wales als einer der besseren Gruppenzweiten qualfizierte.
Zur WM 2002 fuhr die deutsche Mannschaft nur, weil sie in der Relegation gegen die Ukraine die Nerven behielt. Auf dem Weg ins Turnier hatte die Völler-Truppe gegen Finnland zwei Mal unentschieden gespielt und den „Three Lions“ den letzten großen internationalen Erfolg gegönnt, indem sie England in München mit 1:5 unterlag. Das, liebe Leute, das war eine sportliche Katastrophe.
Und selbst ein Blick zurück ins glorreiche 2014 sollte genügen, um den Blutdruck zu normalisieren. Es gab durchaus Experten, die sich noch am Tag des Eröffnungsspiels ernsthaft sorgten, ob Jogis Jungs überhaupt die Vorrunde überstehen könnten. Von der unsäglichen Debatte um die Viererkette mal abgesehen.