Das Coronavirus hat unlängst auch den umstrittenen WM-Ausrichter Katar erreicht. Während die Bewegungsfreiheit zum Schutz der einheimischen Bevölkerung eingeschränkt wird, müssen zahlreiche ausländische Arbeitskräfte weiter unter unwürdigen Bedingungen schuften.
Im Dezember 2010 erhielt Katar den Zuschlag für die WM 2022. Die umstrittene Vergabe symbolisiert bis heute die Korruption im Weltverband FIFA und die unstillbare Gier nach Geld und Einfluss der Fußballfunktionäre – koste es was es wolle. Seit langem kritisieren Menschenrechtsorganisation wie Amnesty International oder Human Rights Watch die katastrophale Lage der Arbeitsmigrant*innen im kleinen Wüstenstaat auf der Arabischen Halbinsel. Während FIFA-Boss Gianni Infantino Katar als „kulturellen und gesellschaftlichen Brückenbauer“ preist, hausen gleichzeitig ausländische Arbeiter*innen in lagerähnlichen Unterkünften und verrichten auf den WM-Baustellen Schwerstarbeit unter fragwürdigen Bedingungen. Und nun bedroht auch noch das Coronavirus die Gesundheit der Ärmsten in Katar.
Um die zahlreichen Großprojekte wie Stadien, Hotels, U‑Bahnen oder Straßen zu realisieren, ist Katar auf humane Ressourcen aus dem Ausland angewiesen. Fast 2 Millionen Gastarbeiter*innen sind deshalb aktuell im Land. Sie kommen aus den ärmsten Ländern der Erde – wie aus Indien, Nepal oder Bangladesch. Insgesamt Leben in Katar nur rund 2,6 Millionen Menschen.
Und insbesondere die Gesundheit der Ärmsten von ihnen ist nun bedroht. Ein großes Industriegebiet nahe Doha sei bereits teilweise abgeriegelt worden, nachdem sich dort hunderte Arbeiter*innen mit dem Virus infiziert hätten, berichtet Regina Spöttl, Katar Expertin bei Amnesty International Deutschland. „Wir wissen leider nicht genau, wie es den Menschen aktuell geht“, sagt sie über die undurchsichtige Lage vor Ort. „Die ausländischen Arbeitskräfte sind dort zu Acht oder Neunt in kleinen Unterkünften untergebracht und schlafen in Stockbetten. Es gibt zu wenige Sanitäre Anlagen und die Wasserversorgung ist häufig nicht gesichert.“ Maßnahmen wie Social Distancing seien dort nicht realisierbar. „Diese Menschen sind deshalb natürlich höchst gefährdet“, warnt sie.
Unterdessen hat die katarische Regierung Versammlungen auf öffentlichen Plätzen, Parks und Stränden verboten. Viele Einkaufszentren, Kinos oder Fitnessstudios wurden geschlossen. Den Migrant*innen, die 95 Prozent der arbeitenden Gesellschaft in Katar stellen, helfen diese Maßnahmen aber keineswegs. „Die Arbeitskräfte leben nicht in den Wohngebieten der Städte, wo die Katarer und Katarerinnen wohnen. Ausländer werden vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und sprichwörtlich in die Wüste geschickt“, sagt Spöttl. Dort wohnen sie dann auf engstem Raum in Camps vor den Toren der luxuriösen Städte.
Auch die medizinische Situation verspricht wenig Hoffnung. „Die Arbeiter*innen haben zwar in der Regel eine Health Card und ein Recht auf medizinische Versorgung, aber die Krankenhäuser sind häufig weit weg. Für diese Menschen ist es äußerst schwer von den Camps in die Städte zu kommen. Wir beklagen seit Jahren, dass die ausländische Bevölkerung völlig isoliert leben muss.“