Vor dem Champions-League-Finale gegen PSG stehen auch Bayerns Beziehungen zu Katar im Blickpunkt. Die werden von Jahr zu Jahr inniger. Aber auch die Kritik aus der Fanszene nimmt zu.
Dieser Text erschien erstmals im März 2020 in 11FREUNDE #220. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhältlich.
Willkommen im Paradies, hier gibt es alles. Gutes Wetter und glitzernde Shoppingmalls. Einen saftig grünen Rasen, der, so sagte Uli Hoeneß mal, mit der Nagelschere geschnitten wird. Gastfreundschaft und manchmal auch Gastgeschenke. Ein Luxushotel mit Luxusausblick auf sieben Luxustrainingsplätze. Wenn Mitarbeiter des FC Bayern auf dem hauseigenen Youtubekanal über diesen Ort sprechen, schwärmen sie von den „hervorragenden Trainingsbedingungen“, und dem Zuschauer werden als Beweis Bilder von trainierenden und gut gelaunten Fußballprofis gezeigt. Es könnten Imagefilmchen für Unternehmen von Wellnessprodukten oder für Reiseanbieter von Aktivurlauben sein; alles ist schön weichgezeichnet und in Zeitlupe geschnitten, dazu erklingt leicht verdauliche Instrumentalmusik, die man aus vorabendlichen Infotainment-Sendungen im Privatfernsehen kennt. Willkommen im Paradies.
Seit neun Jahren geht das so. Seit neun Jahren, immer im Januar, fliegt der größte Klub der Welt ins reichste Land der Welt, um sich in der Aspire Academy auf die Rückrunde der Bundesliga vorzubereiten.
Beim ersten Mal, 2011, schien das kaum jemanden zu stören. In der Presse las man die üblichen Winterlochstorys, Testspiele hier, Transferblabla da, und Stefan Effenberg und Mario Basler durften Anekdötchen über ihre Zeit im Wüstenstaat erzählen. Ein bisschen Kopfschütteln höchstens darüber, dass hier, in der Hitze, bald eine WM stattfinden soll. Das war’s im Grunde.
2013 erschien dann die erste große Dokumentation über die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Migranten in Katar. Sie sorgte international für Aufsehen. Reporter des „Guardian“ hatten herausgefunden, dass jedes Jahr hunderte Arbeiter auf den WM-Baustellen sterben. Sie zeigten Menschen aus Nepal, Bangladesch oder Indien, die wie Millionen andere als Hilfskräfte auf die arabische Halbinsel gebracht worden waren, weil kaum einer der 300 000 Katarer selbst die so verpönte praktische Arbeit oder gewöhnliche Dienstleistungen verrichtet. Die Wanderarbeiter hausten in verrotteten Zimmern. Die Toiletten waren überflutet, aus den Duschen kam Salzwasser. Die Reisepässe, so erzählten sie, hatten ihnen die Arbeitgeber abgenommen, sie waren quasi Leibeigene, oft nicht mal bezahlt. Amnesty International berichtete im selben Jahr in einem 153-seitigen Report von systematischer Ausbeutung und Fällen von Zwangsarbeit.
Nun fragten auch andere Journalisten, warum der FC Bayern in dieses Land reist, ohne davon zu erzählen, und in der Südkurve, wo die treuesten Anhänger des deutschen Rekordmeisters stehen, hingen Transparente mit kritischen Botschaften. Auf einem stand: „Kapital > Moral?“
Die Großkopferten des FC Bayern antworten bis heute latent genervt auf das Thema. „Bayern ist nicht verantwortlich für Katar“, sagte Karl-Heinz Rummenigge, der das Trainingslager außerdem mal mit Aberglauben rechtfertigte. Uli Hoeneß fand wiederum: „Die Arbeitsbedingungen sind nicht perfekt, aber sie werden auch nicht besser, wenn wir nicht hinfliegen und Diskussionen anstoßen.“ Denn Diskutieren würde man ja, allerdings intern. Daher will der FC Bayern über das Thema nicht mit 11FREUNDE sprechen. Auch die Beantwortung eines schriftlichen Fragenkatalogs lehnt der Pressesprecher ab.