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Seite 4: „Zum Schweizer Spiel gehört der Schutz deutscher Steuerhinterzieher“

Warum inter­es­sieren sich die Schweizer Behörden eigent­lich nicht dafür?
Weil auch die in diesem Abhän­gig­keits­ver­hältnis mit drin­hängen.

Starker Tobak.

Zum Schweizer Spiel gehörte bis vor kurzem noch, dass deut­sche Steu­er­hin­ter­zieher pro­te­giert wurden. Der Schweizer Staat könnte jeder­zeit ein Sport­ge­setz ver­ab­schieden, in dem er Amts­zeit­be­gren­zungen fest­setzt und Abhän­gig­keits­ver­hält­nisse unter Strafe stellt. Die Schweizer Gesetze im Umgang mit pri­vaten Wett­be­werbs­ver­fahren sind leider sehr schwach. Aber es würde mich inter­es­sieren, was pas­sieren würde, wenn jemand eine Geset­zes­ver­schär­fung im Bun­destag ein­bringt.

Dann würde die FIFA ver­mut­lich umziehen.

(Lacht.) Infan­tino würde den Sitz viel­leicht nach Katar ver­legen. Aber dann wäre die Frage, wie die Mit­glieds­ver­bände reagieren. Das wäre zumin­dest ein Anfang, um das System auf­zu­bre­chen und Dis­kus­sionen anzu­regen. Aber so müssen wir damit zurecht­kommen, dass die Welt ist, wie sie ist.

Glauben Sie nicht, dass sich die Men­schen irgend­wann vom Fuß­ball abwenden, wenn es so bleibt?

Ehr­lich gesagt: Nein! Sicht­bares Fehl­ver­halten von Funk­tio­nären lässt die Begeis­te­rung am Spiel nicht abnehmen. Es gibt bei uns diese Grund­hal­tung: Die da oben taugen nichts. Aber diese Ein­stel­lung ändert nichts an der all­ge­meinen Liebe zum Fuß­ball. Es gibt doch nichts Schö­neres, als am Stamm­tisch über böse Funk­tio­näre zu läs­tern.

Gefällt Ihnen, wie sich der Pro­fi­fuß­ball ent­wi­ckelt?

Ich nehme es hin, dass der Fuß­ball ein Stück­weit zum Zirkus geworden ist. Auch ein Zirkus kann attraktiv sein, selbst wenn er in Teilen eine Illu­sion ist. Zwei­fels­ohne hat sich der Fuß­ball von seiner ethi­schen Grund­be­deu­tung ent­fernt. Und meines Erach­tens taugt er auch nicht mehr zwin­gend zum Vor­bild.

Hat Sie als Mit­glied des FIFA-Exe­ku­tiv­ko­mi­tees mal etwas per­sön­lich irri­tiert oder ver­wun­dert?
Als ich bei der WM 2014 in Bra­si­lien bei den Sit­zungen des Komi­tees war, fand ich im Hotel eine Tasche mit Sport­sa­chen vor. Es war üblich, dass wir bei Zusam­men­künften der­ar­tige Auf­merk­sam­keiten erhielten. Ich habe diese Sachen in der Regel an Ver­eine in meiner Heimat für die Weih­nachts­tom­bola gespendet. In Bra­si­lien war in dieser Tasche auch eine kleine Scha­tulle mit einer Arm­banduhr. Damals gab es bei der FIFA bereits Com­pli­ance-Bestim­mungen. Ich ging also davon aus, dass alles gecheckt ist. Ein paar Tage nach meiner Rück­kehr nach Deutsch­land, stellte sich heraus, dass diese Uhr einen Wert von 25 000 Dollar besaß und uns offenbar vom bra­si­lia­ni­schen Ver­band in die Tasche gelegt worden war. 

Sie haben nicht mal ansatz­weise Ver­dacht geschöpft, dass etwas nicht stimmen könnte.

Erst als mich ein eng­li­scher Jour­na­list anrief und nach der Uhr fragte. Dar­aufhin fuhr ich in Frank­furt zum Zoll, um Selbst­an­zeige zu machen. Und bei der nächsten FIFA-Sit­zung habe ich die Uhr in Zürich wieder abge­geben. Als ich die Uhr beim Schweizer Zoll abgeben wollte, schauten mich die Zöllner an, als käme ich von einem anderen Stern! Die konnten nicht fassen, dass ich die zurück­gebe. Wegen dieses Vor­gangs wurde gegen mich in Deutsch­land ein Ver­fahren wegen Steu­er­hin­ter­zie­hung ein­ge­leitet, was wegen meiner Selbst­an­zeige schnell wieder ein­ge­stellt wurde. Die Rück­gabe der Uhr hatte zur Folge, dass die FIFA-Com­pli­ance sämt­liche Uhren wieder einzog. Doch als Sepp Blatter bei einer Sit­zung erklärte, die Sache sei nun gere­gelt, mel­dete sich der spa­ni­sche Funk­tionär Angel Maria Villar und sagte: Wenn das so ist, könnten Sie uns die Uhr doch auch wieder zurück­geben“. So agiert man dort, teil­weise ohne jedes Unrechts­be­wusst­sein.

Mensch­liche Unzu­läng­lich­keiten werden sie nie völlig aus­schließen können“

Beweist die Uhren-Geschichte nicht, dass selbst für Juristen wie Sie kaum noch erkennbar ist, wann Sie in Abhän­gig­keiten geraten? Sind Sportler wie Pla­tini und Becken­bauer da über­for­dert?
Die beiden waren die Ein­zigen, die sich soweit in die FIFA vor­ge­wagt haben. Fritz Walter und Horst Eckel wollten mit sol­chen Fragen nie etwas zu tun haben. Wolf­gang Ove­rath und Uwe Seeler haben sich in der Gre­mi­en­ar­beit bei ihren Ver­einen auch schwer getan. Ich lasse des­halb auf Franz Becken­bauer nichts kommen. Ihm ging es darum, die WM nach Deutsch­land zu holen und zu gestalten. Das hat er groß­artig gemacht. Er hat sich an der Sache nicht berei­chert.

Becken­bauer soll 5,5 Mil­lionen Euro vom DFB für sein Enga­ge­ment erhalten haben.
Das war für seine Per­sön­lich­keits­rechte in der Odd Set Wer­bung und hatte daher mit der Lei­tung des WM OK’s nichts zu tun. Franz Becken­bauer war für mich nie geld­gierig, viel­leicht der eine oder andere seiner Berater. Franz Becken­bauer mag, wie wir alle, Fehler gemacht haben, aber er han­delte stets aus ehr­li­chem Inter­esse am Fuß­ball.

Dr. Zwan­ziger, wir haben aus­führ­lich über die Kor­rup­ti­ons­ge­neigt­heit der FIFA gespro­chen. Inwie­weit gibt es diese Struk­turen auch im DFB?
Viel weniger, als man denkt.

Wie kommen Sie zu diesem Urteil?

Weil wir schon mit der Reform 2001 einen haupt­amt­li­chen Innen­re­visor instal­liert haben, der viel auf­wän­diger prüft, als vorher die Buch­prüfer. 2016 wurde auch eine Ethik-Kom­mis­sion ein­ge­führt.

Und damit ist alles prima?
Die inneren Abhän­gig­keiten konnte der DFB noch nicht besei­tigen. Wir wollten 2007 die Amts­zeit der Funk­ti­ons­träger begrenzen, aber die Kol­legen in den Lan­des­ver­bänden waren dagegen. Statt­dessen wurde die Amts­zeit auf siebzig Jahre gesenkt. Der Weg ist richtig, aber in bestimmten Posi­tionen ist das Fest­klam­mern eben auch mensch­lich. Ich bin sicher, dass die Com­pli­ance Vor­schriften, an deren Ein­füh­rung Prä­si­dent Grindel ja schon seit 2011 mit­ge­wirkt hat, zuneh­mend greifen. Mensch­liche Unzu­läng­lich­keiten werden sie aller­dings nie völlig aus­schließen können.