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Seite 3: „Das Geld wuchert weiter“

Auch Franz Becken­bauer fand nichts an der Ver­gabe nach Katar ver­werf­lich. Bei seinen Besu­chen dort habe er nach eigener Aus­sage keine Sklaven gesehen. Warum äußert kein Funk­tionär öffent­lich Zweifel?
Weil es ein Geben und Nehmen ist. Die Katarer, die nun mal den Zuschlag bekommen haben, üben auch Druck aus. Aber es steht außer Zweifel, dass Franz Becken­bauer sich mit sol­chen Äuße­rungen selbst keinen Gefallen getan hat. Noch mal: Kor­rup­ti­ons­ent­schei­dungen pas­sieren in einem feh­ler­haften System mit cha­rak­ter­schwa­chen Per­sonen, die in Teilen auch wirt­schaft­liche Inter­essen ver­folgen. In so einem System ist Kritik irgend­wann nicht mehr opportun. 

Warum zieht die Fifa nicht die Ent­schei­dung für Katar zurück?

Weil das Geld weiter wuchert. Aus der sport­po­li­ti­schen Zusam­men­set­zung des Kon­gresses folgt unter dieser Füh­rung keine Ent­wick­lung, die eine Absage mög­lich macht.

Was heißt das?

Ein Ver­bands­prä­si­dent, der einen der­ar­tigen Antrag ein­reicht, würde nie­der­ge­stimmt und zukünftig in seinen Mög­lich­keiten beschränkt.

Selbst wenn es der Prä­si­dent des mit­glie­der­stärksten Sport­fach­ver­bands der Welt ist?

Wenn mich Herr Grindel fragen würde, ob er bean­tragen soll, Katar die WM weg­zu­nehmen, würde ich ihm davon abraten.

Warum?

Es würde dem DFB nur schaden, etwa wenn es darum geht, das nächste Mal ein großes Tur­nier aus­zu­richten. Denn selbst wenn der DFB der mit­glie­der­stärkste Ver­band ist, hat er im FIFA-Kon­gress so wie alle anderen nur eine Stimme.

Der DFB fügt sich also machtlos in ein kor­ruptes System?

Nein, machtlos ist er nicht. Er sollte mit anderen fort­schritt­li­chen Ver­bänden in der UEFA an nach­hal­tigen Ver­bes­se­rungen arbeiten. Aus Allein­gängen, und sind Sie in der Sache noch so richtig, ver­än­derst du in diesem System Infan­tino nichts. Schauen Sie, was bei der WM-Ver­gabe 2006 pas­siert ist. Es geht um zehn Mil­lionen Schweizer Franken, die 2002 von Franz Becken­bauer an Mohamed Bin Hammam gezahlt wurden. Sepp Blatter schickte Becken­bauer damals zu ihm, weil der Katarer – gemeinsam mit Jack Warner – in der FIFA-Finanz­kom­mis­sion saß. Der DFB sollte für das Tur­nier 250 Mil­lionen Euro als Orga­ni­sa­ti­ons­kos­ten­zu­schuss erhalten. Der Ver­dacht liegt nahe, dass Bin Hammam zehn Mil­lionen Schweizer Franken wollte, um diesen Betrag frei­zu­geben. Der wirk­liche Zweck ist bis heute unge­klärt. Aber was sollte Franz Becken­bauer tun? Der For­de­rung folgen oder die WM zurück­geben?

Die Fifa geht nach dem Prinzip vor: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“

Waren Sie als hoch­ran­giger DFB-Funk­tionär nicht in den Vor­gang invol­viert? Bin Hammam hat Anfang 2018 in einem ZDF-Inter­view bestä­tigt, das Geld von Becken­bauer erhalten zu haben.
Aber auf die Frage, zu wel­chem Zweck es gedient habe, lacht er und sagt sinn­gemäß: Ich weiß es, aber ich sag’s ihnen nicht.“ Er pro­vo­ziert in dieser hoch­sen­si­blen Frage sogar noch. Ich selbst war 2002 noch nicht Mit­glied des Orga­ni­sa­ti­ons­ko­mi­tees, son­dern wurde erst im Juli 2003 berufen.

Bin Hammam wurde 2012 wegen Kor­rup­tion von der FIFA-Ethik­kom­mis­sion auf Lebens­zeit sus­pen­diert.
Die FIFA könnte den­noch ein­schreiten und den Katarern sagen: Ihr wollt doch eine WM nach Fair­ness- und Gleich­heits­prin­zi­pien aus­richten. Dann seid doch so nett und sagt Mohamed Bin Hammam, dass er in Deutsch­land auf­klärt, was er weiß. Als frü­herer Funk­tionär wäre er laut Ethik­be­stim­mung dazu ver­pflichtet. 

Aber?

Gianni Infan­tino küm­mert das offenbar nicht. Dabei müsste er Bin Hammam dazu zwingen, schließ­lich gehören die zehn Mil­lionen Franken letzt­lich der Fifa. Wenn Bin Hammam sich wei­gert, könnte Infan­tino in seiner Posi­tion auch dem Emir einen Brief schreiben.

Aber er tut es nicht, weil er keine schla­fenden Hunde wecken will?

Die Fifa geht nach dem Prinzip vor: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ Und momentan isst die FIFA das Brot von Katar. Ein Spieler, der sich auf dem Feld brutal oder ras­sis­tisch ver­hält, wird hart bestraft. Gut so! Aber in den höchsten Funk­tio­närs­ebenen gelten gänz­lich andere Regeln.

Wenn es so ist, wie Sie sagen, warum schließen sich die großen euro­päi­schen Ver­bände zusammen und sagen vor der WM 2022: Wenn nicht end­lich Trans­pa­renz und ethi­sche Grund­sätze gelten, spielen wir nicht mit?

Das wäre die letzte Mög­lich­keit: Boy­kott. Aber mit Boy­kott hat man im Sport selten gute Erfah­rungen gemacht.

Glauben Sie, die FIFA könnte dem öffent­li­chen Druck stand­halten, wenn etwa Deutsch­land, Eng­land, Spa­nien, Ita­lien und Frank­reich Ihre WM-Teil­nahme in Frage stellen?

Da beginnt wieder die Abhän­gig­keit zu wirken. Alle Ver­bände, die sich für Katar qua­li­fi­zieren, haben Spon­soren im Rücken und hohe Bud­gets akqui­riert. Sie unter­liegen wirt­schaft­li­chen Zwängen. Des­halb bricht keiner aus dem System aus. Und noch mal: Ein Ver­band, der sich ver­wei­gert, wird zum Nest­be­schmutzer und steht allein, wäh­rend alle anderen noch fester zusam­men­halten.

Das klingt, als sei es ein Natur­ge­setz. Hat nie­mand den Willen, so ein System zu berei­nigen?

Ich würde es mir wün­schen, aber es wird nicht pas­sieren. In Hin­ter­zim­mern wird es natür­lich dis­ku­tiert, aber öffent­lich geht keiner auf die Bar­ri­kaden. Denn die Evo­lu­tion von innen ist geschei­tert. Wie gesagt: Infan­tino ist ein Rück­schritt. Er will das Alte erhalten: das Spiel mit Macht, Geld und Medien. Und dafür hat er die Kon­troll­in­stanz der Ethik­kom­mis­sion in den wich­tigsten Punkten beschnitten und aus­ge­höhlt.