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Dr. Theo Zwan­ziger, warum sind Fuß­ball­ver­bände so anfällig für Kor­rup­tion?
Im Fuß­ball ist das öffent­liche Inter­esse sehr groß. Viel­leicht noch größer als in der Politik. Auch in anderen Orga­ni­sa­tionen und Ver­bänden gibt es Kor­rup­tion, nur bleibt dort vieles im Ver­bor­genen, oder es wird erst gar nicht dar­über berichtet.

Der Grund, warum wir annehmen, die FIFA sei von Kor­rup­tion durch­setzt, ist also die enorme Popu­la­rität des Sports?
Natür­lich nicht, allein die Beliebt­heit führt aber zu einer brei­teren Bericht­erstat­tung. Aus kleinsten Ver­dachts­mo­menten werden oft große Geschichten gemacht. Außerdem lieben viele Men­schen die mediale Auf­merk­sam­keit. Das sollte man zumin­dest im Hin­ter­kopf behalten, wenn man über die FIFA und Kor­rup­tion im Fuß­ball spricht.

Was läuft falsch im größten Sport­ver­band der Welt?
Wir haben dort Abhän­gig­keits­ver­hält­nisse in einem kor­rup­ti­ons­ge­neigten Umfeld. Ver­ein­facht gesagt: Wer dort von der Basis nach ganz oben kommen möchte, stellt sich gut mit seinen Vor­ge­setzten. Wer oben bleiben möchte, tut gut daran, seine Mit­ar­beiter nicht zu ver­graulen. Dazu gibt es eine Ten­denz zum Weg­schauen, Trans­pa­renz und Kon­trolle sind unzu­rei­chend.

Abhän­gig­keiten gibt es auch in poli­ti­schen Sys­temen.
Mit einem zen­tralen Unter­schied: Das poli­ti­sche System lebt durch Oppo­si­tionen, außerdem finden alle vier, fünf Jahre Wahlen statt. Man hat Gegen­kan­di­daten und ein Ver­hältnis von wech­sel­sei­tiger Kon­trolle. In Fuß­ball­ver­bänden wie der FIFA gibt es keine Oppo­si­tion und keine Beschrän­kung der Amts­zeit. Die Macht­haber ver­fügen über große Mög­lich­keiten, eigene Vor­stel­lungen durch­zu­setzen, ohne kon­trol­liert zu werden.

Die 2006 gegrün­dete Ethik­kom­mis­sion der FIFA sollte genau dies tun: kon­trol­lieren. Warum ist sie geschei­tert?
Eine solche Kom­mis­sion muss ein unab­hän­giges Organ sein. In der FIFA war sie das zeit­weise auch, mit den Juristen Cornel Bor­bely aus der Schweiz und Hans-Joa­chim Eckert aus Deutsch­land an der Spitze. Als Gianni Infan­tino FIFA-Prä­si­dent wurde, hat er die beiden aller­dings abge­setzt, weil sie ihm gefähr­lich wurden.

Bor­bely ermit­telte zum Bei­spiel gegen Infan­tino, weil dieser die Prä­si­den­ten­wahl des afri­ka­ni­schen Kon­ti­nen­tal­ver­bands 2016 beein­flusst haben soll.
Bor­bely und Eckert haben auch vor rang­hohen Funk­tio­nären nicht Halt gemacht. Für Infan­tino war aber unvor­stellbar, dass er als Prä­si­dent in die Schuss­linie gerät. Also ersetzte er die beiden durch Ver­bün­dete und Spei­chel­le­cker.

Sie spre­chen von der Kolum­bia­nerin Maria Claudia Rojas, die aktuell den Vor­sitz hat.
Ich kenne sie nicht und kann daher nichts über sie sagen.

Ich kri­ti­siere, dass Blatter zu lange im Amt war“

War die Situa­tion unter Sepp Blatter anders?
Was man bei aller Kritik an Blatter nicht ver­gessen darf: Der Ethik­kodex wurde mit seiner Hilfe durch­ge­setzt, gegen den Willen der Süd­ame­ri­kaner und der Euro­päer um Infan­tino. Am Ende hatten wir eine schlag­kräf­tige Unter­su­chungs­kammer kon­sti­tu­iert. Sie war in der Lage, den Prä­si­denten zum Han­deln auf­zu­for­dern und im Zweifel sogar zu sperren. Blatter hatte Macht abge­geben.

Nach Sepp Blat­ters Ende sagten Sie: Heute ist ein guter Tag für den Fuß­ball.“ Das klingt nicht gerade so, als wären Sie früher großer Blatter-Freund gewesen.
Ich sehe ihn dif­fe­ren­ziert. Er hat viel für den Fuß­ball getan und sich, im Gegen­satz zu Infan­tino, auch für wenig beach­tete Bereiche wie den Frau­en­fuß­ball ein­ge­setzt. Aber ich kri­ti­siere, dass er zu lange im Amt war. Zumal er vor seiner Zeit als Prä­si­dent schon 17 Jahre Gene­ral­se­kretär der FIFA gewesen war. Dieses Beharren auf Amts­zeiten ist ein großes Pro­blem dieses Ver­bandes. Ich plä­diere für eine Begren­zung auf acht Amts­jahre, also eine ein­zige mög­liche Wie­der­wahl. Wenn du weißt, in drei oder vier Jahren ist mein Chef ein anderer, ent­stehen keine großen Abhän­gig­keits­ver­hält­nisse.

War Blatter kor­rupt?
Ich glaube nicht, dass man ihm ein wirk­lich straf­bares Ver­halten vor­werfen kann und er kon­kret für einen Ent­schei­dung die Hand auf­ge­halten hat.

Weil er clever genug war?
Weil er gut bezahlt war. Und weil er die Macht lieber anders gestalten wollte. Er kannte das System, und er nutzte es in seinem Sinne. Im Übrigen glaube ich auch nicht, dass Michel Pla­tini kor­rupt ist.

Wie können Sie das mit Bestimmt­heit sagen?

Der Begriff Kor­rup­tion“ bedeutet, dass man in die eigene Tasche wirt­schaftet, und eine sach­wid­rige Ent­schei­dung her­bei­führt. Diese Hal­tung sehe ich bei Pla­tini nicht.

Pla­tini wurde von der Ethik­kom­mis­sion sus­pen­diert, weil Blatter ihm zwei Mil­lionen Schweizer Franken für seine Dienste in den Jahren um die Jahr­tau­send­wende gezahlt hatte. Das Geld floss erst 2011, was zu der Annahme führte, Blatter habe Pla­tini für seine Unter­stüt­zung im Wahl­kampf gegen Bin Hammam bezahlt.

Dieser Vor­gang wurde 2015 mit großem Bohei von der Staats­an­walt­schaft öffent­lich gemacht, aber seitdem hat es in dieser Sache keine wei­teren Erkennt­nisse gegeben. Meines Erach­tens auch dieses Vor­gehen ein Skandal. Ich kann nur sagen, dass Pla­tini mit mir und Blatter gegen die Kor­rup­tion angehen wollte. Natür­lich hat er bei der WM-Ver­gabe für Katar gestimmt, aber ich bin sicher, dass er keinen per­sön­li­chen Vor­teil daraus gezogen hat.Und diesen Unter­schied mache ich