Als Karim Rekik im Sommer zur Hertha kam, war er vor allem für einen Gesangsauftritt bekannt. In Berlin wurde er schnell zum Abwehrchef, nach langer Verletzung ist er jetzt zurück auf dem Platz – und mit ihm die Angst bei den Gegenspielern.
Als Karim Rekik letzten Sommer zur Hertha wechselte, war er vor allem für seinen Auftritt bei der Meisterfeier der PSV Eindhoven 2015 bekannt. Neben Jeffrey Bruma stand er auf der Bühne und krähte vor Tausenden von Fans seinen leicht abgewandelten Namen „Karim Reki-Kik“ ins Mikrofon. Minutenlang.
Wer auf einschlägigen Videoplattformen nach Best Of-Filmchen des Innenverteidigers sucht, findet entweder diesen speziellen Auftritt, oder die gleichen zehn Szenen in unterschiedlicher Reihenfolge und mit einem leicht abgewandelten Bums-Träller-Elektropop-Song unterlegt. Wirklich viel war über den Neuzugang damals nicht zu berichten.
Das lag unter anderem daran, dass der Niederländer mit tunesischem Vater das letzte halbe Jahr vor seinem Wechsel bei Olympique Marseille nur auf der Bank gesessen hatte. Und so einer sollte den Ur-Berliner John-Anthony „The Wall of“ Brooks ersetzen, der für 17 Millionen nach Wolfsburg gegangen war?
Von der Bank zum Abwehrchef
Während viele noch skeptisch waren, stieg Rekik ganz einfach zum Stammspieler und Abwehrchef links in der Innenverteidigung auf. Sein neuer Trainer Pal Dardai war verwirrt: „Ich suche noch den Haken: Warum hat er nicht gespielt?“ Mit Rekik gab es zu Saisonbeginn nur vier Gegentore in sechs Pflichtspielen, drei Mal spielte Hertha zu null, in den ersten 15 Saisonspielen stand er jede Spielsekunde auf dem Feld.
In einer neuorganisierten Viererkette hatte er so gar keine Anlaufschwierigkeiten. Dabei profitierte er von seiner bisherigen Laufbahn. Rekik ist als Profi schon für sechs verschiedene Klubs in vier Ländern aufgelaufen, spielte vier Mal für die Elftal.
Als amtierender U17-Europameister ging er schon 2011 nach Manchester zu City. Es folgten einigermaßen erfolglose Leihen nach Portsmouth und Blackburn, dann zu PSV. In Eindhoven bekam er endlich eine ernsthafte Chance, krönte eine starke Saison mit der holländischen Meisterschaft und dem denkwürdigen Auftritt bei der anschließenden Feier. Prompt ging es weiter nach Marseille, wo er wiederum nicht mehr lief.
Manch junger Spieler zerbricht an so einer Odyssee, Rekik hingegen hat von ihr profitiert. „Er ist ein ganz erfahrener Spieler für uns“, sagt Hertha-Co Rainer Widmayer – über einen 23-Jährigen.
Noch fiel Karim Rekik der breiten Masse nicht als spektakulärer Verteidiger auf. Dementsprechend finden sich in den Best Of-Videos die gleichen drei Kopfballtore, vier sauberen Grätschen und drei elfmeterwürdigen Fouls, mit denen er davonkam. Aber er ist ein unangenehmer Gegenspieler. Einer der Sorte, gegen die man einfach nicht spielen möchte. Beidfüßig eingesprungene Flugrätschen, Ellenbogeneinsatz und die physische Präsenz eines 40-Tonners: Mit Rekik macht Herthas Abwehr wieder Angst.
Er ist keiner der Marke „Terrier“, eher ein Pitbull. Er ist kein Wadenbeißer, sondern frisst seine Gegner gleich ganz auf. Seine resolute Zweikampfführung schlägt sich in einer Quote von 61 Prozent nieder, bei 17 Fouls und drei gelben Karten. Und in seinem Spitznamen, den er in seiner niederländischen Heimat verliehen bekam: „Der Brecher“.
Passend zu seiner Spielweise sagt Rekik über sich selbst: „Ich sehe mich nie als Underdog.“ Zurecht, möchte man antworten. Er erinnert an Typen wie Daniel van Buyten, seinen Landsmann Jaap Stam oder sein Vorbild Paolo Maldini. Bedingungslose Kämpfernaturen, ehrliche Arbeiter und kluge Verteidiger. „Er ist ein sehr intelligenter Fußballer“, sagt auch Pal Dardai über ihn. 84 Prozent Passquote in der Spieleröffnung bestätigen das.
„Karim ist der Beste.“
Hinten hält der Linksfuß mit Niklas Stark als Partner den Laden dicht (Hertha hat auf Platz 12 die sechstbeste Abwehr der Liga), vorne sorgt er bei den für Hertha so wichtigen Standards für Torgefahr, traf zwei Mal selbst und legte drei Mal auf. Seine 1,86 Meter sind nicht übertrieben groß, seine Kopfballtechnik ist dafür umso größer. Ebenfalls groß: Die riesige Freude nach seinem ersten Bundesligator gegen den HSV, inklusive freihändigen Bandensprungs und kollektiver Fan-Ekstase.
Herthas Gegentorstatistik wäre vermutlich noch besser, wäre Rekik nicht vom 17. bis zum 25. Spieltag verletzt ausgefallen. Nur, um dann gegen Schalke direkt durchzuspielen. So wie gewohnt: resolut im eigenen Spiel und intelligent als Abwehrchef.
Obwohl sein Vertreter Jordan Torunarigha seinen Job in der Zwischenzeit gut machte, ist Rekik unter Dardai gesetzt. Zu seinem Konkurrenten möchte er sich nicht äußern: „Ich rede nicht über andere Spieler, ich schaue nur auf mich“, erklärt Ehrenmann Rekik. Sein Trainer hingegen hat eine eindeutige Meinung: „Ich finde, Karim ist von den drei Innenverteidigern der beste.“ Seit dem vorletzten Spieltag beweist er das auch wieder auf dem Platz.
Sein ehemaliger Sangesbruder und PSV-Kollege Jeffrey Bruma steht übrigens mittlerweile in Wolfsburg unter Vertrag. Genau wie sein Vorgänger Brooks. Nach dem kräht bei der Hertha dank Rekiks Leistungen kein Hahn mehr. Anders als er selbst, damals, bei der Meisterfeier in Eindhoven.