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Hansi Müller, am 22. Juni 1980 wurden Sie in Rom Euro­pa­meister. Ihre Erin­ne­rung an diesen Tag?
Das ist lange her. Kon­krete Erin­ne­rungen an die Zeit vor dem Spiel habe ich fast gar nicht mehr. Aber ich weiß noch gut, dass wir nach dem Sie­ger­ban­kett aus­ge­büchst sind.

Wohin ging’s denn?
In unserem Hotel herrschte nach dem Sieg über Bel­gien ein Rie­sen­an­drang. Es gab ein Abend­essen und anschlie­ßend bin ich mit sechs Kol­legen durch den Hin­ter­aus­gang des Holiday Inn“ abge­hauen. Wir mussten da einen Abhang runter und über eine Mauer. Dabei hat sich Manni Kaltz den Fuß ver­staucht. Aber den Schmerz hat er nach dem Sieg wohl weg­drü­cken können – jeden­falls waren wir die ganze Nacht unter­wegs.

Was haben Sie gemacht?
Weiß ich gar nicht mehr. Die Fest­platte ist gelöscht nach 32 Jahren.

Wirk­lich?
Sagen wir so, die Fest­platte liegt sicher irgendwo unten im Tro­phä­en­keller, und da bleibt sie auch liegen… (lacht)

Was war das Erfolgs­ge­heimnis des dama­ligen Euro­pa­meister-Teams?
Wir waren 1980 mit­ten­drin, die legen­däre Der­wall-Serie von 23 Spielen ohne Nie­der­lage auf­zu­stellen. Wenn eine Mann­schaft so erfolg­reich spielt, ist auch die Stim­mung gut. Der­wall hielt die Truppe an der langen Leine, bei ihm ging stets locker zur Sache. Ich erin­nere mich an viele Auto­gramm­stunden, wo ständig Witze erzählt wurden. Ich habe mich zu dieser Zeit auf jeden Termin mit der Natio­nal­mann­schaft gefreut. Die Mischung aus Jung und Älter, aus Nord und Süd, die stimmte ein­fach.

Es gab 1980 also keine Grüpp­chen im Team?
Die Ein­zigen, die ab und an mal zusam­men­hingen, waren die Förster-Brüder mit Uli Stie­like und Pit Briegel, was daran lag, dass sie alle aus der­selben Region stammten. Aber das war keine Gruppe in dem Sinne, dass sie Politik gegen den Rest der Mann­schaft machten. Auch die sind hin und wieder in unter­schied­li­chen Kon­stel­la­tionen los­ge­zogen.

Sie konnten sich in Ita­lien ver­gleichs­weise frei in der Öffent­lich­keit bewegen.
Klar waren wir unter­wegs, aber das hat sich nicht auf den Ehr­geiz aus­ge­wirkt. Mor­gens beim Trai­ning ging immer die Post ab. Ich weiß noch, dass abends vorm Auf­bruch öfter Toni Schu­ma­cher auf mich zukam – Toni war so ehr­geizig, dass er nie mit­ging – und sagte: Hansi, ich wünsch euch viel Spaß, aber denk dran, morgen früh geht wieder zur Sache.“ Und wenn Toni sowas sagte, konnte man sicher sein, dass es auch pas­siert.

Toni Schu­ma­cher spielte im Finale gegen Bel­gien mit einem gebro­chenen Mit­tel­hand­kno­chen, weil ihm im Abschluss­trai­ning ein Mit­spieler auf die Hand getreten war.
Typisch Toni, bei ihm war es schon fast unge­wöhn­lich, wenn er mal nichts hatte. Ein Voll­profi, ein positiv Ver­rückter. Ich habe kaum einen Spieler ken­nen­ge­lernt, der so an seine Grenzen ging, manchmal viel­leicht sogar soweit dar­über hinaus, dass ich mich fragte, ob das noch gesund sein kann.

Wie müssen wir uns die Arbeit mit Jupp Der­wall vor­stellen?
Er war wie ein Domp­teur, er wusste relativ gut, wen er härter und wen er zarter anpa­cken musste. Seine Ansprache passte zu dieser jungen Truppe, in Ita­lien haben fast alle eine Ebene mit ihm gefunden.

Gab es Spieler, denen er ab und an in den Hin­tern treten musste?
Im dama­ligen Kader fuhr Eike Immel als dritter Tor­hüter mit. Der machte ständig seine Gags, selbst beim Essen gab es was zu lachen. Da ist der Jupp manchmal auch dazwi­schen gefahren, weil er wusste, dass es Zeit wird, sich wieder zu kon­zen­trieren. Aber die 80er-Mann­schaft war schon sehr erfolgs­ori­en­tiert, da musste er nicht viel machen.

Bei der WM 1982 gabs näch­te­lange Poker­tur­niere im Quar­tier. Waren Kar­ten­spiele auch wäh­rend der EM 1980 an der Tages­ord­nung?
Das müsste ich wissen. (lacht) Natür­lich haben wir ab und an ein Spiel­chen am Pool gemacht, aber diese regel­mä­ßigen Runden wie in Spa­nien waren nicht üblich.

Im Kicker“ ist zu lesen, dass sich die Spieler mit den Jour­na­listen, die damals bei der Mann­schaft im Hotel wohnten, am Abend mal auf einen Gin Tonic am Pool ver­ab­re­deten.
Das kam schon vor und wenn wir gewonnen hatten, gab es daran doch auch nichts aus­zu­setzen. Als ich später zu Inter wech­selte, haben einige Spieler noch vier Stunden vor dem Spiel ein Glas Rot­wein getrunken.

Ihre Leis­tungen wäh­rend der EM wurden von der Presse zwie­spältig beur­teilt.
Nach dem Finale wurde ich von einigen Medien in die Mann­schaft des Tur­niers“ gewählt, da war ich zuge­ge­be­ner­maßen etwas ver­wun­dert. Denn per­sön­lich war ich nicht ganz zufrieden, ich hatte nicht auf dem Level gespielt, den ich von mir erwar­tete. Allen­falls gegen Hol­land bin ich an mein Leis­tungs­ver­mögen her­an­ge­reicht. Das war ein gran­dioses Spiel in Neapel, aber auch eine enge Kiste. Da hat uns Toni Schu­ma­cher mit einigen Paraden den Hin­tern gerettet.

Sie teilten wäh­rend des Tur­niers ein Dop­pel­zimmer mit Karl Heinz Rum­me­nigge. Wie war ihre Part­ner­schaft?
Drei Jahre lang haben wir bei der Natio­nal­mann­schaft das Zimmer geteilt. Aber wenn wir unter uns waren, ging es eher mal um Pri­vates, da wurde nicht viel über Fuß­ball geredet. Außerdem waren wir damals als Mann­schaft viel zusammen und ver­brachten relativ wenig Zeit im Zimmer, meis­tens nur zum Schlafen.

Nach dem gewon­nenen Finale war Rum­me­nigge – obwohl er zum Spieler des Tur­niers“ gewählt wurde – der ein­zige, der unzu­frieden war. Im Kicker“ sagte er: Mir fehlt der Paul hier, denn er weiß genau, wie ich mich im Spiel bewege. Hansi strei­chelt gerne selbst und zu lange den Ball.“
Breit­nigge“ war damals das kon­ge­niale Duo in der Bun­des­liga. Paul Breitner hatte ein blindes Spiel­ver­ständnis mit Kalle, die haben täg­lich gemeinsam trai­niert. In den wenigen Zusam­men­treffen mit der Natio­nalelf dieses Niveau zu errei­chen, war unmög­lich. Wenn‘s hochkam machten wir im Jahr acht, neun Spiele. Inso­fern kann ich ver­stehen, dass Kalle nach dem Finale, das für ihn nicht so per­fekt gelaufen war, ein biss­chen unzu­frieden war. Er hat stets sehr selbst­kri­tisch die Dinge hin­ter­fragt. Aber zumin­dest im Eröff­nungs­spiel habe ich ihm den Ball so auf­ge­legt, dass er für uns das Siegtor köpfen konnte, da konnte er sich nicht beschweren…(lacht)

Wie nahmen Sie bei der Euro die mauen Zuschau­er­zahlen wahr?
Gegen Grie­chen­land spielten Sie vor 10 500 Besu­chern. Natür­lich war das kurios, aber es waren auch die Aus­wir­kungen des ita­lie­ni­schen Mani­pu­la­ti­ons­skan­dals. Es war halt so – wäh­rend der Partie spielte sowas dann auch keine Rolle mehr.

Vom Stutt­garter Ober­bür­ger­meister wurden Sie für den Titel­ge­winn mit einem Zinn­teller geehrt.
So sind die halt Schwaben. Ich wurde sogar zwei Jahre vorher, nachdem wir in Argen­ti­nien schmäh­lich in der Zwi­schen­runde gegen Öster­reich aus­ge­schieden waren, zu einem Emp­fang ins Stutt­garter Rat­haus geladen. Die haben da einen Auf­stand gemacht, als sei ich Welt­meister geworden. Dabei war ich nur in vier von sechs WM-Spielen dabei. Ich dachte, ich bin im fal­schen Film, aber denen im Rat­haus war das sehr wichtig. Und als ich wir in Rom dann Euro­pa­meister wurden, haben sie sich richtig ins Zeug gelegt – und ich bekam einen Zinn­teller.

Für den Titel­ge­winn erhielten die Spie­ler­frauen einen Juwe­lier-Gut­schein im Wert von 2500 Mark.
Meine Frau Claudia hat sich dafür eine Baume & Mer­cier Uhr mit einem weißen Zif­fer­blatt und römi­schen Zahlen aus­ge­sucht. Die hat ziem­lich genau den Betrag gekostet. Die hat Claudia sehr lange getragen, inso­fern war es eine schöne Erin­ne­rung. Damals waren 2500 für Spieler noch gutes Geld.

Jeder Spieler im Kader bekam für den EM-Sieg 25 000 Mark. Die HSV-Profis erhielten zudem die Abstel­lungs­ge­bühren, die der DFB an den Klub bezahlte, was für Man­fred Kaltz etwa 40 000 Mark extra bedeu­tete. Zahlte Ihnen der VfB Stutt­gart dieses Geld auch aus?
Nein, die Stutt­garter waren da leider anders. Da musste man sich als Natio­nal­spieler noch mit einem Zinn­teller zufrieden geben.